Jekaterina Sawina arbeitet derzeit als Abteilungsleiterin für Logistik im Unternehmen Beiersdorf. Sie hat ein aktives Studentenleben, eine Austauschreise nach Mittweida und ein Wirtschafts-Masterstudium in Osnabrück hinter sich. Im Interview mit der DAZ wirft sie einen Blick zurück auf mehr als zehn Jahre und erzählt, was für sie der Weg zum Erfolg war.
Guten Tag, Jekaterina. Wir würden gern mehr darüber erfahren, was Sie veranlasst hat, Deutsch zu lernen. Was hat Sie inspiriert, interessiert? Welche Pläne hatten Sie? Und wie haben Sie Deutsch gelernt – selbst oder mit Hilfe von Kursen der Bildungseinrichtungen?
Ich glaube, meine Familie hat die Entscheidung, Deutsch zu lernen, beeinflusst. Ich habe deutsche Wurzeln, und es gab eine Zeit in den neunziger Jahren, in der meine Verwandten dem Ruf ihrer deutschen Vergangenheit folgten. Damals waren viele Menschen nach Deutschland umgezogen, und meine Familie wollte das auch. Wir lernten die Sprache, und ich bekam deutsche Bücher sowie Anleitungen, die ich später selbständig studierte. In der fünften Klasse lernte ich leidenschaftlich Deutsch. Die Schüler wurden in zwei Gruppen eingeteilt: In der ersten lernten die Kinder Englisch, in der zweiten Deutsch.
Die meisten Kinder in der zweiten Gruppe kamen nicht freiwillig: Es schien so, dass ich die Einzige war, die wirklich der Gruppe beitreten wollte. In der sechsten Klasse zog ich jedoch in eine andere Schule. Dort stand nur Englisch als Lernsprache zur Verfügung, und ich musste vieles nachholen, sodass ich aufhörte, Deutsch zu lernen. Erst kurz vor dem letzten Schuljahr bekam ich den Wunsch, eine andere Sprache zu lernen. Ich konnte Englisch bereits sehr gut, nahm sogar Kurse mit Muttersprachlern und brauchte eine neue Beschäftigung. Dadurch erinnerte ich mich an Deutsch.
Dann erfuhr ich von der Gesellschaft „Wiedergeburt“ und begann, ihre Kurse zu besuchen. Ein Jahr später (die ganze Zeit über habe ich in denselben Kursen weiter Deutsch gelernt) entdeckte ich die Deutsch-Kasachische Universität und erkannte für mich, dass ich dort studieren möchte. Ich wollte die Sprache dort lernen, nach Deutschland fahren und sehen, wie Menschen dort leben und arbeiten.
Haben Ihnen die Kurse der „Wiedergeburt“ geholfen? Denken Sie, dass sie Sie motiviert oder Ihnen die notwendige Erfahrung für das weitere Lernen vermittelt haben?
Ja, die Kurse haben mir sehr geholfen. Es gab nur einen Nachteil: wenig Sprechpraxis. Ich erinnere mich, als einmal eine Frau in unsere Klasse kam (höchstwahrscheinlich vom deutschen Konsulat), mit uns sprach und fragte, ob wir irgendwelche Fragen hätten. Da bekam ich den Wunsch, ihr eine Frage zu stellen, konnte es aber nicht: Meine Praxis reichte nicht aus, um sie zu formulieren. Es gab noch etwas, das mir nicht ganz zusagte: Das Tempo des Unterrichts war sehr langsam, da viele Erwachsene in der Gruppe lernten. Sie waren über vierzig oder sogar fünfzig Jahre alt, so dass der Unterricht gemächlich lief, damit sie sich alles verinnerlichen konnten. Da wollte ich schon weiter gehen, während die Gruppe noch nicht dazu bereit war. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass dies für Anfänger eine sehr gute Option ist, mit der sie das grundlegende Vokabular und die Grammatik perfekt lernen können.
Wie haben Sie an der Deutsch-Kasachischen Universität studiert? Kamen Sie mit der Sprache zurecht?
Mit der Sprache war es einfach für mich. Weil ich den Eingangstest gut bestanden hatte, wurde ich zunächst in die Gruppe für jene geschickt, die in der Schule Deutsch gelernt und das Sprachdiplom erhalten hatten. Das war für mich ein bißchen schwer, so dass ich nach einer Stunde um einen Wechsel in eine Gruppe auf niedrigerem Sprachniveau gebeten habe. Dort fühlte ich mich recht wohl.
Deutsch konnte man gut lernen, da es viele Unterrichtsstunden gab – ich glaube, fünf pro Woche – und so der Wortschatz sehr schnell aufgefüllt wurde. Dies ist auch das Verdienst der Lehrerin, die neben den geplanten auch optionale Aufgaben erteilte. Ich erinnere mich, dass sie uns bat, das Buch „Die Ilse ist weg“ zu lesen und dann seinen Inhalt nachzuerzählen. Meiner Meinung nach ist das genial. Dieser Ansatz ermöglicht es, Wörter und grammatikalische Strukturen sehr schnell zu lernen. Natürlich teilten nicht alle Studenten meine Begeisterung, und nur wenige erledigten die optionalen Aufgaben, aber es war wirklich sehr nützlich. Dank alledem verbesserte ich schnell meine Sprachkenntnisse und konnte nach zwei Jahren fließend ein Gespräch führen.
Haben Sie an irgendwelchen Kursen, Seminaren teilgenommen? Wenn ja, an welchen und warum?
Natürlich habe ich auch Kurse, Seminare und andere Veranstaltungen besucht. Zum Beispiel war ich Mitglied eines Filmclubs, in dem Studenten Filme auf Deutsch anschauten und dann darüber diskutierten. Ich habe auch einen Wirtschaftskurs belegt, weil ich vorhatte, in dieser Richtung zu studieren. Ein Jahr vor dem Wirtschaftskurs nahm ich an einem journalistischen Seminar teil. Dort hielten Muttersprachler Vorlesungen, und es gab auch Ausflüge ins Deutsche Haus. Dort druckte man damals die DAZ, und uns wurde der Druckprozess gezeigt.
Ich erinnere mich auch daran, dass ich im Jahr 2006 an der Zentralasiatischen Medienwerkstatt teilnahm. Menschen aus verschiedenen Städten und Ländern kamen dorthin, und es war sehr interessant für mich, sie kennenzulernen. Außerdem war ich Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung. Das Stipendium bot finanzielle Unterstützung und die Möglichkeit, einmal im Monat an Treffen mit Konsuln, Botschaftern und anderen hochrangigen Personen teilzunehmen. Bei diesen Treffen konnte einer, der sein Leben mit Politik, Wirtschaft oder Sozialwissenschaften verbinden möchte, viele nützliche Dinge erfahren. Nach fünf Monaten fand das letzte Seminar der Stipendienzeit in Tabogan statt, wo es hauptsächlich um Geopolitik ging.
Im dritten Studienjahr bekamen Sie ein Stipendium und die Möglichkeit, an einem Studentenaustausch teilzunehmen. Welche Emotionen hat bei Ihnen die Aussicht auf eine Reise nach Deutschland geweckt? Wohin wurden Sie geschickt, was waren Ihre Eindrücke von der Stadt und dem Bundesland, den Einheimischen, dem Studentenwohnheim? Und wie zufrieden waren sie mit dem Semester in Deutschland?
Ehrlich gesagt, war ich wahnsinnig glücklich. Ich war die zweite Person an unserer Universität, die dieses Stipendium erhielt. Es wurde von der Fachhochschule Mittweida ausgeschrieben, an die ich geschickt wurde. Ich mochte diese Stadt sehr. Sie ist klein, aber sehr gemütlich. Auch das Bundesland gefiel mir. Für uns ausländische Studenten wurden oft Ausflüge organisiert – etwa nach Dresden oder Chemnitz, also die von Mittweida aus nächstgelegene Großstadt. So konnten wir die Landschaften Sachsens genießen, viele Sehenswürdigkeiten besuchen, und es war einfach unglaublich.
Die Leute dort waren sehr höflich und hilfsbereit. Sich in der Stadt zu verirren, war schwierig, da jeder einem den Weg wies, wenn man fragte. Das Studentenwohnheim hat mich auch sehr beeindruckt. Ich erinnere mich, dass es in jedem Stockwerk zehn Zimmer gab, in denen jeweils nur ein Student lebte. Das war sehr bequem. Alles andere — die Küche, die Wäscherei — teilten sich alle gemeinsam. In dem Wohnheim waren viele Ausländer untergebracht, so dass man bei den alltäglichen Aktivitäten viel Bekanntschaft miteinander machte.
Jeder der ausländischen Stipendiaten hatte einen eigenen Mentor, der ihnen half, sich einzuleben, Studienprobleme und alle möglichen Kleinigkeiten zu lösen – von der Eröffnung eines Bankkontos über Einkaufen bis hin zu Mobilfunktarifen. Alles war sehr gut organisiert und durchdacht. Vor Beginn des Unterrichts nahmen alle Stipendiaten auch an einem Deutschkurs teil, der uns half, uns schneller anzupassen. Darauf begannen alle, Vorlesungen zu besuchen.
Begleitet wurde das Studium von einem stürmischen gesellschaftlichen Leben. Es gab einen Club, der regelmäßig Diskos und Themenabende anbot. Diese hatten meistens einen interkulturellen Hintergrund: An einem Abend brachten Studenten eine große Menge an Nationalgerichten, an einem anderen kamen alle in Nationaltrachten und sprachen über die Traditionen ihres Volkes. Besucher des Clubs waren hauptsächlich ausländische Studenten; es kamen aber auch Einheimische, die mit uns tanzten, gerne redeten und uns kennenlernen wollten. Es hat alles sehr viel Spaß gemacht, und ich kann sagen, dass ich mit dem Semester in Deutschland mehr als zufrieden war.
Nach dem Universitätsabschluss haben Sie sich für ein Masterstudium in Deutschland entschieden. Was war der Grund dafür?
Der Hauptgrund war, dass ich vom DAAD-Stipendium erfahren habe, mit dem ein deutsches Masterstudium voll finanziert wurde. Das war in meinem dritten Jahr an der Universität. Ich sammelte die Dokumente, durchlief ein Bewerbungsgespräch und bekam anschließend mitgeteilt, dass mein Stipendienantrag genehmigt wurde. Ich denke auch, dass meine Entscheidung durch meine früheren Studienerfahrungen in Deutschland beeinflusst wurde. Auch meine Sprachkenntnisse haben dazu beigetragen.
Und wie bewerten Sie Ihre Entscheidung aus heutiger Sicht?
Ich bewerte sie jetzt äußerst positiv. Für mich war es die richtige Wahl. Ich bekam dadurch interkulturelle Erfahrung, ein Verständnis für eine andere Mentalität sowie die Möglichkeit, das deutsche Bildungssystem kennenzulernen. Außerdem kontte ich so eine qualitativ hochwertige postgraduale Ausbildung erwerben und bei Lehrkräften studieren, die ihren Beruf wirklich beherrschten. Viele von denen, die an meinem Studienort Osnabrück lehrten, hatten zuvor viele Jahre in ihrem Fachbereich gearbeitet. Dadurch wussten sie genau, wie man Theorie im Berufsleben anwenden muss. Nicht zuletzt war es auch eine tolle Möglichkeit, ein Praktikum hier zu machen. Eine angenehme Ergänzung zu all dem war die Gelegenheit, durch Europa zu reisen. Wenn ich das alles zusammenfasse, sehe ich nur Positives an meinem deutschen Masterstudium.
Wenn man das deutsche Bildungssystem betrachtet – was sind die Unterschiede zu einem, das in den Staaten der GUS üblich ist? War es schwer für Sie, sich daran zu gewöhnen?
Das deutsche Bildungssystem ist ein zweischneidiges Schwert. Im Gegensatz zu dem System, an das ich gewöhnt bin, betont es die Selbständigkeit: Man muss selbst Informationen recherchieren, einsehen können, was genau man studieren möchte, und was zu tun ist. Es war nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, besonders weil ich bereits im Masterstudium war.
Welche Vor- und Nachteile hat Ihrer Meinung nach das System?
Der Vorteil ist, dass es eine unabhängige Suche nach Informationen lehrt und zur Entwicklung von Eigeninitiative anspornt, was zweifellos sehr nützlich im Berufsleben ist. Ich denke, der Nachteil ist, dass Schulkinder sehr früh vor einer wichtigen Entscheidung stehen. Bis zur 11. Klasse wusste ich nicht genau, was ich dann werden, wo und was studieren wollte. Da muss man schon sehr früh erkennen, welchen Weg man einschlagen will, um später nicht bestimmte Zukunftschancen zu verlieren.
Einerseits ist dies natürlich Wahlfreiheit: Wenn man nicht will, geht man nicht zum Gymnasium und erhält keine höhere Ausbildung. Wenn man dagegen will, dann unternimmt man alle Anstrengungen dafür. Es kommt aber auch vor, dass das Kind seine Aussichten erst spät erkennt und einsieht, dass es in Wirklichkeit etwas völlig anderes will, es nun aber keine andere Wahl mehr gibt. Im Allgemeinen ist das Thema vielseitig, aber die grundlegende These dieses Bildungssystems ist gut: Der Lernende muss in der Lage sein, das Problem selbst zu erkennen, sich die richtigen Fragen zu stellen und seine Bedürfnisse zu identifizieren. Dem stimme ich zu.
Nach dem Masterstudium sind Sie nach Kasachstan zurückgekehrt. Hatten Sie Probleme, hier eine Beschäftigung zu finden? Und hat Ihnen Ihr Master-Abschluss bei der Arbeitsuche geholfen?
Es gab keine besonderen Probleme: Ich fand einen Job nach drei bis vier Monaten aktiver Suche. Um ehrlich zu sein, hat mir der Master dabei aber nicht viel geholfen. In Kasachstan ist die Berufserfahrung ein entscheidender Faktor für die Beschäftigung.
Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach eine Auslandsausbildung bei der Auswahl für Arbeitgeber? Sie arbeiten jetzt für eine deutsche Firma. Hat Ihr deutscher Master-Abschluss dort eine Rolle gespielt?
Natürlich können Arbeitgeber in den Vertretungen internationaler Unternehmen einen ausländischen Bachelor- oder Master-Abschluss als etwas Wichtiges ansehen. Lokale Firmen achten aber nicht besonders darauf. Ich kann freilich nicht für alle Arbeitgeber sprechen, sondern nur aufgrund meiner eigenen Erfahrung Schlüsse ziehen: Ich hatte wenig Berufserfahrung, daher wurde mein Master-Abschluss nicht geschätzt. Aber jetzt mache ich sozusagen Erfahrungen mit der anderen Seite des Themas.
Dieses Jahr bekam ich eine Beförderung und wurde Abteilungsleiterin. Ich begann also selbst nach Personal zu suchen und kann schon sagen, dass ich Bewerbern mit ausländischer Ausbildung eine höhere Priorität einräumte. Für mich war es eine Art Trigger, der mich veranlasste, sich die Person genauer anzuschauen und sie zu einem Interview einzuladen. Ich ging so vor, weil ich erstens denke, dass man gescheit und wissbegierig sein muss, um im Ausland zu studieren. Und zweitens, weil Menschen, die zum Studium ins Ausland gehen, normalerweise sehr ambitioniert sind. Sie sind offen für Neues, streben nach Höherem, und all das ist meiner Meinung nach sehr wichtig, wenn es um die Auswahl von Mitarbeitern geht. Ich bin vermutlich nicht die einzige, die diese Meinung vertritt.
Was meine Arbeit in einem deutschen Unternehmen betrifft, spielte mein Master-Abschluss keine besondere Rolle. Die Position, die ich davor innehatte, war sehr relevant, und ich bestand das Job-Interview erfolgreich. Vielleicht gab der Abschluss einen kleinen Vorteil, aber er war nicht entscheidend.
Welchen Rat würden Sie abschließend denen geben, die in Deutschland studieren möchten?
Mein Rat an zukünftige Studenten lautet: Tut es! Versucht es, bemüht euch und glaubt an euch! Wenn man wirklich will, wird man alles erreichen. Noch ein Ratschlag: Es ist besser, nicht wie ich bis zum Masterstudium zu warten, sondern sofort für den Bachelor-Abschluss an eine deutsche Universität zu gehen. Auf diese Weise bleibt mehr Zeit, sich dem Bildungssystem anzupassen und alle erforderlichen Informationen aufzunehmen.