Die Deutsch-Kasachische Universität feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Von Anfang an dabei: Dr. Olga Moskovchenko. Sie hat die Hochschule 1999 mitgegründet und maßgeblich zu ihrer Entwicklung beigetragen. Im Februar hat sie ihren Hut als Rektorin genommen. Im Interview sprechen wir mit ihr über die Anfänge, Erfolge und Zukunftsaussichten der DKU.
Frau Moskovchenko, wie kam es zur Gründung der DKU? Welches Ziel stand damals im Vordergrund?
In den neunziger Jahren war die Qualität der Ausbildung in Kasachstan stark gesunken. Viele Professoren verließen das Land. Das Bildungssystem war in einer schwierigen Situation: Das alte System sollte neu aufgebaut werden. 1992 wurde es erlaubt, private Hochschulen zu gründen – allerdings, ohne klare Anforderungen zu formulieren. Danach schossen sie wie Pilze aus dem Boden. In unserem Gründungsjahr 1999 gab es schon an die 100 private Hochschulen.
Die DKU wurde von drei Personen geründet: der damaligen Bosch-Lektorin Ines Berger, dem damaligen DAAD-Lektor Andreas Ulrich und mir. Ich arbeitete zu dieser Zeit an der Abai-Universität als Deutschlehrerin und im DAAD-Büro. Die kasachischen Studierenden bewarben sich um DAAD-Stipendien, um nach Deutschland zu gehen. Die meisten Bewerber studierten „Deutsch als Fremdsprache“. Aus den anderen Fachrichtungen gab es zwar auch gute Bewerber, jedoch meistens ohne Deutschkenntnisse. Nun kann man aber nicht immer nur Germanisten nach Deutschland schicken.
Unsere Idee war es damals, Fachleute mit Kenntnissen in zwei Fremdsprachen [deutsch und englisch, Anm. d. Redaktion.] auszubilden. Wir wollten zeigen, dass man einerseits eine andere Qualität der Ausbildung anbieten kann und andererseits die Studierenden mit neuen Methoden unterrichtet, ihnen beibringt, kritisch zu denken und Fragen zu stellen. Wir waren altruistisch. Wir wollten einfach etwas tun, etwas Besseres anbieten. Im Februar 1999 reichten wir alle Dokumente ein, um eine Lizenz zu bekommen. Es war gar nicht so einfach, denn man bekommt nicht nur eine Lizenz für die Ausbildungstätigkeit selbst, sondern auch für jeden einzelnen Studiengang. Doch wir haben durchgehalten und konnten am 1. September 1999 mit dem Lehrbetrieb für 35 Studierende anfangen.
Welche Studiengänge gab es damals?
Wir haben uns die deutschen Unternehmen angesehen, die hier in Almaty waren, und festgestellt, dass vor allem Menschen mit Deutschkenntnissen dort arbeiteten. Die meisten waren eigentlich ausgebildete Deutschlehrer. Doch als Lehrer verdiente man schon damals nicht gut, also haben sie sich woanders umgesehen und Jobs bei deutschen Unternehmen gefunden, obwohl sie keine Fachkenntnisse hatten. In Kasachstan sind vor allem Wirtschaftsunternehmen vertreten. Und so haben wir mit den Studiengängen Internationale Beziehungen, Marketing und Finanzen angefangen. Zu der Zeit brauchte man drei Studiengänge, um sich Universität zu nennen.
Das Studium in Finanzen und Marketing haben wir genauso aufgebaut wie ein BWL-Studium in Deutschland mit Grund- und Hauptstudium. Ines Berger hatte selbst BWL studiert, und sie konnte das Curriculum so entwickeln. Wir dachten, alles sei gut – bis die erste Prüfung vom Bildungsministerium kam. Die staatlichen Standards haben nicht nur die Fächer, sondern auch deren Inhalt vorgeschrieben. Es gab keine Bewegungsfreiheit. Wir haben uns gefragt, wie wir unter diesen Rahmenbedingungen den Studenten was anderes beibringen sollen. Wir mussten uns immer wieder anpassen, sonst hätte uns die Lizenz schnell wieder entzogen werden können.
War Deutschland an der Gründung der DKU beteiligt?
Anfangs nicht.
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Wie wurde die Universität dann finanziert?
Über Studiengebühren, die 1.200 US-Dollar pro Jahr betrugen. Wir haben uns preislich an den anderen Unis in Almaty orientiert. Das war mutig, wenn man an die damalige wirtschaftliche Situation in Kasachstan denkt. Außerdem war die Enttäuschung der Leute über die privaten Hochschulen bereits groß. Wir haben viel getan, damit wir bekannt wurden und Studenten fanden. Über Professor Huber, der am Institut für Wirtschaftsforschung in der Abai-Straße gearbeitet hat, kamen wir an Räume. Dort haben wir angefangen, d.h. die erste DKU-Adresse war Abai 52.
Heute wird die DKU durch den DAAD unterstützt, wobei sich die Universität zum Großteil noch immer durch Studiengebühren finanziert. Für einen Bachelorstudiengang zahlt man 850.000 Tenge im Jahr [ca. 2.000 Euro], für einen Master 950.000 Tenge.
Wie würden Sie die Entwicklung der Universität seit ihrer Gründung beschreiben?
Nachdem wir die Räumlichkeiten gefunden hatten, waren wir optimistisch, dass sich die DKU durch die Studiengebühren selbst tragen wird. Doch dann wurden die Mietkosten so hoch, dass wir einsahen, dass wir es nicht alleine schaffen. Wir wurden am Anfang sowohl von kasachischer als auch von deutscher Seite nur beobachtet. Sie wollten sehen, was daraus wird. Die ersten Jahre waren auch für uns eine Probephase. Wir mussten schauen, wo die Reise hingeht. Die ersten Absolventen haben schnell Jobs gefunden und wir eine sehr positive Resonanz von den Arbeitgebern erhalten. Wir haben mit drei BA-Studiengängen angefangen, heute haben wir drei Fakultäten und bieten wie auch Masterabschlüsse an.
2006 war die erste DAAD-Evaluierung, und die DKU wurde für unterstützungswürdig befunden. Das war eine wichtige Entscheidung für die weitere Entwicklung. Bis dahin beschränkte sich die deutsche Förderung auf Langzeitdozenten aus Deutschland wie Dr. Bodo Lochmann oder die Boschlektoren.
2007 erfolgte dann eine strukturelle Unterstützung mit dem ersten DAAD-Projekt „Aufbau innovativer Studiengänge an der DKU“. Der DAAD hat eine Ausschreibung gemacht, und auf diese haben sich deutsche Hochschulen gemeldet, die ihre Bereitschaft erklärt haben, die DKU bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Das Hauptziel war, mit der Unterstützung durch das „Flying Faculty“-Programm Doppelabschlüsse einzuführen. Im Rahmen dieses Projekts haben wir neue Kooperationspartner gefunden, sodass wir für alle schon existierenden und neu eingeführten Studiengänge ein Doppelabschlussprogramm anbieten konnten. Das war nicht einfach, weil die kasachischen Rahmenbedingungen die Möglichkeit für Doppelabschlüsse gar nicht vorsahen. Aber wir wollten mit dieser Möglichkeit auch die Universität attraktiver machen – und diese Attraktivität ist bis heute da.
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Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der DKU war die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Deutschland und Kasachstan im Jahre 2008, das 2010 von beiden Staaten ratifiziert wurde. Seit dieser Zeit wird die DKU von der deutschen Seite politisch und finanziell unterstützt. Die DKU ist ein transnationales Bildungsprojekt, das vom DAAD gefördert wird.
Heute zeigt die DKU ihre positive Entwicklung und Anerkennung, indem sie institutionell akkreditiert ist und alle Studiengänge auch international durch ACQUIN [eine deutsche Akkreditierungsagentur] akkreditiert sind. Worauf ich neben der Akkreditierung besonders stolz bin, ist das Ranking der DKU. Wir haben es lange vermieden, daran teilzunehmen, weil man die Hochschulen eher nach quantitativen Punkten bewertet hat. 2018 hat das Bildungsministerium die Teilnahme am Ranking der Handelskammer Kasachstans jedoch zur Pflicht gemacht. Mit drei Programmen sind wir auf den ersten Platz gekommen, mit anderen auf die Plätze 2, 6 und 9.
Das heißt, alle unsere Studiengänge sind jeweils unter den Top-10, obwohl manche erst vor Kurzem ihre internationale Akkreditierung erhalten haben. Dann gab es noch ein Ranking des Arbeitsministeriums, von dem wir gar nichts wussten, und bei dem die DKU auf den zehnten Platz gekommen ist. Ein Kriterium war unter anderem das Gehaltslevel der Absolventen. Da sind wir nach der Kasachisch-Britischen Technischen Universität auf Platz 2 in Kasachstan.
Was waren damals die größten Herausforderungen und vor welchen Herausforderungen steht die Universität derzeit?
Das ist wie beim Sprachenlernen: Wir haben bei „0“ angefangen und mussten alles beschaffen: Räumlichkeiten organisieren, Personal finden, Kooperation aufbauen. Die gleichen Aufgaben haben wir auch heute noch.
Damals mussten wir Räume finden, heute hat die DKU zwei Gebäude. Eines wurde uns im Rahmen des deutsch-kasachischen Regierungsabkommens mietfrei zur Verfügung gestellt. Das zweite mieten wir in der Nasarbajew-Straße.
Wir mussten damals ein Team aus Verwaltungsangestellten, Dozenten und wissenschaftlichem Personal zusammenstellen, das von der Idee überzeugt war. Das haben wir geschafft, und dadurch stand die DKU auf einem guten Fundament und genießt derzeit einen guten Ruf. Heute haben wir 66 festangestellte Dozenten aus Kasachstan; insgesamt arbeiten
113 Menschen bei uns. Hinzu kommen 25 Honorarkräfte und etwa 50 Gastdozenten im Jahr über das „Flying Faculty“-Programm. Dieses Personal müssen wir weiterentwickeln. Die Anforderungen verändern sich ständig. Insgesamt geht es heute mehr um Entwicklung sowie Verbesserung. Im Hochschulbereich kann und darf man nicht immer damit zufrieden sein, was man erreicht hat.
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Wo sehen Sie die DKU in zehn Jahren?
Das ist für mich eine schwierige Frage. Wir haben 1999 sehr optimistisch angefangen. Aus den 35 Studierenden waren sieben Jahre später 200 geworden. Nun stagnieren wir seit einigen Jahren bei etwas mehr als 600. Wenn es in ein paar Jahren 1000 Studierende sind, wäre das schon ein Erfolg. Ich kenne die Rahmenbedingungen, und es ist nicht einfach, hier etwas umzusetzen. Doch mit politischer Unterstützung, insbesondere von deutscher Seite, und entsprechenden Ressourcen ist viel machbar. Mit der Einführung der Hochschulautonomie in Kasachstan haben die Unis das Recht bekommen, nun auch eigene Curricula zu entwickeln. Das ist sehr viel einfacher als vor zwölf Jahren. Die DKU sollte zu einer deutschen Hochschule weiterentwickelt werden, was zum Beispiel die allgemeine Lehre, Hochschuldidaktik oder Verwaltung angeht.
Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Masterprogramme geben wird, vor allem für die bereits vorhandenen Bachelorstudiengänge. Bei Letzteren könnte sich die DKU noch breiter aufstellen. Ich würde der DKU außerdem empfehlen, PhD-Programme einzuführen. Gerade der Bereich Forschung ist in Kasachstan im Moment viel gefragt.
Wir sind nicht die einzige Uni in Kasachstan, die Doppelabschlüsse anbietet, aber in unserer Ausgestaltung einzigartig. Wir investieren viel in unsere Sprachausbildung, sodass man mit einem Doppel- oder mit dem DKU-Abschluss nicht nur in deutschsprachigen, sondern auch in englischsprachigen Studiengängen im Ausland weiterstudieren kann. Wir bieten viel an, aber das Studium ist nicht einfach.
Ich wünsche der DKU-Leitung, den Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg bei der weiteren Entwicklung der DKU.
Wie geht es für Sie nun persönlich weiter?
Ich möchte weg von der alltäglichen Routine. Die Arbeit an der DKU hat mir Spaß gemacht, mich aber auch viel Kraft und Zeit gekostet. Was ich heute bin, verdanke ich auch der DKU. Aber ich bin ein Mensch, der immer etwas Neues ausprobieren will und ergebnisorientiert arbeitet.
Ich bleibe weiterhin mit der DKU verbunden, indem ich für den Studiengang Internationale Beziehungen ein Doppelabschlussprogramm entwickle. Da bin ich bereits mit der Hochschule Rhein-Waal im Gespräch. Außerdem fange ich an, mit AQCUIN zusammenzuarbeiten und sie bei der Akkreditierung hier in Kasachstan zu unterstützen. Ich habe auch viele andere Ideen, die ich aber noch nicht verraten möchte. (lacht)