Der Ölpreis bringt Wirtschaftsexperten in Kasachstan nicht dazu, Freudensprünge zu machen. Wirtschaftsexperte Dr. Prof. Bodo Lochmann weiß, dass Kasachstan auf Dauer die Devisen ausgehen, wenn der Ölpreis nicht wieder steigt.

Die Wirtschaft Kasachstans hängt in starkem Maße von der Außenwirtschaft allgemein und konkret von den Rahmenbedingungen in den Zweigen ab, in denen die hiesigen Unternehmen international tätig sind. Es gibt zwar nun einige gegenläufige Entwicklungen, es dominieren jedoch aus Sicht der kasachischen Außenwirtschaft klar die problematischen Faktoren, vor allem der drastische Verfall der Weltmarktpreise für die Hauptexportprodukte, insbesondere für Öl. Noch immer liegen zwar nicht alle statistischen Daten für das Gesamtjahr 2014 vor, aber die vorhandenen Fakten von 11 Monaten 2014 zeichnen ein ziemlich düsteres Bild. Der Ölpreis auf den Weltmärkten ist in 2014 im Jahresdurchschnitt von 109 Dollar pro Barrel auf 99 Dollar gefallen, mittlerweile bekanntlich gar auf etwa 60 Dollar. Das musste sich naturgemäß deutlich auf die quantitativen Kennziffern von Export und Import auswirken. Ersterer hat sich in 2014 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 17 Prozent verringert, es wurden Waren im Werte von 78 Mrd. Dollar exportiert – um fast 7 Mrd. weniger als 2013. Das Importvolumen ging um 16 Prozent, d.h. um etwa 6,5 Mrd. Dollar zurück. Die Differenz beider Größen, also das Außenhandelssaldo, ist demnach nicht nur positiv geblieben, sondern im Vergleich zu 2013 sogar noch um etwa eine Milliarde Dollar auf etwas über 37 Mrd. Dollar gestiegen. Damit wäre zumindest aus Sicht des Dollarzustroms in 2014 kein devisenseitiger Anlass für eine Abwertung des Tenge gegeben. Allerdings sprechen die Kennziffern der ersten Monate 2015 eine deutlich andere Sprache. Den exportierenden Unternehmen fällt es bei den heutigen Ölpreisen immer schwerer, ihre Kosten zu decken, so dass strategisch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass ihnen die Nationalbank durch eine Abwertung unter die Arme greifen muss. Dadurch bekommen die Exportunternehmen mehr Tenge für einen Dollar, denn die Produktionskosten fallen ja überwiegend in Tenge an.

Ein Blick auf die Struktur des Außenhandels offenbart jedoch die teilweise seit langem bestehenden Probleme. Vor allem hat sich die Warenstruktur des Exports trotz der vielfältigen Anstrengungen zur Schaffung weltmarktfähiger Erzeugnisse des verarbeitenden Gewerbes nicht nur nicht verbessert, sondern sich sogar noch verschlechtert. Der Anteil der Rohstoffe am Export hat sich von 79,8 Prozent in 2013 auf 81,6 Prozent in 2014 erhöht. Nur 1,6 Prozent des Exports sind Maschinen und Ausrüstungen. Auf der Importseite hat sich dafür der Trend der Steigerung des Imports von Maschinen und Anlagen fortgesetzt. Ihr Anteil betrug in 2014 43,7 Prozent gegenüber 38,7 Prozent in 2013.

Der Handel von Maschinen ist einseitig – also das alte Lied. Trotzdem müssen die Innovationsanstrengungen weiter geführt werden.

Einen geradezu dramatischen Einbruch hat der gegenseitige Handel mit den Partnern der Zollunion erlebt. Dieser hat sich gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent verringert, darunter der Export Kasachstans in die beiden anderen Länder um 12 Prozent und der Import aus diesen gar um 22 Prozent. Dieser Einbruch kann nun kaum komplett mit Preisschwankungen erklärt werden. Hier dürften die grundlegenden Strukturprobleme der Wirtschaften der drei Länder ihr Wort gesprochen haben.

Auch der Ausblick auf 2015 reißt nicht zu Freudenstürmen hin, weil sich erst in diesem Jahr die vollen Auswirkungen der niedrigen Ölpreise – von denen niemand weiß, wie lange sie auf dem 60-Dollar-Niveau verharren werden – zeigen werden. Für die Finanzplanungen 2015 wurden 50 Dollar pro Barrel zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass das Exportvolumen wertmäßig drastisch geringer sein wird als in 2014. Es wird wohl bei etwa 45 Mrd. Dollar hängen bleiben, sprich sich um mehr als 40 Prozent reduzieren. Der Import wird mit 35 Mrd. Dollar eingeschätzt, der Außenhandelsüberschuss reduziert sich demnach um den Faktor 4 auf nur noch 9 Mrd. Dollar. Devisen werden also knapp und müssten demnach teurer werden, es sei denn die Nationalbank opfert einige ihrer Devisenbestände, um den Dollarkurs stabil zu halten. Gesamtwirtschaftlich vernünftig wäre das aber nur bedingt.

Bodo Lochmann

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