Der Kök-Töbe ist für die Almatiner ein Ort der Erholung und des Freizeitvergnügens. Die Geschichte seiner Erschließung begann bereits im 19. Jahrhundert und nahm zu Sowjetzeiten richtig Fahrt auf.

Wer Almaty zum ersten Mal besucht, der wird mit ziemlicher Sicherheit sofort nach seiner Ankunft die kleine Seilbahnstation am Palast der Republik, nur einen Steinwurf vom Hotel Kasachstan mit seiner goldenen Krone entfernt, ansteuern. In sanftem Steigflug überfliegen die bunten Gondeln alte Wohnviertel und die breite Ausfallstraße, auf der man vermutlich gerade selbst erst vom Flughafen in die Stadt gekommen ist. Schließlich werden die Hügel grüner und steiler, bevor nach nur rund 6 Minuten Fahrzeit die Gondel sanft in die Bergstation eingleitet.

Von hier, von der Aussichtsterrasse, bietet sich ein spektakulärer Blick auf die Metropole Almaty. Und wenn man sich nur einmal herumdreht und von der anderen Seite der Aussichtsplattform blickt, so eröffnet sich der noch spektakulärere Blick auf die nahen, bis zu 4.700 Meter hohen Ausläufer des Tianshan-Gebirges. Wer es hierher, ans obere Ende der Seilbahn, geschafft hat, der hat bereits einiges an Höhenmetern zurückgelegt. Wir befinden uns auf dem Hausberg Almatys, dem 1.130 Meter hohen Kök-Töbe, was in etwa so viel wie „blauer“ oder „grüner Hügel“ bedeutet.

Geschichte des Kök-Töbe so alt wie die der Stadt selbst

Bei den Panoramaaussichten, die sich dem Besucher hier oben, dies- und jenseits des Hügels, bieten, fallen die ganzen Kirmesattraktionen, die in den letzten Jahren entstanden sind, beinahe gar nicht mehr auf. Das Riesenrad, eine Bobbahn den Hügel herunter, diverse Karussells und Losbuden, selbst ein kleiner Streichelzoo, ziehen schon lange nicht mehr nur ausländische Touristen an. An lauen Sommerabenden sind es insbesondere Familien mit kleinen Kindern von außerhalb, aus den schon ein paar Autostunden von Almaty entfernt liegenden Dörfern, die sich an den bunten Lichtern der Karussells und an dem Ausblick über die glitzernde Metropole erfreuen.

Dabei ist die Geschichte der Sommerfrische auf dem Hausberg Almatys vermutlich so alt wie die Stadt selbst, wenn nicht sogar älter. Als die Stadt noch eine Militärfestung war, marschierten die Soldaten in ihrer Freizeit hinauf. Seit Werny 1867 die Stadtrechte verliehen bekam, waren es die sich neu ansiedelnden Kaufleute und Händler, die zur Erholung auf den Kök-Töbe kamen. Ursprünglich trug der Berg übrigens den Namen Werigina und hieß noch bis in die 1960er Jahre so. Doch ebenjene neu hinzugezogenen Kaufleute nannten den Berg bereits zu Zeiten des vorrevolutionären Werny den „blauen Berg“. Legenden besagen gar, dass der Berg bereits im Mittelalter als der „blaue“ bekannt war.

Der beschwerliche Aufstieg wurde den Gästen allerdings erst am 4. November 1967 genommen. An diesem Tag eröffnete die erste Seilbahn auf den Hausberg der Stadt. Die Fahrzeit betrug schon damals nur 6 Minuten, allerdings waren lediglich zwei Gondeln im Wechsel auf der 1.727 Meter langen Strecke unterwegs, wodurch sich damals nicht selten Dutzende Ausflugsgäste Schulter an Schulter in den beengten Kabinen drängten.

Erdrutschgefahr als Bauproblem auf dem Kök-Töbe

Der Grund für die neuerliche Erschließung des Kök-Töbe und für die umfangreichen Baumaßnahmen lag aber ganz woanders. Gegen Mitte der 1960er Jahre ergriff das Ministerium für Kommunikation der Kasachischen Sowjetrepublik die Initiative zum Neubau eines Fernsehturms, der die gesamte Republik mit Rundfunk und TV-Signalen abdecken sollte. Das staatliche Planungskomitee der UdSSR stellte für den Bau 600 Millionen Rubel zur Verfügung und beauftragte ab 1975 die Architekten Tresijew, Sawtschenko, Akimow und Ostrumow mit der Planung. Als Standort wählten die Ingenieure den 1.130 Meter hohen Werigina-Berg, um eine bessere Sendeabdeckung in der Region zu erreichen. Gleichzeitig würde der Turm so zu einer Sehenswürdigkeit werden, die von jedem Ort der Stadt aus zu sehen sein würde.

Bis dahin war es aber noch ein weiter und im wahrsten Sinn des Wortes steiniger Weg. Als eines der größten technischen Probleme stellte sich der lockere, erdrutschgefährdete Boden im Baugebiet heraus. Um diesem Problem Herr zu werden, wurde ein Fundament mit einer Tiefe von 60 Metern und einem Gewicht von 45.000 Tonnen gegossen. Der Bau des Turmes selbst begann 1978. Auch hier musste aufgrund der schwierigen Bodengegebenheiten umgedacht werden. Im Unterschied zu vielen ähnlichen Fernsehtürmen wählte man aus Gewichtsgründen keine Beton- sondern eine Stahlrohrkonstruktion. Ebenfalls bedacht werden musste die Erdbebengefahr in dem Gebiet Almaty. Der Fernsehturm wurde so konstruiert, dass er Erdstöße bis zu einer Stärke von 10 auf der Richterskala standhalten können soll.

Evakuierung und Sperrung des Areals

Der Fernsehturm mit einer Bauwerkshöhe von 371,5 Metern wurde 1983 eröffnet und brachte ab diesem Tag seinerzeit 6 Fernseh- und 4 Radiokanäle in insgesamt 199 Siedlungsgebiete Kasachstans. Doch insbesondere die architektonischen Maße und Daten des Bauwerks beeindrucken seitdem. Seine für solche Gebäude einzigartige Bauweise machen den Turm zur höchsten freistehenden Stahlrohrkonstruktion der Welt. Zwei Betriebsplattformen befinden sich auf 146 Meter und 252 Meter Höhe. Zwar existieren sogar Räumlichkeiten für ein Panoramarestaurant, allerdings war der Turm nie für einen öffentlichen Publikumsverkehr geöffnet. Einerseits fehlen ihm die erforderlichen Evakuierungseinrichtungen für Notfälle, andererseits besitzt er als Sendeanlage des staatlichen Rundfunks und Fernsehens strategische Bedeutung für die politische Stabilität des Landes.

Nach einer Renovierung des Fernsehturms 2001 waren die Sendeanlagen nun in der Lage, sowohl 14 Fernseh- als auch 14 Radiostationen landesweit auszustrahlen. Im Frühling 2004 gingen heftige Regenfälle über Almaty nieder und der Boden weichte auf. Risse entstanden im Gelände um den Fernsehturm. Es drohte ein Erdrutsch auf die benachbarten Wohngebiete niederzugehen und das Fundament des Turmes massiv zu beschädigen. Das gesamte Areal wurde sofort evakuiert und gesperrt. Im Sommer 2004 begannen Arbeiten, um das Gelände rund um den Fernsehturm zu stabilisieren. Insgesamt wurden 395 Bohrlöcher mit einer Tiefe von bis zu 24 Metern gegraben, um den Boden zu festigen und Erdrutschen vorzubeugen.

Ein Denkmal für die Beatles auf dem Kök-Töbe

Ebenfalls 2004 begannen Arbeiten am öffentlich zugänglichen Gelände des Kök-Töbe. Insbesondere riss die Stadt dort im Laufe der Jahre illegal errichtete Gebäude, hauptsächlich Cafés und kleine Restaurants, ab. Auch renovierte sie die Seilbahn und die Aussichtsplattformen. Der neu hergerichtete Kök-Töbe-Park, wie er nun hieß, eröffnete 2006 für die Besucher. Seitdem sind zahlreiche Fahrgeschäfte, Karussells, moderne Restaurants und andere Vergnügungseinrichtungen hinzugekommen. Zu den vielleicht merkwürdigsten und interessantesten Sehenswürdigkeiten aus diesen Tagen gehört eine Bronzestatue der Beatles. Einer Gruppe Enthusiasten gelang es, die Genehmigungen hierfür zu bekommen, und das erste den vier Pilzköpfen aus Liverpool gewidmete Denkmal auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion 2007 hier oben auf dem Kök-Töbe zu errichten.

Zwischen 2014 und 2016 war der Kök-Töbe für die Bewohner von Almaty abermals nur durch einen schweißtreibenden Aufstieg zu Fuß zu erreichen. Ein Komplettneubau der Seilbahn nach 47 Betriebsjahren stand an. Im März 2016 wurde die neue, moderne Seilbahn mit 17 kuppelbaren Kabinen eröffnet. Sie transportiert seitdem bis zu 750 Personen in der Stunde nach oben. Seitdem kann man wieder sanft über das alte Wohnviertel namens „Kompot“ hinweg hinauf zum grünen Hausberg der Stadt Almaty, dem Kök-Töbe schweben. Dieses uralte Wohnviertel hinter dem Palast der Republik und am Fuße des Kök-Töbe verdankt seinen Namen „Kompot“ übrigens seinen Straßennamen: Apfelstraße, Birnenstraße, Kirschstraße…undsoweiter. Und auch diese Straßennamen kommen nicht von ungefähr.

Der Apfel als Stadtsymbol

Hier im Osten der Stadt und rund um das Bett des Flusses Kleine Almatinka entstanden bereits zur Gründung der Stadt Werny Siedlungen. An den Hängen dahinter lagen ehemals die berühmten Obstgärten der Stadt, in denen unter anderem der legendäre Apfel der Sorte Aport wuchs. Der Aport, der in Höhenlagen von 950 bis 1.200 Metern wächst, wurde in dieser Region rund um das Jahr 1865 zufällig gefunden. Er besticht insbesondere durch seine Größe und seinen süßen Geschmack und verhalf der Stadt Almaty zu gewissem Ruhm. So ist das kasachische Wort für Apfel schließlich „Alma“. Die Apfelgärten hinter dem Wohnviertel Kompot gibt es leider nicht mehr. Doch wer mit der Seilbahn auf der Aussichtsplattform des Kök-Töbe ankommt, der stößt dort direkt auf den Brunnen der Wünsche, ein gewaltiger Apfel aus Granit und bis heute das Symbol der Stadt Almaty.

Philipp Dippl

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