Im Moment wird allseits die Frage gestellt, wie lange denn die aktuelle Krise noch dauern werde, und was zu tun sei, schneller aus ihr herauszukommen. Antworten darauf sind naturgemäß schwierig, zum Teil auch unmöglich. Es ist wohl davon auszugehen, dass das Ganze länger dauern wird, als uns allen lieb ist. Selbst wenn die Prognosen stimmen sollten, die für 2010 einen leichten Aufschwung vorhersagen, wird der nicht ausreichen, um den Produktionsrückgang dieses Jahres auszugleichen.

Ein Blick auf frühere zyklische Produktionskrise zeigt, dass das entscheidende Instrument zur Krisenbewältigung Innovationen waren. Das wird auch dieses Mal kaum anders sein, auch wenn die aktuelle Krise sehr stark durch den Finanzsektor geprägt war und ist. Die Kunden auf den Welthauptmärkten – und das sind nach wie vor die der großen westlichen Industriestaaten – sind mit den meisten traditionellen Waren gesättigt, so dass hiervon kaum nennenswerte Wachstumsimpulse ausgehen können. Langfristig werden zwar die Märkte der aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie Brasilien, Indien, Russland und China erheblich an Bedeutung zunehmen, im Moment spielen sie aber noch nicht die entscheidende Lokomotivfunktion. China bildet da eine Ausnahme und könnte durchaus schon in der Gegenwart für die Stimulierung der Nachfrage wesentlich sein.

Die Frage ist jedoch, welche Erzeugnisse oder welche Produktgruppen der Motor für den weltwirtschaftlichen Nachfragestimulus sein könnten. In bestimmter Hinsicht ist diese Fragestellung bereits spekulativ. Die Praxis hat gezeigt, dass der größte Teil von Produktinnovationen, in die die Unternehmen viel Geld und Zeit investiert haben, von den Kunden nicht angenommen wird. Um eine wirkliche weltwirtschaftliche Belebung zu initiieren, bedarf es auch gewichtiger, also grundsätzlich neuer Dinge, die einen breiten und tiefen Nachfrageschub auslösen. Klein-klein hilft wohl eher nicht, ohne damit die differenzierte Bedeutung von Teilinnovationen unterschätzen zu wollen.

Schaut man sich im Moment in der Technik- und Innovationslandschaft um, kann man durchaus eine Grundrichtung erkennen, in die sich die Innovationstätigkeit bewegt. Man kann sie vereinfacht mit „grün“ oder „grüner Revolution“ beschreiben. Nicht nur die vielen Branchen, die energieverbrauchende Technik herstellen, darunter besonders auffällig die Autoindustrie, warten mit einem ganzen Feuerwerk  von energiesparenden und damit relativ umweltfreundlichen Lösungen auf und versuchen so, den Kunden zum Kauf zu bewegen. Auch auf dem kürzlich in London abgehaltenen G-20-Gipfel hat man die Weichen für den Übergang auf kohlenstoffarme Technologien gestellt. Das ist durchaus bemerkenswert, unterscheiden sich doch die zwanzig Großen in sehr vieler Hinsicht oft prinzipiell voneinander.
Die EU, die in dieser Hinsicht durchaus eine Vorreiterrolle spielt, hat sich vor nicht allzu langer Zeit durchaus richtig entschieden, mit der Annahme eines Energie- und Klimapaketes die Grundlagen einer „Grünen Wirtschaft“ zu schaffen. Mit der neu gewählten US-Regierung gibt es jetzt nun – endlich – auch einen mächtigen Partner, der diese Idee und Strategie teilt. Eine kohlenstoffarme, wissensbasierte Wirtschaft ist wohl auch der einzige Weg, auf die gesellschaftlichen Probleme von Gegenwart und naher Zukunft (Klimaänderung u.a.) zu antworten und die Volkswirtschaften nachhaltig zu gestalten. Dass China und Indien – die beiden großen Wirtschaftsnationen der mittelfristigen Zukunft an diesem Pakt ohne Einschränkungen teilnehmen, war durchaus nicht selbstverständlich, es ist daher aber um so erfreulicher. Ziel der Strategie ist die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Erhöhung der Energieversorgungssicherheit und der verbesserte Schutz der Umwelt. Natürlich wird es hier keine Veränderungen über Nacht geben, sondern der Wandel wird Jahrzehnte dauern.  Damit handelt es sich um eine sogenannte „lange Welle“ nach Kondratjew, also um eine Innovationswelle, die über eine lange Zeit sehr breite Innovationswirkungen entfalten wird. Die letzte lange Welle war die breite Nutzung der Computertechnik, die nach der Wirtschaftskrise von 1980- 1982 ihren Anfang nahm.
Was bedeutet diese Veränderung der Energiestrategien praktisch aller großer energieverbrauchender Länder nun für Kasachstan?  Kurzfristig sind erst einmal keine generellen Veränderungen zu erwarten. Langfristig dafür um so mehr. Es werden sich ebenso die Abnehmerstrukturen verändern, wie das Image der Kohlenwasserstoffe. Irgendwann wird das Erdöl seine Stellung nicht nur als zentraler Energieträger, sondern auch als Machtinstrument einbüßen. Die Nutzung erneuerbarer Energien wird die Welt auch friedlicher machen, da einige Energiemonopole wegfallen werden. Und: Strategisch gewinnen werden die Länder, die sich rechtzeitig – und rechtzeitig ist heute – auf den neuen Innovationstrend einstellen, sich nicht nur mittreiben lassen, sondern versuchen, ihn mitzubestimmen.

Bodo Lochmann

24/04/09

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