„Follow the Moskva, down to Gorky Park, listening to the wind of change…“ Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, und heute ist es diese Melodie, dieser Welthit der Hannoveraner Hard-Rock Band Scorpions, die einem im Ohr erklingt, wenn man an die Bilder der DDR-Bürger an den Berliner Grenzübergängen gen Westen aus dem November 1989 denkt. Das Lied „Wind of Change“ ist der Soundtrack zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands. In der Sowjetunion waren dem Glasnost und Perestroika vorausgegangen.

Die Scorpions traten am 13. August 1989 auf dem Moscow Music Peace Festival im Moskauer Lenin-Stadion vor 300.000 rock-begeisterten Sowjetbürgern auf. Klaus Meine, Frontsänger der Scorpions, schlenderte während dieses Aufenthalts in Moskau im Sommer 1989 in einer lauen Nacht durch den Gorki Park am Ufer des Moskwa-Flusses. In diesem Moment, geprägt von der Stimmung des politischen Wandels, soll ihm die Idee zu dem späteren Wendehit gekommen sein. Veröffentlicht wurde „Wind of Change“ erstmals am 6. November 1990 auf dem Scorpions-Album „Crazy World“. Seitdem dürfte das lyrische Ich des Klaus Meine vermutlich millionenfach die Moskwa hinunter zum Gorki Park gefolgt sein. Wind of Change hat sicherlich auch einiges zur Bekanntheit des echten Gorki Park im Herzen Moskaus beigetragen, insbesondere im Westen.

Streiten mit Lenin

Viele Jahre früher, im Jahr 1868, wurde in Nischni Nowgorod ein gewisser Aleksej Maksimowitsch Peschkow geboren. Peschkow wuchs in bitterarmen Verhältnissen auf, verlor beide Eltern früh und musste mit vielen Tagelöhnertätigkeiten ums Überleben kämpfen. Er schlug sich zu Fuß durch Russland, die Ukraine und über den Kaukasus bis ins georgische Tiflis durch, wo er mit Revolutionären in Kontakt kam. Diese ermutigten Peschkow, seine von Armut, Ausbeutung und häuslicher Gewalt geprägten Lebenserfahrungen literarisch festzuhalten.

Seine erste Erzählung erschien am 12. September 1892 in der Provinzzeitung „Kawkas“, unterschrieben mit dem Pseudonym Maxim Gorki. Seitdem trat dieser Mann unter seinem Synonym, übersetzt „der Bittere“, auf, kämpfte gegen das zaristische Russland und für die Revolution des Proletariats und stritt mit Wladimir Lenin leidenschaftlich über Gott und Religion. Auch über die ideologische Ausrichtung der inzwischen Realität gewordenen Oktoberrevolution wurden sich die Streithähne Lenin und Gorki zu Lebzeiten nicht mehr einig. Während Lenin zusammen mit den Bolschewiken die Sowjetunion zu formen begann, zog Maxim Gorki gen Westen, ließ seine Lungentuberkulose in einer Lungenheilanstalt in St. Blasien im Schwarzwald behandeln, schrieb Bücher und suchte Kontakte zu europäischen Sozialisten.

Maxim Gorki, Stalins Vorzeigeschriftsteller

Wladimir Lenin starb im Januar 1924. Sein Nachfolger Josef Stalin erhob Maxim Gorkis Texte über das Leben als Arbeiter und in Armut schließlich in den Stand proletarischer Literatur und ließ dem Schriftsteller, der erst 1927 in die Sowjetunion zurückkehrte, alle Ehre zukommen. Sein Werk sollte als neues Vorbild für sowjetische Literatur gelten, im Westen war er schon bald als Stalins Vorzeigeschriftsteller bekannt. In seinen letzten Lebensjahren schrieb Gorki propagandistische Reiseberichte über die Errungenschaften des sozialistischen Fortschritts, wie zum Beispiel sein Buch über den Weißmeer-Ostsee-Kanal.

Maxim Gorki starb am 18. Juni 1936, seine Urne wurde an der Mauer des Moskauer Kremls beigesetzt. Um seinen Tod ranken sich bis heute Gerüchte, Legenden und Verschwörungen.
Die 1920er Jahre waren eine Zeit massiver Veränderungen und Rekonstruktionen im Stadtzentrum von Moskau. Moskau sollte unter Josef Stalin nichts weniger als die „Stadt der Zukunft“ werden, und so stieß man unter anderem auch auf die Notwendigkeit eines zentralen Erholungs- und Kulturparks.

Durch einen Beschluss des Präsidiums des Moskauer Stadtrates wurde am 15. März 1928 die am Ufer der Moskwa liegende Allrussische Landwirtschafts- und Handwerksausstellung offiziell in den Zentralen Kultur- und Erholungspark umgewandelt und eröffnet. Der von dem Architekten und Maler Konstantin Melnikow gestaltete Park war der erste seiner Art in der Sowjetunion und sollte dem gestressten sowjetischen Arbeiter Freizeit und Erholung ermöglichen. Dies natürlich streng nach den Idealen und Vorstellungen des sozialistischen Realismus von Kultur und Erholung. 1932 erhielt der Park dem proletarischen Schriftsteller zu Ehren den Namen „Zentraler Kultur- und Erholungspark Maxim-Gorki“.

Mit der Revolution änderten sich die Zeiten

1854 wurde am Fuße des Transili-Alatau-Gebirges die Festung Wernoje gegründet und am 11. April 1864 mit Stadtrechten ausgestattet. Zu den ersten städtischen Einrichtungen gehörte neben einem Friedhof und dem Basar auch ein Park. Der Wissenschaftler und Gärtner G. Krischtopenko legte bereits 1856 erstmals einen Garten in einer Flussaue der Kleinen Almatinka an und machte ihn der Öffentlichkeit zugänglich. Die Offiziere der Festung Wernoje erholten sich seitdem dort und schlenderten durch die frühe Anlage. Krischtopenko studierte das Klima und kam zu dem Schluss, dass an diesem Ort nicht nur in Zentralasien heimische Pflanzen, sondern auch solche aus Zentralrussland wachsen könnten. Er brachte Samen und Setzlinge von der Krim und aus Taschkent nach Werny. Zwischen 1869 und 1875 entstanden ein Gewächshaus, Blumenbeete, ein Spielplatz und eine Schule für Gartenbau.

Je mehr die Stadt Werny zum Ende des 19. Jahrhundert wuchs, desto beliebter wurde auch der inzwischen stattliche Park. Neben zahlreichen Baum-, Pflanzen- und Blumenarten wurden Obst und Gemüse angebaut. Kleine Küchen und Kantinen entstanden, Tanzflächen und Pavillons für die Abendunterhaltung wurden aufgebaut, und in Jurten konnte man Billard und andere Tischspiele spielen. Es wurden auch immer öfter nationale Feiertage dort gefeiert, und der Park wandelte sich zum Staatlichen Garten der Stadt Werny, in dem sich die Bürger erholten. Solange Zar Nikolaus in Sankt Petersburg das Russische Imperium lenkte, war gar ein kleiner Obolus für den Eintritt in den Park fällig. Doch dann kam die Oktoberrevolution und die Zeiten änderten sich.

Beste Parkanlage der Sowjetunion

Dem Moskauer Vorbild folgend, sollte ab den 1930er Jahren jede größere Stadt der Sowjetunion seinen Gorki-Park bekommen. Der zentrale Stadtpark von Alma-Ata, wie die Stadt nun hieß, erlebte im Jahr 1934 eine großangelegte Renovierung und Neugestaltung. Die Attribute des Zarentums wurden entfernt und der Stil dem sozialistischen Ideal angepasst. Ein großes Portal im stalinistischen Zuckerbäckerstil markiert seitdem den Eingang zu dem neu gestalteten Gorki-Park der Kultur und Erholung, wie er schließlich auch in Alma-Ata ab 1935 hieß. Die frühere Flussaue wurde zu einem See ausgehoben, und der erste Zoo der Stadt hielt im hinteren Teil des Parks Einzug. Ein Monument Maxim Gorkis wurde 1940 errichtet. Dem folgten in den frühen 1950er Jahren zahlreiche Skulpturen und Springbrunnen im Stile des sozialistischen Realismus. Auch ein Kino und eine Pioniereisenbahn entstanden in dieser Zeit. 1965 erhielt der Gorki-Park von Alma-Ata einen Staatspreis als beste Parkanlage der Sowjetunion.

Der Untergang dieser festen Institution sowjetischer Freizeitbeschäftigung nahm mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion seinen Lauf. Der Park wurde 1997 privatisiert und an eine Investmentgesellschaft verkauft. Diese legte daraufhin für den Bau eines Wasserfreizeitparks Teile des Parks trocken und zwackte Wasser von der Kleinen Almatinka ab. Daneben wurden in nur wenigen Jahren ohne Genehmigung zahlreiche Bäume gefällt, viele andere starben aufgrund des Wassermangels und der Bodenschäden. In Teilen des Parks, illegal in Bauland umgewidmet, wurden Wohnblocks errichtet. 2013 begann die Investmentgesellschaft eigenmächtig mit der Abholzung von weiteren 2.000 Bäumen. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Fläche des Parks nur noch lediglich 42 Hektar im Vergleich zu über 100 Hektar im Jahr 1983. Der entstandene Schaden ist kaum zu beziffern.

Der Gorki-Park: In Moskau heute wieder ein echtes Schmuckstück

Zwar fand 2018 eine aufwändige Restaurierung des gesamten Parkgeländes statt, aber die Anlage blickt noch immer in eine ungewisse Zukunft. Der Zoo des Parks zieht regelmäßig ein breites Medienecho auf sich, da es Tierschutzbedenken gibt. Erst Anfang 2021 kam es zu Protesten in Almaty gegen den Bau eines Wohnheims auf dem Gelände des Parks. Man kann nur hoffen, dass sich diese Zustände in Zukunft bessern werden.

Auch dem großen Moskauer Vorbild ging es in den 1990er Jahren nicht besser. Doch man hat in den letzten Jahren viel Arbeit und Geld in die Entrümpelung des Parks und in die Restaurierung der historischen Denkmäler gesteckt, und somit besitzt Moskau heute wieder ein wahres Schmuckstück direkt am Ufer der Moskwa. Die Rockband Scorpions sind derweil so beliebt wie eh und je und tritt auch nach inzwischen über 55 Jahren auf der Bühne noch immer weltweit vor tausenden von Fans auf.

Philipp Dippl

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