Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat ein Staat in so kurzer Zeit so viele neue Schulden aufgenommen wie die USA seit Ausbruch der Finanzkrise. Um etwa 4.000 Milliarden Dollar sind die Verbindlichkeiten des amerikanischen Staates zwischen 2007 und 2009 angeschwollen. In diesem Jahr kommt noch einmal fast die Hälfte dieser Summe dazu. Die gesamten Staatsschulden summieren sich mittlerweile auf fast 14.000 Milliarden Dollar, und das ist bei Weitem nicht das Ende. Bisher hat die amerikanische Regierung auch keine Probleme, Käufer für ihre Staatsanleihen zu finden, denn noch ist das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Staates vorhanden. Gläubiger in großem Stile sind vor allem ausländische Einrichtungen, insbesondere    aus China und Japan. Beide Länder erwirtschaften im Handel mit den USA gewaltige Überschüsse, und die werden teilweise in US-Staatsanleihen angelegt.

 

Aus dem Schuldendilemma kommt man im Normalfall nur durch drastisches Einschränken der Staatsausgaben oder dem Erhöhen der Steuern heraus. Das ist ein politisch riskanter und sehr langwieriger Weg. Deshalb wächst mit jedem Dollar Schulden für die US-Regierung die gefährliche Verlockung, die Inflation anzuheizen. Je höher die Entwertung der Kaufkraft des Geldes, desto geringer ist die reale Last der Verbindlichkeiten. Wirtschaftspolitisch wäre ein solches Verhalten ein bewusster Tabubruch. Unter den Ökonomen dominiert seit den Zeiten der großen Inflation in Deutschland in den 1920er Jahren die Meinung, dass Inflation mehr negative als positive Seiten hat und eine Volkswirtschaft schnell destabilisieren kann.
Um so verwunderlicher ist es, dass hin und wieder nicht nur von Theoretikern, sondern auch von Verantwortlichen für eine stabile Währung die Inflation als Lösung der Verschuldungsprobleme von Staaten ins Spiel gebracht wird. Die Verlockung, diese Entschuldungsvariante zu nutzen, ist im Moment in den USA ziemlich groß. Die Schulden steigen unaufhörlich, und die Wirtschaft will nicht so richtig in Gang kommen. Außenpolitische Aktivitäten, wie der Kampf um eine Aufwertung der chinesischen Währung zur Verteuerung der chinesischen Exporte in die USA haben nichts gebracht, und auch der Versuch, andere Länder mit hohen Exportüberschüssen zu deren Begrenzung zu bewegen, hatten keinen Erfolg.
Konsequentes Sparen zur Verringerung der Staatsausgaben ist im Moment auch kaum möglich, weil dadurch die ohnehin schwache Binnennachfrage noch weiter unter Druck geraten würde. Soziale Probleme hat man durch die hohe Rekordarbeitslosigkeit sowieso schon genug. Da man sich bisher nicht traut, die Inflationsmaschine anzuwerfen, wird im Moment ein anderer Versuch der Wirtschaftsstimulierung unternommen: Durch Ausweitung der Geldmenge über ein wirtschaftlich begründetes Maß hinaus soll der Dollar geschwächt, also abgewertet werden.
Dadurch soll die preisliche Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Exportwaren verbessert werden, wenn es schon nicht gelingt, die Chinesen zur Aufwertung ihrer Währung zu bewegen oder einen spürbaren technologischen Vorsprung der Erzeugnisse zu sichern. Nicht weniger als 600 Milliarden Dollar sollen zu diesem Zweck in den nächsten Monaten zusätzlich in den Geldkreislauf gesteuert werden. Doch bereits gibt es ein großes Angebot an billigem Geld, da die Zinsen für Kredite mit zwei bis drei Prozent extrem niedrig sind. Noch mehr Geld erhöht die bereits vorhandene Gefahr einer neuen Kredit- oder Spekulationsblase.
Der Schuldenabbau per Inflation bleibt für die USA attraktiv, solange die genannten Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und Steigerung der Steuereinnahmen nicht greifen. Schließlich ist es den USA nach dem zweiten Weltkrieg schon einmal gelungen, einen großen Teil der Staatsschulden per gesteuerter Inflation loszuwerden. Doch heute ist die Situation eine andere. Viel zu groß ist die Rolle des Dollars als internationale Leitwährung, als das man noch einmal ein solches Spiel mit dem Feuer riskieren sollte. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass auch bei relativ moderaten Inflationsraten von fünf bis sechs Prozent das Risiko von unerwarteten Inflationsschüben überproportional steigt. Das entfachte Feuer kann sehr leicht außer Kontrolle raten. Schaden davon hätten bei Weitem nicht nur die USA.

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