Die letzten Tage des Oktobers 2018 waren heiß – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Selbst im sonst eher kalten Norden Kasachstans ging es heiß er: In der von Landwirtschaft geprägten Region ist Erntezeit. Daher ist es sicherlich kein Zufall, dass genau zu dieser Zeit auch das Agrarforum in Astana stattfand, welches Teil der Landmaschinenausstellung war. Wie der Vorsitzende des Nationalen Landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums (NANOZ), Ulan Taschibajew, sagte: Astana wurde Ende Oktober zu einer echten Stadt der Landwirtschaft. Neben der Agrarmesse und dem Forum fand auch die Gründungskonferenz der Koalition der ländlichen NGOs statt.
Teil des Forums war auch die erste „Deutsch-Kasachische Agrarkonferenz“, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutschen Botschaft in Kasachstan organisiert worden war. Unter dem Motto „Deutschland und Kasachstan – Partner im Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft“ wurde besprochen, wie der Austausch von deutschen und kasachischen Experten einen Beitrag zum Aufbau eines Agrarsektors in Kasachstan leisten kann. Dabei ging es um Themen wie eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, eine nachhaltige Landwirtschaft, Viehzucht sowie Lebensmittelproduktion, Logistik und Vertrieb. Des Weiteren ging es um wissenschaftliche Forschung und die Ausbildung von Personal.
Deutsch-kasachische Kooperation
Die Teilnehmer diskutierten auch über die bessere Einbindung der Agrarwissenschaft in die Landwirtschaft. Des Weiteren wurde vorgeschlagen, eine einheitliche Agrarsteuer einzuführen und ein Institut zur Landverpachtung für Staatsbürger Kasachstans zu gründen. Die Aufteilung der Ländereien soll durch Satellitenüberwachung sichergestellt werden. Laut Vize-Landwirtschaftsminister Berik Bisengalijew sollen die Änderungen im Agrargesetzbuch mit der Bevölkerung, sprich den Landwirten, abgestimmt werden.
An der Konferenz nahmen unter anderem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums
Kasachstans, der Stiftung der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“ und von NANOZ teil sowie Professoren und Experten aus deutschen Hochschulen. Dass etwa 80 Experten aus Deutschland nach Astana gekommen sind, spricht für das hohe Interesse an Kasachstan und seiner Landwirtschaft. Der Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Michael Stübgen, eröffnete die Konferenz. Ein bedeutender Schritt in der Kooperation wurde vor einem Jahr getan, als der damalige deutsche Botschafter Rolf Mafael vorschlug, deutsche Agrarunternehmen nach Kasachstan zu bringen. Er sah in der Landwirtschaft eine große Zukunft für die Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan. Mafael hat zwar seinen Posten als Botschafter mittlerweile verlassen, doch die Idee lebt weiter.
Im Zentrum des Treffens stand außerdem die Präsentation des „Deutsch-Kasachischen agrarpolitischen Dialogs“, welchen die Mitgliedsunternehmen der „Vereinigung der nachhaltigen Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Methoden und Technologien in Kasachstan“ – ein Projekt der GIZ – gehören. Dabei ging es vor allem um die Investitionsmöglichkeiten in Kasachstan. Am Vorabend der Konferenz hatten die Gäste aus Deutschland mehrere landwirtschaftliche Betriebe, die bereits aktiv mit Deutschland zusammenarbeiten, besucht. Begleitet wurden sie vom Parlamentsabgeordneten und Vorsitzenden der Stiftung der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“, Albert Rau, sowie dem kasachstandeutschen Landwirt Johann Sauer. Dieser hatte die Gelegenheit, den Gästen aus Deutschland zu zeigen, dass auch in Kasachstan mit europäischen Standards gearbeitet wird.
Mit Optimismus in die Zukunft
Thomas Helm, Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan, gab zu, dass er während seines Aufenthalts in Kasachstan sehr viel gelernt habe. Vor allem in Bezug auf den Optimismus, der, seiner Meinung nach, in Kasachstan im Übermaß vorhanden ist. „Die meisten von uns wussten vor ihrer Ankunft hier wahrscheinlich nur, dass Kasachstan ein riesiges Territorium hat und einer der großen Weizenexporteure auf der Welt ist. Doch das Land hat ein echtes Potenzial, das bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist“, so Helm.
Das bezieht sich auch auf die noch etwa 180.000 Menschen zählende deutsche Minderheit, die eine „lebendige Brücke“ nach Deutschland sein kann. Denn trotz der Sanktionen gegen Russland und die Türkei, zwei wichtige Handelspartner für Kasachstan, können beide Länder eine Wirtschaftsbeziehung aufbauen. 2017 betrug die Handelssumme aus Importen und Exporten von und nach Kasachstan 4,85 Milliarden Euro. Insgesamt hat Deutschland bisher rund vier Milliarden Euro in dem zentralasiatischen Land investiert, einen Großteil davon in den Erdöl- und Erdgassektor.
Bei seiner Rede Anfang Oktober betonte auch Präsident Nursultan Nasarbajew das Wachstumspotenzial der Landwirtschaft. Bis 2022 soll die Produktivität um das 2,5-fache erhöht werden. Dafür wäre allerdings eine großangelegte Modernisierung der Betriebe notwendig. Dabei sollen laut Nasarbajew auch Experten aus dem Ausland helfen. Außerdem kündigte er an, jährlich mindestens 100 Milliarden Tenge zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Das Ziel ist, dass die Landwirtschaft in Kasachstan nicht nur die eigenen Bürger versorgen, sondern auch exportieren kann. Bis dahin ist allerdings noch ein langer Weg.
Michael Wagner
Übersetzung aus dem Russischen: Othmara Glas