Bundeskanzler Schröder will die Chancen der Stammzellenforschng besser nutzen. Sein Vorstoß stößt auf heftige Kritik
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit seinem Plädoyer für die Forschung mit embryonalen Stammzellen heftige Kritik im Land ausgelöst. Er hatte sich für die Aufhebung der gesetzlichen Beschränkungen ausgesprochen.
Schröder sagte bei der Entgegennahme eines Ehrendoktors der Universität Göttingen, solange das große medizinische Potenzial der Forschung mit adulten wie embryonalen Stammzellen nicht ausgelotet sei, gebe es die Pflicht, diese Forschung zu nutzen: „Wir müssen der Chance eine Chance geben.“
Der Kanzler sprach sich dafür aus, dass „alles, was gemacht werden muss, auch gemacht werden kann“. Schröders nicht zum ersten Mal geäußerter Standpunkt war sofort heftig umstritten. Widerspruch kam vom grünen Koalitions-Partner und aus der oppositionellen Union.
Auch der Ärzte-Verband Marburger Bund erklärte: „Die wirtschaftliche Ausbeutung menschlichen Lebens ist in Deutschland sittenwidrig und muss es auch bleiben.“
Nach jahrelangen Debatten waren vom Deutschen Bundestag im Jahr 2002 enge Grenzen für die Forschung mit embryonalen Stammzellen gesetzt worden. So dürfen Forscher im Lande selbst keine solchen Stammzellen gewinnen, können diese aber einführen, wenn sie vor 2002 erzeugt wurden.
Schröder verwies jetzt auf die rasante Entwicklung bei der Forschung. Dies wecke Erwartungen und Hoffnungen, von denen nicht mit Gewissheit gesagt werden könne, dass sie sich erfüllen. Aber es handele sich um eine Forschung, von der man sich durchaus erhoffen könne, dass sie neue Medikamente und Heilverfahren bei bislang unheilbaren Erkrankungen hervorbringen könne.
Gerade in diesem Bereich darf es nach Ansicht Schröders „keine letztlich ewigen oder endgültigen Antworten“ geben. Gesetzliche Regelungen müssten im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Entwicklungen immer wieder überprüft und bei Bedarf angepasst werden: „Wir dürfen uns in der Bio- und Gentechnik nicht vom Fortschritt in der internationalen Forschung abkoppeln.“
Wer die Forschung auch mit embryonalen Stammzellen ablehne, müsse sich fragen lassen, wie er auf möglicherweise daraus entwickelte Therapien oder Medikamente reagieren wolle.
In ersten Reaktionen auf die Rede Schröders warnten die Grünen davor, Grenzen in der Bio-Ethik „leichtfertig den Heilsversprechen der Medizin und den ökonomischen Interessen der Pharmaindustrie zu opfern“. Die Nutzung von Embryonen für Stammzellen nannte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, „forschungspolitisch verbrämten Kannibalismus“.
Von der Union wurde hervorgehoben, dass Schröder für seinen Standpunkt weder in der rot-grünen Koalition, noch im Bundestag insgesamt eine Mehrheit habe. Ethische Grundsätze würden über Bord geworfen, „um sich einen forschungsfreundlichen Anschein zu geben“.
Nur die Freidemokraten erklärten, Schröder sage „etwas Richtiges, ohne etwas Richtiges zu tun“. Die FDP tritt schon immer für eine Aufhebung jeglicher Beschränkungen ein.
Nach einer am 14. Juni veröffentlichten Umfrage für das ZDF- Magazin „Frontal“ sind 40,6 Prozent der Deutschen für eine Lockerung der gesetzlichen Beschränkungen. 28,3 Prozent sprachen sich dagegen aus, 31,3 Prozent legten sich nicht fest. (dpa)