Kaspi.kz hat im vergangenen Jahr in London einen furiosen Börsengang hingelegt. Das kasachische Tech-Unternehmen ist klarer Corona-Gewinner mit einem einfachen, aber bislang erfolgreichen Geschäftsmodell. Wir stellen den Aufsteiger im dritten Teil unserer DAZ-Börsenserie vor.

Wer bei dem kleinen Obsthändler in der Kabanbai-Batyr-Straße im Zentrum Almatys einkaufen möchte, hat mit Kredit- oder EC-Karte keinen Erfolg. „Es lohnt sich für mich nicht“, meint der Inhaber. „Bei solchen Transaktionen werden 3% Gebühren berechnet; außerdem muss ich die Anschaffungskosten für das Lesegerät tragen. Sie können aber mit dem Handy bezahlen.“

„Mit dem Handy“ – das bedeutet mit der App von „Kaspi Bank“, dem zweitgrößten kasachischen Kreditinstitut. Das Prinzip ist simpel: Sowohl der Kunde als auch der Ladenbesitzer haben ein Konto bei Kaspi, so dass das Geld im Ökosystem der Bank bleibt und Intermediäre wie Mastercard oder Visa umgangen werden. Für den Händler ist das zunächst kostenlos; nach drei Monaten werden Transaktionsgebühren in Höhe von 0,95% fällig. Zusätzliche Geräte sind nicht notwendig, sowohl Kunde als auch Käufer benötigen nur ein Mobiltelefon mit der installierten App, was im technikaffinen Kasachstan kein Hindernis darstellt.

Kaspi.kz aus dem Alltag der Kasachstaner nicht wegzudenken

Dieses Geschäftsmodell ist sehr erfolgreich: Im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Nutzer von Kaspi Pay nach Angaben des Unternehmens fast versechsfacht; sein Anteil beim bargeldlosen Bezahlen stieg von 4% im Januar 2020 auf 38% im Dezember. Und das ist nur eine Funktion der sogenannten „Super-App“: Sie fungiert auch als Online-Marktplatz à la Amazon, über den man unter anderem Einrichtungsgegenstände, Modeartikel oder Bücher bestellen kann. Darüber hinaus ist es möglich, Kredite abzuschließen oder Versicherungen zu erwerben, beispielsweise für das eigene Auto. Selbst Steuern und Bußgelder werden mittlerweile häufig über Kaspi bezahlt.

Mittlerweile ist Kaspi aus dem Alltag der Kasachstaner nicht mehr wegzudenken, was sich auch in den Geschäftszahlen für das vergangene Jahr widerspiegelt: Für das ganze Unternehmen wuchs der Umsatz vom vierten Quartal 2019 bis zum vierten Quartal 2020 um 20%, der Nettogewinn sogar um 42%. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Kaspi mittlerweile eine solide Infrastruktur aufgebaut hat, durch die ein starkes Umsatzwachstum nicht mehr zwangsläufig zu steigende Kosten führt – eine Situation, die sehr viele Unternehmen im Technologiebereich anstreben, aber bei weitem nicht alle erreichen, wie etwa das Beispiel des Fahrdienstvermittlers Uber zeigt.

Erfolgreicher Börsengang in London

Daher verwundert es nicht, dass sich das Fintech-Unternehmen auch jenseits der kasachischen Grenzen einen Namen gemacht hat und mit seinem Börsengang an der London Stock Exchange im Oktober 2020 erfolgreich Anlegergelder in Höhe von über einer Milliarde Dollar eingeworben hat.

Insgesamt wurden fast 30 Millionen GDR’s an die Börse gebracht, was 15,4% der Unternehmensanteile entspricht. Die Nachfrage war so groß, dass der Ausgabepreis mit 33,75$ am oberen Rand des von Analysten erwarteten Korridors lag und der Aktienkurs in den Tagen danach sogar noch anstieg. Damit wurde Kaspi mit einer Marktkapitalisierung von 6,5 Milliarden Dollar schlagartig zum wertvollsten kasachischen Unternehmen überhaupt. Ende April 2021 erreichte der Börsenkurs bei ca. 85$ sein bisheriges Rekordhoch, wodurch sich die Marktkapitalisierung binnen kurzer Zeit bereits verdoppelt hat. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von ca. 25 ist die Aktie damit inzwischen nicht mehr billig bewertet, aber noch deutlich „günstiger“ als die Aktien von etablierten Unternehmen der Peer-Group wie Amazon oder Square.

Die Köpfe hinter Kaspi.kz

Für Privatanleger, die früh dabei waren, hat sich Kaspi also bislang als eine Erfolgsgeschichte erwiesen, aber am meisten profitiert haben vermutlich die beiden Köpfe hinter der Erfolgsgeschichte des Unternehmens: Vorstandsvorsitzender Vyacheslav Kim und Geschäftsführer Michail Lomtadze.

Kim, ein studierter Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler aus Almaty, war in den 90er Jahren Mitgründer einer Handelskette für Unterhaltungselektronik. 2002 stieg er in das damals schon bestehende Finanzinstitut ein. Die Transformation des klassischen Bankgeschäfts hin zu einem Fintech-Modell begann 2007, als Michail Lomtadze zu Kaspi stieß. Der georgische Harvard-Absolvent hatte zuvor schon einige Jahre für den Investmentfonds Baring Vostok gearbeitet und war so auf das kasachische Unternehmen aufmerksam geworden. Im Verlauf des folgenden Jahrzehnts befreite Lomtadze die Bank von ineffizienten und überholten Geschäftsfeldern und führte sukzessive neue Angebote ein; angefangen 2011 mit elektronischen Zahlungsdienstleistungen und einem e-Wallet bis hin zu der nun so erfolgreichen App, deren erste Version 2017 verfügbar wurde.

Bis heute halten Kim 25%, Lomtadze 23% und Baring Vostok 31% der Unternehmensanteile.  Die Entscheidungsgewalt über die zukünftige Strategie von Kaspi liegt damit formal in nur wenigen Händen. Großen Einfluss dürfte aber nach wie vor auch Kairat Satybaldy ausüben. Der Neffe von Nursultan Nasarbajew war bis 2018 einer der größten Anteilseigner der Bank. Danach zog er sich aber komplett aus seiner Investition zurück.

Kaspi.kz will weiter expandieren

Privatanleger müssen in dieser Gemengelage nicht zwangsläufig ein Risiko für die Zukunft des Unternehmens sehen. So äußern sich die offenbar guten Beziehungen von Kim und Lomtadze etwa darin, dass die beiden schon mehrfach direkte Gespräche mit dem Nachfolger Nasarbajews und aktuellem Präsidenten Kasachstans, Qassym-Schomart Toqayev, führen konnten. Lomtadze erhielt außerdem im Jahr 2020 den Orden der Dankbarkeit des kasachischen Volks für seine Verdienste im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Kaspi stellte in diesem Zusammenhang eine wichtige Plattform für die Auszahlung von staatlichen Hilfen an Bedürftige dar.

Der nächste Schritt für Kaspi soll die Expansion nach Aserbaidschan und Usbekistan sein. In den benachbarten Ländern ist der Markt bisher noch relativ unerschlossen. Sollten dort ebenso große Marktanteile erobert werden wie zuletzt in Kasachstan, könnte sich die Erfolgsgeschichte noch einige Zeit fortsetzen. Auch der Aktienkurs von Kaspi sollte dann neue Höhen erklimmen.

Transparenzhinweis: Der Artikel stellt keine Anlageberatung und keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Aktien dar. Er spiegelt nur die Meinung des Autors wider. Der Autor hält keine Aktien von Kaspi.kz.

Von Thorsten Kaesler

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