Zentralasien wird zunehmend auch für die deutsche Kulturarbeit aus Moskau interessant. Das Goethe-Institut setzt dabei auf die Kompetenz und Kreativität der Leute, denen es eine Plattform verleiht
Günther Hasenkamp sitzt in einem Büro des Goethe-Instituts von Almaty und telefoniert. Ob das okay so sei und wirklich in Ordnung gehe, fragt er höflich, beinahe schüchtern in den Hörer. Dann legt er auf und macht die Telefonanlage wieder frei. Eigentlich ist Hasenkamp, Leiter der kulturellen Programmarbeit des Moskauer Goethe-Instituts, nur zu Besuch. Doch wie in Usbekistan, wo er zwei Tage zuvor gewesen ist, um die unabhängige Kunstszene in Augenschein zu nehmen, hat er auch in Almaty alle Hände voll zu tun. Auf dem Programm standen bereits Besuche im Alternativ-Theater „Art i schock” und bei einem Bühnenbildner, mit dem eine Auftragsarbeit abgesprochen werden konnte. Von den Kontakten zeigt sich Hasenkamp beeindruckt. „Die Leute aus der Theaterszene verströmen pure Dynamik und Energie.”
Zentralasien, bislang eher terra incognita im Einzugsbereich Hasenkamps, wird zunehmend auch für die deutsche Kulturarbeit aus Moskau interessant. „Mein Eindruck ist, dass hier ein Talentvorrat schlummert, der nur darauf wartet, dass wir ihm Ausdrucksmöglichkeiten geben. Darauf müssen wir aufbauen”, erzählt Hasenkamp. Nach den deutsch-russischen Kulturbegegnungen sei dafür nun auch die nötige Zeit und Kraft vorhanden.
Bei diesem wohl vom Maßstab her bislang größten Kulturaustausch, an dem das Goethe-Institut mitwirkte, lag der Veranstaltungsfokus im Jahr 2003 auf der Präsentation russischer Kultur in Deutschland – einer der Höhepunkte war die Frankfurter Buchmesse; im Jahr 2004 wurde schwerpunktmäßig deutsche Kultur in Russland präsentiert. Hauptregionen waren dabei die Millionenstädte in Sibirien und an der Wolga. Das Goethe-Institut organisierte zwei Projektdächer mit jeweils 18 und 16 Projekten, die an 40 bis 50 Spielorten ausgetragen wurden. Sowohl der „Kulturfrühling in Sibirien” als auch der „Kulturherbst an der Wolga”, in deren Rahmen deutsche Künstler und Bands auftraten wie zum Beispiel Tocotronic oder Mia, seien erfolgreich gewesen, sagt Hasenkamp.
Wenn Hasenkamp von den flächendeckenden Veranstaltungsserien erzählt, gebraucht er Worte wie „Musik- und Projektformate”, „Mobilisierungseffekte”, und unterstreicht emphatisch die Notwendigkeit, sich etwas zu trauen, Bedenken abzuschütteln und vor großen Projekten nicht zurückzuschrecken. „Meine Erfahrung ist, dass man einfach Zuversicht und Vertrauen haben sollte in die Energie, die Kompetenz, die Intelligenz und den Vorrat an Talent der Menschen, denen man eine Plattform gibt.“
In diesem Sinne konkretisiert er auch die Funktion einer kulturellen Mittlerorganisation wie des Goethe-Instituts: „Uns geht es um die Etablierung von guten, professionellen und kreativen Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass junge kreative Leute, zum Beispiel aus Kasachstan, Möglichkeiten haben, ins Ausland zu gehen und sich zu vernetzen mit anderen und Impulse zu empfangen und meinetwegen auch den Rat von Fachleuten und Spezialisten, Kuratoren und Workshopleitern.” Das sei eine „unglaublich wichtige Aufgabe, die nur über die Sprache funktioniert. Und deswegen ist es gut, dass wir in der Lage sind, einen intensiven Sprachunterricht anzubieten, Lernende mit Stipendien zu unterstützen und überhaupt die Qualität des Deutschunterrichts im ermutigenden Sinne zu fördern. Besonders an den Orten, an denen man arbeiten muss unter den Bedingungen einer geringen staatlichen Bezuschussung für unabhängige Künstler.”
Dass Kasachstan zu solchen Orten gehört, dürfte niemand ernsthaft bezweifeln. Unterstützt werden in dem Land, dass seit seiner Unabhängigkeit 1991 nach einer eigenen kulturellen Identität sucht, gemeinhin Künstler, die einem gefahrlosen Archaismus frönen. Unabhängige Projekte mit politisch-dekonstruktivem Impetus hingegen werden boykottiert. Möglicherweise auch, um hierzu einen Kontrapunkt zu setzen, plant das Goethe-Institut nun in Almaty für Ende des Sommers ein Festival des unabhängigen jungen Theaters. Ansonsten soll vom Format her die Richtung beibehalten werden, die das hiesige Goethe-Institut unter Leitung von Richard Künzel durch die Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Veit Helmer geprägt hat. Dessen mit Studenten einer hiesigen Filmkunstschule gedrehter Kurzfilm „Zwei Würstchen oder Ein Hundeleben” sei geradezu paradigmatisch für die Kulturarbeit der Zukunft, meint Hasenkamp.
Der Film erzählt mit viel Witz die Geschichte eines obdachlosen Jungen, der sich seine Nahrungsmittel zusammenklaut und dabei schließlich ertappt wird. Doch anstatt ihn anzuklagen, bekommen die Beklauten Mitleid und ziehen sich wieder zurück. „Zwei Würstchen oder Ein Hundeleben” ist eine slapstickhafte, filmisch experimentelle Parabel, die so etwas wie Grundzüge einer Menschlichkeit freizuschälen versucht, und, so Helmer selbst, eine Filmsprache verfolgt, die überall auf der Welt verstanden werden kann.
Ist es nun solch eine universale Grammatik, die die Kulturarbeit des Goethe-Instituts im Ausland verfolgt? Darauf könnte man schließen, wenn Hasenkamp von dem Kurzfilmpaket zum Thema Fußball erzählt, das in Zusammenarbeit mit dem Berlin Talent Campus entstanden ist und auf der diesjährigen Berlinale gezeigt wurde. „Shoot goals, Shoot movies”, so dessen Titel, versammelt Kurzfilmbeiträge aus aller Welt, die vom Sujet her irgend etwas mit Fußball zu tun haben. Ob es nun Kinder in Kalkutta sind, die sich im stürmischen Monsunregen eine Fußballschlammschlacht liefern, oder die Geschichte eines Jungen in Kolumbien, der während des Endspiels an die Stadiontür klopft und nicht hinein kann – stets werde das gleiche menschliche Regungsspektrum um Leidenschaft, Enttäuschung, Gewinnen und Verlieren wachgerufen, meint Hasenkamp. Um den sportlichen Aspekt allein gehe es dabei jedenfalls nicht.
Kein Wunder, dass die Kollegen des Goethe-Institus in München schon jetzt an den Veranstaltungsformaten basteln, die im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland realisiert werden sollen. Auch in Almaty sollte so ein einmaliges Ereignis gefeiert und zur kulturellen Vermittlung genutzt werden, meint Hasenkamp. „Ich würde mal vorschlagen, am Tag der WM-Eröffnung am 8. Juni 2006 eine Großleinwand in der Stadt aufzubauen.”