In den Kinder-und Jugendbüchern von Anja Tuckermann gibt es keine heile Welt. Die Schriftstellerin konfrontiert die Leser direkt mit ihren Problemen, anstatt sie hinter einer fantastischen Sprachfassade zu verstecken. Anfang November war sie in Almaty, um aus ihren Büchern vorzulesen.

/Bild: Antonie Rietzschel. ‚In der Bibliothek des Goethe-Instituts in Almaty las die Autorin aus ihren Büchern.’/

Warum schreiben Sie für Kinder und Jugendliche?

Es ist eine Herausforderung. Kinder und Jugendliche müssen schon nach den ersten Sätzen gefesselt sein, ansonsten legen sie das Buch sofort weg. Man muss besser sein als sonst.

Nach Harry Potter gab es im Bereich der Kinder-und Jugendliteratur eine wahre Flut an Fantasie-Romanen, siehe Twilight…

…eine Katastrophe.

Wieso?

Eine unglaublich biedere Welt, die da aufgebaut wird. Twilight ist so ein herber Rückschritt was Mädchen angeht. Plötzlich sehnen sie sich wieder nach einem Prinzen. In meiner Kindheit wurden diese Mädchenromane abgeschafft.

Haben Sie sich früher eigentlich mit Ihrem Sohn über seinen Literaturgeschmack gestritten?

Nicht wirklich. Er hat sich sehr lange darum bemüht, dass ich Harry Potter lese, weil er es so gut fand. Ich habe neben meinem Bett einen Bücherstapel, den ich nach und nach abarbeite. Er hat immer kontrolliert, an welcher Stelle das Buch lag und es oben drauf gelegt. Irgendwann hab ich Harry Potter auch gelesen.

Und?

Es war in Ordnung.

Statt mit einer Fantasiewelt wie in Harry Potter oder Twilight konfrontieren Sie ihre jungen Leser mit realen Problemen aus dem Alltag, schreiben über Kinder und Jugendliche, die viel alleine sind oder gemobbt werden. Warum ist es wichtig, diese Dinge zu thematisieren?

Es macht keinen Sinn, eine heile Welt vorzugaukeln, denn die gibt es nicht. Kinder und Jugendliche wissen das. Sie wissen, dass bestimmte Dinge um sie herum passieren und erleben das viel intensiver als Erwachsene. Wenn man nicht mit ihnen darüber spricht, macht sie das schwach. Es geht darum, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen. Ich nehme sie ernst indem ich sie in meinen Büchern mit ihren Problemen vorkommen lasse.

Kommen Sie selbst auch in Ihren Büchern vor?

Natürlich. In „Suche Oma“ schreibe ich ja über ein Mädchen, dass viel alleine ist, weil die Mutter tagsüber immer arbeiten muss. Sie ist in einen Jungen verliebt, hat aber niemanden, mit dem sie darüber reden kann. Da macht sie sich auf die Suche nach einer Oma. Bei mir war es genauso. Ich bin durch Berlin gelaufen und habe mir alte Frauen angeschaut. In der U-Bahn hatte ich dann eine gefunden. Mir hat allerdings der Mut gefehlt, sie anzusprechen. Beim Schreiben des Buches habe ich mir also ausgedacht, was hätte passieren können.

Das heißt, Sie leiden auch mit Ihren Charakteren mit?

Ja, wenn ich ein Buch schreibe, ist es, als ob ich alles miterlebe. Dann bin ich auch für ein paar Monate einfach weg. Wenn das Buch dann endlich fertig ist, ist es wie eine Befreiung.

Interview von Antonie Rietzschel

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