Nach Fukushima war Atomkraft schon totgesagt. Inzwischen aber nutzen sie immer mehr Länder, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Davon profitiert der weltgrößte Uranproduzent Kazatomprom, den wir im vierten Teil unserer Aktien-Serie vorstellen.

Wenn Börsenfreunde in Deutschland über „Volksaktien“ diskutieren, dann fallen in der Regel Namen wie die Deutsche Telekom, BASF oder Bayer. Über die Wertpapiere eines großen Uranförderkonzerns in solcher Weise zu sprechen, käme wohl so gut wie niemandem in den Sinn. Beim Blick nach Kasachstan erweist sich eine derartige Zuordnung aber keineswegs als abwegig. Schließlich ist das Unternehmen Kazatomprom, gelistet an den Börsen in Almaty und London, nicht nur das weltweit größte in seiner Branche. Es hat auch mit gut 16 Prozent die höchste Gewichtung im kasachischen Aktienleitindex KASE. Auf den Webseiten kasachischer Broker wie Freedom Finance erscheint Kazatomprom im Katalog der beliebtesten Aktien weit vorne.

Mitarbeiter von Kazatomprom in der Uranproduktion

Tatsächlich ist das Unternehmen nicht weniger als ein Brennglas, in dem sich wichtige Entwicklungen der kasachischen und sowjetischen Wirtschafts- und Politikgeschichte bündeln. Und dem Ausstieg aus der Atomkraft zum Trotz stieß das Wertpapier zuletzt auch unter deutschen Privatanlegern auf eine gewisse Resonanz. Was hat es damit auf sich?
Kazatomprom wurde 1997 auf Erlass von Nursultan Nasarbajew gegründet, aber die Wurzeln des kasachischen Uranbergbaus reichen weit in die sowjetische Periode zurück.

Kasachisches Uran macht Sowjetunion zur Atommacht

Durch die Erfindung von Nuklearwaffen, aber auch die friedliche Nutzung der Atomenergie, wurde das radioaktive Metall zu einem wichtigen Faktor im Wettrüsten des Kalten Krieges. Deckte die Sowjetunion ihren Uranbedarf in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch weitgehend aus ostdeutschen Lagerstätten im Erzgebirge, entdeckte man in den 1950er Jahren reichhaltige Uranvorkommen im Westen Kasachstans auf der Halbinsel Mangystau. Dies führte zur Gründung der Wissenschaftlerstadt Schewtschenko, heute Aqtau, und zum Aufbau des Atomenergiekombinats Mangyschlak – Betreiber des weltweit ersten, kommerziell genutzten „Schnellen Brüters“ (ein Typ Kernreaktor, der weiteres spaltbares Material erzeugt).

Auch die Nutzung anderer Lagerstätten, etwa bei Stepnogorsk oder am Balchasch-See, wurde sukzessive ausgeweitet, so dass kasachisches Uran einen großen Anteil am Aufstieg der Sowjetunion zur Atommacht hatte. Alle genannten Kombinate gingen entweder schon 1997 oder in den Folgejahren im heutigen Kazatomprom auf, womit das Unternehmen einen bedeutenden Teil der kasachischen Identität verkörpert. Heute betreibt es 26 Abbaustätten, die über ganz Kasachstan verteilt sind. Kein Wunder also, dass die Aktie nicht als Exot gilt, sondern so selbstverständlich gehandelt wird wie etwa in Deutschland Anteile an Volkswagen.

Hohe Investitionskosten für Kazatomprom

Das Kerngeschäft von Kazatomprom ist nach wie vor der Abbau und Verkauf von Uran und Uranprodukten. Deren Absatzmenge betrug 2020 über 10 Millionen Tonnen. Zwar verzeichnete man, damit einen Rückgang von ca. 19 Prozent hauptsächlich zurückzuführen auf die Corona-Pandemie, als die Minen zeitweise stillstanden. Allerdings konnte man den weltweiten Marktanteil von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr halten. Mit 529 Millionen Tenge trug dieser Unternehmensbereich zu 90 Prozent des gesamten Umsatzes von Kazatomprom bei, während mit dem Abbau und der Weiterverarbeitung anderer seltener Metalle wie Tantal und Beryllium „nur“ etwa 34 Millionen Tenge erwirtschaftet wurden. Nach Abzug von Kosten und Steuern blieb dem Konzern noch ein Reingewinn von 213 Millionen Tenge. Damit schaffte es Kazatomprom, trotz eines verhältnismäßig niedrigen Uranpreises und der Corona-Einschränkungen wirtschaftlich zu produzieren, was im Uranbergbau keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Uranförderung ist in der Regel mit hohen Investitions- und Fixkosten verbunden. Der Betrieb vieler Minen ist dadurch nur wirtschaftlich, wenn der Marktpreis des Metalls einen gewissen Mindestwert nicht unterschreitet. Seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima und der damit verbundenen Stilllegung von Kernkraftwerken sowohl in Japan als auch in Deutschland kam es zu einem Überangebot an Uran, was den Preis von 60 USD auf bis zu unter 20 USD 2017 sinken ließ. So schloss erst Anfang des Jahres eine der größten Uranminen der Welt im westafrikanischen Niger aufgrund mangelnder Rentabilität.

Der große Wettbewerbsvorteil von Kazatomprom

Der große Wettbewerbsvorteil von Kazatomprom liegt darin begründet, dass man im Gegensatz zu Minenbetreibern in Kanada oder im Niger den relativ günstigen „Lösungsbergbau“ anwenden kann. Dabei wird verdünnte Schwefelsäure in den Erzkörper eingeleitet und die entstehende Uranlösung an die Oberfläche gepumpt. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass viele Kosten des klassischen Tiefbaus, wie etwa die Beseitigung von Abraum, entfallen. Auch aus ökologischer Sicht ist der Lösungsbergbau vorteilhaft, weil weniger radioaktive Rückstände entstehen und weniger landschaftliche Eingriffe nötig sind. Das Verfahren kann aber nur unter bestimmten geologischen Voraussetzungen angewandt werden, die nicht überall auf der Welt gegeben sind.

Sollte der Uranpreis aufgrund eines weltweiten Atomausstieges weiter fallen, würde das natürlich auch für Kazatomprom irgendwann zum Problem. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Insbesondere in den energiehungrigen Industrienationen Asiens wie China und Indien werden derzeit zahlreiche neue Reaktoren geplant. Dort sind Luftverschmutzung und Smog ein akutes Problem, denn noch immer produzieren einen Großteil des elektrischen Stroms alternde Kohlekraftwerke. Im Verhältnis zu den Gesundheitsproblemen, die durch schlechte Luft verursacht werden, erscheint ein atomarer Gau wie in Fukushima wohl eher als abstrakte Bedrohung.

Ein weiterer Faktor ist der Übergang zu erneuerbaren Energien zur Bekämpfung des Klimawandels. So beschreibt Unternehmer und Mäzen Bill Gates in seinem kürzlich erschienenen Buch „Wie wir die Klimakrise verhindern“ die Atomkraft als „saubere Energie“. Deren Risiken könnten durch technischen Fortschritt beherrschbar werden. Ob man diese Meinung teilt, muss man selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass der Milliardär mit seiner Firma „Terra Power“ in die Entwicklung einer neuen Generation von Reaktoren investiert. Was beim Alten bliebe: Auch diese Reaktoren sind auf Brennstoff in Form von Uran angewiesen.

Kazatomprom überzeugt mit Kurswachstum und satter Dividende

Kazatomprom selbst rechnet jedenfalls fest damit, dass die Nutzung von Kernenergie in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung zunehmen wird. Durch die geringen Abbaukosten und die Möglichkeit, schnell auf Preisschwankungen zu reagieren, sieht man sich für die Zukunft gut gerüstet. Um den mit dem Geschäftsmodell verbundenen Risiken zu begegnen, plant der Konzern allerdings auch, sich weiter zu diversifizieren. So gehören inzwischen Solarkraftwerke zum Portfolio des Unternehmens, wobei diese bislang nur einen Bruchteil des Umsatzes erwirtschaften. Weitere strategische Ziele sind laut Geschäftsbericht die Digitalisierung von Arbeitsprozessen, die Umweltverträglichkeit der eigenen Tätigkeit, aber auch die Förderung sozialer Projekte.

Den Optimismus des Konzerns teilen die Anleger offenbar. Unter dem Eindruck eines erstarkenden Uranpreises und im Zuge der generellen Sektorrotation von Tech-Aktien hin zu Value- und Rohstoffwerten legte das Wertpapier von Kazatomprom seit November eine beeindruckende Rallye von über 100 Prozent hin. Neben dem Kursgewinn konnten sich Aktionäre in den vergangenen Jahren außerdem über eine stattliche Dividende freuen. Basierend auf den Zahlen des Geschäftsjahres 2019 erhöhte sich die Dividendenauszahlung für 2020 um 24 Prozent, was 0,92 USD pro Aktie entsprach. Damit lag die Dividendenrendite im vergangenen Jahr bei ca. 6 Prozent, was für ein profitabel wirtschaftendes Unternehmen einen attraktiven Wert darstellt.

Mit einem Preis von über 20 Euro und einem KGV von über 25 war die Aktie in den letzten Wochen zwar nicht mehr billig bewertet. Wer aber dennoch in Kazatomprom investieren möchte, kann entweder die Aktie des Unternehmens über einen örtlichen Broker kaufen, was wohl für kasachstanische Staatsbürger die bevorzugte Alternative darstellen dürfte. Für europäische Privatanleger steht hingegen nur der Erwerb von GDRs über die Börse London zur Verfügung. Wem ein Einzelkauf zu riskant ist, der kann allerdings auch in diverse ETFs auf die Nuklearindustrie oder die Region investieren, in denen die kasachischen „Volksaktie“ steckt.

Thorsten Kaesler

Transparenzhinweis: Der Artikel stellt keine Anlageberatung und keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Aktien dar. Er spiegelt nur die Meinung des Autors wider. Der Autor hält selbst Aktien von Kazatomprom.
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