Im südlichen Kaukasus ist Armenien gelegen. Die aufregende Geschichte des Landes spiegelt sich auch in der Architektur der Hauptstadt Jerewan wider. Vor allem der neoklassizistische Stil der Zwanziger Jahre der Sowjetunion sowie der spätere sowjetische Modernismus kennzeichnen das Stadtbild. Der Autor Tigran Harutyunyan führt Sie in einem kürzlich erschienenen Architekturführer durch seine Heimatstadt.

Manchen Sachbüchern ist die Begeisterung der Autoren für die Materie auf jeder Seite abzulesen. Der Architekturführer zur armenischen Hauptstadt Jerewan, jüngst bei DOM publishers erschienen, ist ein solches Werk. Bereits nach wenigen Seiten zieht Tigran Harutyunyan einen in den Bann und man hat das Gefühl, der Autor möchte die Leser persönlich auf einen Trip durch seine Heimatstadt mitnehmen.

Lesen Sie auch: Von schwarz zu grün – Bakus Architekturkaleidoskop

Der Platz der Republik im Winter.
Der Platz der Republik im Winter. | Foto: Othmara Glas

Die Einführung des Masterplans durch den Architekten Alexander Tamanyan im Jahr 1924 gilt als Geburtsstunde des modernen Jerewans. Dem biblischen Berg Ararat zugewandt, sollte der nach ausländischen Invasionen und dem Genozid gebeutelten armenischen Nation eine identitätsstiftende Hauptstadt mit nationaler neoklassizistischer Architektur gewidmet werden. Interessanterweise konnte die Einbindung nationaler Symbole in die Stadtarchitektur auch während der späteren Jahre der Sowjetunion beibehalten werden, was die heutige Homogenität des Stadtbilds erklärt. Ein weiteres einendes Element ist die Verwendung von Tuffstein für die Fassaden, denen Jerewan den Spitznamen als „pinke Stadt“ verdankt.

Nach den euphorischen Anfangsjahren sticht für Harutyunyan besonders die „goldene Ära“ des sowjetischen Modernismus ab 1955 hervor. Hier seien viele architektonischen Meilensteine geschaffen worden und zum ersten Mal auch Mikro-Distrikte in die armenische Großstadt eingeführt worden. Unterfüttert mit vielen Archivbildern, Abbildungen von Master- und Fünfjahresplänen und kurzen O-Tönen von damals involvierten Stadtplanern ergibt sich so ein komplettes Bild der Architekturgeschichte. Herzstück des Buches sind zehn vorgeschlagene Routen durch die Stadt mit denen Harutyunyan die Leser Jerewan aus seinen Augen sehen lässt – was auch dank der herausragend guten Architekturfotografie gelingt.

Lesen Sie auch: Von Chruschtschowkas und glänzenden Einkaufszentren – das neue urbane Eurasien 

Bei den Touren zeigt sich die Liebe zum Detail des Architekten und Architekturtheoretikers, der in einem Epilog noch einmal unterstreicht, dass er in seinem 300 Seiten starken Werk bei weitem nicht alle sehenswerten Gebäude berücksichtigen konnte. Vielmehr lädt Harutyunyan Architektur- und Geschichtsliebhaber dazu ein, auch abseits seiner Routen mit wachem Blick durch Jerewans Straßen zu schlendern. Ein Vorschlag, den man nach der Lektüre nur zu gerne sofort in die Tat umsetzen würde.

Tigran Harutyunyan: Architectural Guide Yerevan, 296 Seiten, ISBN 978-3-86922-357-5. Erschienen im Januar 2018 bei DOM publishers, Berlin.

Dénes Jaeger

Teilen mit: