Gefühlvolle Verbindungen zu nationalen Traditionen und ein großes Interesse an modernen Formen: Aitbai Kulbai zeigt in seiner Mitte Januar im staatlichen Kastejew-Kunstmuseum eröffneten Einzelausstellung „Die Farben von Magnitau“ leuchtende Impressionen aus Kasachstan. Inspiriert vom traditionellen Leben in der Steppe, malt der Künstler Aitbai Kulbai farbenfrohe Bilder mit ausdrucksstarken Figuren. „Eine Ausstellung, in der man den Alltagsstress vergessen kann“, sagt Kuratorin Jelisaweta Kim.
/Bild: Christine Karmann/
Der Künstler gibt sich bescheiden. Warum die Ausstellung „Die Farben von Mangistau“ heiße? „Sie könnte auch einen anderen Namen haben, überhaupt fällt es mir immer schwer, Titel für meine Bilder zu finden“, sagt Aitbai Kulbai. Welche Farben er besonders möge und sie deshalb zuerst auftrage? „Schwer zu sagen, ich kaufe mir immer eine neue Packung und brauche dann die Farben der Reihe nach auf“, sagt der Maler. Was ihn zu den Bildern inspiriere, ob er eine besondere Umgebung benötigte? „Eigentlich brauche ich nichts, ich könnte auch nachts malen“, antwortet der Künstler.
Überhaupt würde Aitbai Kulbai lieber in seiner Muttersprache Kasachisch reden. Schließlich findet er in gebrochenem Russisch doch noch Worte, die seinen künstlerischen Schöpfungsprozess beschreiben. „Ich male mit Herz, Verstand und Hand. Wenn ich an einem Bild arbeite, ist es immer ein Prozess des Suchens und Findens. Meine Stimmungen und Ideen leiten mich, bis ich mit jedem Bild etwas Besonderes ausdrücken kann“, sagt Aitbai Kulbai. „Das einzige, was ich genau sagen kann ist, dass ich keine alten Meister kopiere. Ob das gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters“, schränkt der Künstler kaum gesagt seine Aussage wieder ein.
Suche nach den Traditionen des kasachischen Volkes
Aitbai Kulbai zeigt farbenfrohe, leuchtende Bilder in seiner Einzelausstellung im Kastejew-Museum. Kuratorin Jelisaweta Kim gibt eine Einführung in das Werk des Künstlers. „Es ist schwer, die Kunst Kulbais in einzelne Perioden zu teilen, die sich durch einen bestimmten Stil auszeichnen. Im Verlauf eines Jahres kann Aitbai Kulbai verschiedene Bilder in verschiedenen Richtungen malen. Das hängt von seinen künstlerischen Einfällen ab.“
Was man jedoch festhalten kann, ist, dass Aitbai Kulbai von den künstlerischen Einflüssen der 70er und 80er geprägt ist. Obwohl diese Jahre politisch gesehen, eher einen Stillstand bedeuteten, waren sie für das künstlerische Schaffen äußerst fruchtbar. In der Literatur, im Theater und im Kino gab es eine ganze Reihe interessanter Projekte, und auch die darstellende Kunst widmete sich neuen philosophischen Fragestellungen.
Aitbai Kulbai verfolgte die Diskussionen über das künstlerische Handwerk und fand seine Bestimmung in der Verbindung zwischen traditioneller Volkskunst und zeitgenössischen Richtungen. Seine Bilder „Ich bin Kasache“, „Großmutter und Enkel“ oder „Der Fluss der Zeit“ haben ihren Ursprung in der Geschichte Kasachstans.
„Aitbai Kulbai macht sich auf die Suche nach den Traditionen des kasachischen Volkes. Er bildet nicht nur Rituale ab, wie z.B. das Backen von Fladenbrot oder die Vorbereitung auf das Neujahrsfest nach dem orientalischen Kalender (Naurys), sondern verbindet das traditionelle Leben in der Steppe mit allgemeingültigen Werten wie dem Zusammenleben von Generationen, Familie, Glaube, Gastfreundlichkeit. Die Stärke der Bilder liegt in den ausdrucksstarken Figuren“, erklärt Kuratorin Jelisaweta Kim.
Eine Reihe von Werken beschäftigt sich mit der Persönlichkeit und dem Schaffen von Abisch Kekilbajew. Sein Interesse an dem Schriftsteller, Publizisten und Politiker inspirierte den Künstler zu einem eigenen Werkzyklus. In den Bildern „Verbindung“ (2008) und „Welle der Seele“ (2008) porträtiert Aitbai Kulbai den Schriftsteller und versucht, mit Vergrößerungen und Deformationen die Energie des künstlerischen Denkens des Schriftstellers wiederzugeben.
„Sitze gerade im Museum und male ein Bild“
Der unbekannte Orient hat viele Künstler angezogen, auch die russischen Maler Kusnez und Malewitsch ließen sich von der kasachischen Steppe inspirieren. Europäische Künstler wie Picasso oder Matisse reisten auf der Suche nach neuen Impulsen nach Afrika. Aitbai Kulbai zeigt Kasachstan als Land zwischen Europa und dem Orient. „Er verbindet westliche und orientalische Kunst und greift in seinen Bildern philosophische Themen auf“, sagt Kuratorin Jelisaweta Kim.
Aitbai Kulbai ergänzt, er habe für die Ausstellung extra farbenfrohe fröhliche Bilder ausgewählt. „Der Impuls kam von innen. Ich wollte keine aggressiven Bilder zeigen, sondern den Betrachtern die Möglichkeit geben, leuchtende Bilder anzuschauen“, sagt der Künstler. „Eine Ausstellung gegen den Alltagsstress“, sagt Kuratorin Jelisaweta Kim.
Jetzt kommt der große Augenblick des Künstlers. Aitbai Kulbai rückt seine schwarze Brille zurecht, klemmt die Leinwand fest und drückt die Farben auf seiner Palette aus. Im Hintergrund spielt eine junge Pianistin. Aitbai Kulbai zeichnet mit einem Stift Wellenlinien und beginnt diese mit grünen, gelben, blauen und rosa Farbtupfen auszumalen, von den Zuschauern erfurchtsvoll bestaunt. Bis das Handy des Künstlers klingelt.
Was sagt man da dem Anrufer? Sitze gerade im Museum und male ein Bild? Aitbai Kulbai entscheidet sich für: „Ich bin momentan in einer Meisterklasse“ und legt auf. Jetzt muss er wieder die Fragen der Journalisten beantworten. Welche Pinsel oder Spachtel benutzt er gerade? „Im Moment male ich mit allem, was mir zur Verfügung steht“, sagt Aitbai Kulbai. Was das Bild darstellen soll? „Wird noch nicht verraten“, sagt Aitbai Kulbai und ergänzt: „Im Augenblick ist es noch ein bisschen abstrakt“.
Hat er schon mal Deutschland besucht? Aitbai Kulbai bekommt leuchtende Augen. Er hat seine Freunde in Saarbrücken besucht. Ob er da auch ein Bild über Deutschland gemalt habe? Nein, ihn interessieren mehr orientalische Themen. Sprichts und malt weiter an seinem Bild. Es sieht schon sehr farbenfroh aus und wird bestimmt auch etwas mit Kasachstan zu tun haben.
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Aitbai Kulbai wurde in Turkmenistan geboren und wuchs in einem kasachischen Aul auf. Er besuchte die staatliche Schota-Rustaweli-Kunstschule. Nach dem Abschluss arbeitete er als Zeichenlehrer in einer Schule. Der Wunsch nach einer weiteren künstlerischen Ausbildung führte ihn im Jahre 1985 nach Alma-Ata, wo er an der Fakultät für künstlerische Graphik des Kasachischen Pädagogischen Abai-Instituts studierte.
Von Christine Karmann
22/01/10