Die sinkenden Geburtenraten stehen nach Ansicht von Ulf Engert unter anderem in Zusammenhang mit der zunehmenden Leistungsbereitschaft von Arbeitnehmern.

Nun ist es amtlich, bei den deutschen Führungskräften ist die „Botschaft vom unternehmerischen Handeln“ angekommen. Die Arbeitnehmer in den Chefetagen Deutschlands zeigen mehr Leistung als je zuvor und verzichten auf Freizeit und Selbstverwirklichung, den so genannten postmodernen Werten. Laut einer Studie sind rund 90 Prozent der Führungskräfte unter 40 Jahren bereit, auf Freizeit zu verzichten und tun dies auch. Ähnlich lautende Befunde liegen auch für die normalen Arbeiter und Angestellten vor. Darüber freuen sich die Unternehmen, der Wirtschaftsminister und alle, die daran Geld verdienen. Leider müsste bei diesem Befund Ursula von der Leyen, der Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, und dem Rest der Republik das Lachen vergehen. Warum? Schaut man sich den Verlauf der Bevölkerungskurve der letzten 20 Jahre an, kann einem nur grausen. Die Geburtenraten sind seit dem Jahre 1989 in Gesamt-Deutschland auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Pro Frau werden nur noch 1,4 Prozent Kinder geboren. Dazu kommt, dass unter den weiblichen Hochschulabsolventen die Fertilität unterdurchschnittlich ist. So sind laut dem Mikrozensus von 2003, eine in der Bundesrepublik alle vier Jahre stattfindende statistische Erhebung, ca. 48 Prozent der studierten Frauen zwischen 33 und 37 Jahren kinderlos. Zum Vergleich: In der DDR waren nur ca. 14 Prozent der Frauen mit einem Studienabschluss ohne Kind. Frauen mit Hauptschulabschluss hingegen weisen eine weitaus größere Fruchtbarkeit auf. So wird jetzt schon jedes sechste Kind in der Bundesrepublik direkt in die Hartz-IV-Versorgung geboren. Diese Menschen werden von unseren Politikern oft als Prekariat, als neue Unterschicht, bezeichnet. Auf Grund ihrer ökonomischen und sozialen Lage sind sie oftmals von Bildung und Kultur ausgeschlossen, was natürlich fatale Folgen hat. Daraus kann man ersehen, dass die BRD bei einem weiteren Fallen der Geburtenzahlen einen Standortvorteil verliert. Menschen, die von Anfang an in eine bildungsferne Familie geboren werden, haben von vornherein geringe bis keine Chancen auf eine qualifizierte Ausbildung, geschweige denn auf eine berufliche Karriere. Dies bedeutet, dass sich der Fachkräftemangel, der ja schon in der Bundesrepublik herrscht, noch verschärfen und zu Mehrarbeit der jetzt arbeitenden Bevölkerung führen wird.

Man fragt sich nun, wie kann man sich ernsthaft darüber freuen, dass gerade die Eliten unserer Gesellschaft immer mehr Zeit in ihren Beruf investieren als in ihr privates Leben? Es verwundert dabei nicht, dass viele einen ja tatsächlich vorhandenen Kinderwunsch nicht realisieren, weil ein geeigneter Partner fehlt. Wo soll dieser auch herkommen, wenn man keine Zeit hat, um soziale Kontakte zu pflegen? Doch was machen die Firmen, wenn ihnen der qualifizierte Nachwuchs ausgeht? Wie können diese Unternehmen, wenn gut ausgebildete Führungskräfte in Zukunft fehlen, Gewinne erzielen? Ermuntern sie dann ihre Mitarbeiter, 24 Stunden am Tag zu arbeiten? Wird es dann wieder eine Studie geben, die darauf verweist, dass die Deutschen endlich begriffen haben, worauf es im Leben ankommt, nämlich auf die Ökonomisierung aller Lebensbereiche? Nein, sie kaufen sich gut ausgebildete ausländische Fachkräfte wie ein Produkt ein. Man spricht dann gern von Humankapital, welches dringend benötigt wird, damit der Gedanke an den menschlichen Warencharakter erst gar nicht aufkommt. Abgesehen von dem unethischen Abziehen der Arbeitskräfte aus Regionen der Welt, wo diese dringend gebraucht werden, ist dies die einzige Möglichkeit, unseren westlichen Standard zu halten. Die Geburtenzahlen schrumpfen ja nicht erst seit gestern, sondern schon seit den 60er Jahren. Das Dumme ist nur, dass große Teile unserer politischen Eliten einer ausgewogenen Einwanderung ablehnend gegenüberstehen und lieber Augen und Ohren vor diesen nicht seit gestern existierenden Problemen verschließen. Wir stehen ja noch nicht ganz am Abgrund. Deutschlands Bevölkerung schrumpft, dies ist eine unbequeme Tatsache, und wir tun gut daran, eine ausgewogene und nachhaltige Lösung zu finden, die unseren europäischen und auch den globalen Anforderungen dienlich ist.

Von Ulf Engert

22/06/07

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