Blaue Flecken, Rippenbruch? Egal! Die aus den USA kommende Vollkontaktsportart Roller Derby hat in den letzten vier Jahren auch in Deutschland jede Menge Fans gefunden. Mittlerweile gibt es sechs Mannschaften, die den Frauensport ausüben. Ein Besuch  beim Training der „Berlin Bombshells“.

/Bild: Antonie Rietzschel . ‚Nicht nur die Namen sollen den Gegnern Angst machen, sondern auch die Kriegsbemalung. ‚/

„Foxy Führer“ schnallt den Helm fest und stopft sich die Beißschiene zwischen die Zähne. Ein Pfiff – sie nimmt mit ihren Rollschuhen einen kurzen Anlauf und prescht los. Vor ihr rollt, tief gebeugt, „Bambule“. „Jetzt klopp` die doch mal weg!“, brüllt ein Mädchen von den Holzbänken, auf denen die Ersatzspieler sitzen. „Foxy Führer“ wirft sich mit der Schulter gegen „Bambule“, die das Gleichgewicht verliert, krachend zu Boden fällt und über den Hallenboden schlittert. Ein böser Sturz. Doch die gefällte Amazone zieht nur schnell die Kniestrümpfe zurecht, rappelt sich hoch und macht sofort Jagd auf den sich schubsenden Mädchenpulk.

Was aussieht wie Frauencatchen auf Rollschuhen, nennt sich Roller Derby. Roller Derby kommt aus den USA und ist ein Sport für harte Mädels mit ordentlich Mumm in den Knochen. Mädels wie „Foxy Führer“ alias Janina. Im Frühjahr 2008 gründete sie in Berlin mit den „Bombshells“ eine eigene Roller-Derby-Mannschaft. „Ich wollte gerne Sport machen und suchte damals nach einer Alternative zu den üblichen ‚Bauch-Beine-Po’-Kursen im Fitnessstudio“, sagt sie. Die 27-Jährige überredete ihre Freundinnen mitzumachen und verteilte Flyer, um andere Mädels von dem Sport zu begeistern. Gemeinsam suchten sie sich eine Halle, in der sie erst mal ihre Kondition auf Vordermann brachten und das richtige Hinfallen übten. Erst dann kauften sie sich Rollschuhe, auf denen die meisten das letzte Mal als Kind gestanden hatten.

Die Sau raus lassen

Nach zwei Monaten waren sie so weit zu lernen, wie man den Gegner ordentlich auf das Parkett ledert. „Am Anfang haben wir uns andauernd entschuldigt“, sagt Janina. Neben unzähligen blauen Flecken und geschwollenen Knien, brachen während des Trainings zwei Rippen und mehrere Mädels erlitten eine Gehirnerschütterung. Irgendwann entschuldigte sich niemand mehr. „Roller Derby ist einfach der perfekte Sport für uns Frauen, um mal richtig die Sau raus zulassen, anders zu sein als sonst“, sagt sie.

Dazu gehören auch die Kampfnamen der Spielerinnen. Steht sie auf Rollschuhen wird aus Janina, der Veranstaltungskauffrau ihr böses Alter Ego „Foxy Führer“, eine aufreizende Rockabily-Schnecke, die gerne ordentlich draufhaut. Schön, aber auch schön böse – das gilt auch für die anderen Damen der „Bombshells“, die sich unter anderem „Miss DeviLena“, „Kami Katze“ oder „Darkside Barbie“ nennen. Ihre Namen sollen den Gegnern Angst machen, genauso wie die Kriegsbemalung. Bei jedem Wettkampf schminken sie sich gegenseitig große Narben und blutrote Rinnsale ins Gesicht.

Beißen, Kratzen oder Beinstellen ist verboten

Die Regeln sind von Roller Derby schnell erklärt: Zunächst starten je Team vier Spielerinnen und bilden das sogenannte Pack. Hinter ihnen startet jeweils eine Jammerin, die sich durch das Pack kämpfen muss, um so Punkte zu holen. Die gegnerische Mannschaft versucht das natürlich mit vollem Körpereinsatz zu verhindern. Dabei fahren die Mädels immer im Kreis. In dessen Mitte stehen die Schiedsrichter, die ein Auge auf die rempelnden Mädchen haben. Beißen, Kratzen oder Beinstellen ist verboten.

In ihrem ersten Wettkampf traten die „Bombshells“ gegen die „Stuttgart Valley Rollergirlz“an, eine Mannschaft, die den Sport in Deutschland vor vier Jahren ins Rollen brachte. Nach zwei Stunden Rempelei und Geschupse auf Rollschuhen verloren die Berliner Mädels nur knapp. Der Siegerpreis, ein paar vergoldete Bierflaschen, ging damals nach Stuttgart. Mittlerweile gehören die Bombshells zu den zehn besten von insgesamt 38 europäischen Roller Derby-Mannschaften.

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Geschichte des Roller Derby 

Roller Derby ist ein reiner Frauensport. Die Männer sind Trainer, Schiedsrichter oder Cheerleader.

In den frühen 40er Jahren schloss sich der Sportpromoter Leo A. Seltzersich mit dem Sportjournalisten Damon Runyon zusammen. Sie wollten das bis dahin als reinen Ausdauersport existierende Roller Derby den Zuschauern in neuem Glanz präsentieren. Mit neuen Regeln, einem Punktesystem und dem Schwerpunkt auf publikumswirksamen Rempeleien und Schubsereien versuchten sie ihr Glück.

Diese spektakuläre und rasante Art des Roller Derby wurde in den darauffolgenden über 40 Jahren in den USA zum Publikumsmagneten. Teams spielten in ausverkauften Stadien vor über 50.000 Fans und wurden als Stars in Funk und Fernsehen gefeiert.

In den späten 80er Jahren hatte Roller Derby an Aufmerksamkeit verloren und wurde nur noch vereinzelt gespielt. Erst 1999 kam der Vollkontaktsport wieder zurück. Was in Texas als eine Party-Idee begann, war der Beginn eines unglaublichen Comebacks.

2004 gründete sich die Organisation „Womens´s Flat Track Derby Association“ (WFTDA), in der mittlerweile insgesamt 14.411 Rollergirls verzeichnet sind. Auch in anderen Ländern wurde die Begeisterung für diesen einzigartigen Sport wieder geweckt. Weltweit wurden neue Mannschaften und Ligen gebildet.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam Roller Derby schließlich auch nach Europa. Zunächst wurden in England die ersten Teams gegründet. Doch auch Deutschland lies nicht lange auf sich warten: Im Jahr 2006 wurde das erste deutsche Team gegründet, die „Stuttgart Valley Rollergirlz“. 2007 folgte dann die zweite Mannschaft, die „Barockcity Rollderby Girls“ aus Ludwigsburg. Ein weiteres Jahr später kamen die „Berlin Bomshells“ dazu. Weitere Mannschaften gibt es in Bremen, Hamburg, Köln und Essen. Mittlerweile gibt es sogar einen Interessenverband für die Sportart in Deutschland.

Von Antonie Rietzschel

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