Im Zentrum der kirgisischen Hauptstadt Bischkek wurde am 12. April Edil Baisajow, der Leiter der Koalition für Demokratie und bürgerliche Gesellschaft, überfallen. Unser Bischkeker Korrespondent Viktor Zoi sprach mit dem Politiker.

Herr Baisajow, wie fühlen Sie sich im Moment?

Mir geht es soweit gut, ich bin froh, dass alles recht glimpflich ausgegangen ist. Ich habe wahrscheinlich großes Glück gehabt. Der Zwischenfall hätte mich das Leben kosten können, wenn es wahr ist, was die Miliz behauptet: Wenn man jemanden vom Rücken aus gegen den Kopf schlägt, dann solle das nur eines bedeuten, nämlich jemanden nicht nur einzuschüchtern, sondern zu vernichten.

Können Sie sich genau erinnern, was passiert ist?

Ich ging aus dem Büro unserer Koalition und wollte die Straße überqueren, als ich von rechts stark geschlagen wurde. Ein paar Sekunden lang war ich bewusstlos, als ich wieder zu mir gekommen war, sah ich einen jungen Mann, der rasch in die entgegengesetzte Richtung davonlief. Ich schrie dann laut: „Haltet ihn!“ Einige Passanten kamen zu mir und versuchten den Blutstrom an meinem Kopf zu stoppen. Im Moment des Überfalls habe ich ein Geräusch gehört. Augenzeugen des Zwischenfalls sagen, dass es ein Schuss war. Ich denke aber, dass der Verbrecher mich mit einem Eisenstock geschlagen hat.

Herr Baisajow, wer könnte Sie angegriffen haben?

Ich vermute hinter dem Überfall kriminelle Strukturen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Vorfall etwas mit Ryspek Achmatbajew zu tun hat. Indirekt ist am Zwischenfall die Regierung schuld. Der Überfall war wegen der Fahrlässigkeit der Regierung möglich, die die wachsende Kriminalität im Land nicht verhindern kann. Übergriffe am hellichten Tag in der Innenstadt können nur eines bedeuten – eine ausschweifende Kriminalität.

Warum verzichten Sie auf Leibwächter?

Seit vorigem Herbst habe ich keine Leibwächter mehr. Denn ich denke, es ist so: Wenn es eine Bedrohung geben sollte, dann muss die Miliz mich schützen, ich zahle doch Steuern! Wenn die Miliz die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten kann, wofür bekommen dann die Milizionäre ihr Gehalt?

Die Ursache des Überfalls könnte Ihre offene und kritische Haltung gegenüber Kriminalität sein. Dazu gehören die von Ihrer Organisation durchgeführte Demonstrationen. Haben diese aus Ihrer Sicht ihr Ziel erreicht?

Ja, wir haben endlich die Bürger erreicht und sie zur Aktivität ermuntert, die Gleichgültigkeit ein wenig bekämpft und die Politiker geweckt. Diese Demonstrationen haben die Kraft des Volkes gezeigt. Damit wollen wir zeigen, dass das Volk gegen Kriminalität und Korruption in der Regierung ist, dass die Regierung mit der Meinung der Bürger rechnen muss. Wir müssen das verlangen. Viele meiner Bekannten sind zur Zeit auf der Suche nach einem anderen Wohnort außerhalb Kirgisistans. Wozu muß man aber ein anderes Land suchen, wenn ein neuer Präsident leichter zu finden wäre?

Was sind Ihre weiteren Pläne?

Am 29. April 2006 haben wir vor, eine Versammlung vor dem Regierungspalast zu veranstalten. Die Aktion wird im Unterschied zu den Ereignissen des 24. März 2005 (Tulpenrevolution, Stürmung des Präsidentepalasts, Red.) gut vorbereitet sein. Das war, nebenbei gesagt, keine Revolution, da fehlte die Demokratie. Dieses Mal wollen wir unsere Aktion bis zum Ende führen. Dabei ist nicht die Forderung nach Rücktritt des Präsidenten gemeint. Wir wollen bloß von der Regierung die Erfüllung ihrer Pflichten fordern. Wir werden nicht schweigen, wir haben doch nicht gegen den ehemaligen Präsidenten Akajew gekämpft, um einen neuen Akajew zu bekommen!

Herr Baisajow, vielen Dank für das Interview!

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Der kirgisische Bürgerrechtler Edil Baisajow
Die Tulpenrevolution im zentralasiatischen Kirgisistan vom April 2005 zwang den damals amtierenden Präsidenten Askar Akajew zum Rücktritt. Auslöser der Aufstände waren Wahlfälschungen und die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der autokratischen Regierung. Zahlreiche Gegner des Präsidenten wurden bei den Protesten festgenommen, Regierungsgebäude gestürmt und Demonstranten sowie Polizisten verletzt. Mehrere hundert Zivilisten inhaftierte man zeitweise, unter ihnen auch der Bürgerrechtler Edil Baisajow. Die anschließenden Präsidentschaftswahlen im Juli 2005 gewann der Übergangspräsident Kurmanbek Bakijew mit großem Vorsprung.

Ein Jahr nach der Tulpenrevolution organisiert Baisajow, Vorsitzender der größten kirgisischen Bürgerrechtsorganisation „Koalition für Demokratie und Bürgergesellschaft“, erneut friedliche Demonstrationen. So versammelten sich in der Hauptstadt Bischkek 1.500 Bürger anlässlich des Revolutionsjubiläums, um gegen die anhaltenden Missstände der aktuellen politischen Entwicklung zu protestieren. Baisajow und seine Anhänger kritisieren vor allem die organisierte Kriminalität und fordern mehr Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Ordnung. Die Plünderungen, die nach dem Sturz des Regimes von Akajew stattgefunden hatten, verursachten einen Schaden von mehreren Millionen Dollar.

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21/04/06

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