Experten und Katastrophenschützer schließen Terroranschläge wie in London oder Madrid auch in anderen europäischen Großstädten in Zukunft nicht aus. Lebensbedrohliche Situationen können auch durch Naturkatastrophen entstehen. Darüber, was bei großflächigen Katastrophen zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland getan werden kann, erzählt Ursula Fuchs, Pressesprecherin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, in Bonn gegenüber DAZ.
Frau Fuchs, hier in Bonn gibt es seit Mai 2004 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Wie ist das BBK auf solche Szenarien vorbereitet, und worin besteht das Hilfeleistungspotenzial für die Betroffenen?
Wir bieten für solche Fälle verschiedene Leistungen an. So können wir durch ein gemeinsames Melde- und Lagezentrum alle Beteiligten einheitlich informieren und entsprechend reagieren, angefangen von den Sandsäcken bis hin zu speziellem Expertenwissen. Darüber hinaus sind wir als Bundesbehörde und Partner der Länder in der Lage, die Interessen der Länder zu klären und bei der Bewältigung möglicher Schäden zu helfen.
Wie ist die Behörde aufgebaut?
Am 1. Mai 2004 wurde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) errichtet. Deutschland besitzt damit eine zentrale Organisation für die zivile Sicherheit, die alle Aufgaben und Informationen an einer Stelle bündelt. Schon seit den Ereignissen des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten und verstärkt nach der Flutkatastrophe 2002 in Deutschland stand die Frage im Raum, inwieweit die rechtlichen Rahmenbedingungen des zweigeteilten deutschen Katastrophenvorsorgesystems noch den aktuellen Anforderungen entsprechen. Einerseits ein militärischer Angriff als Grundlage für die Zivilschutzaufgabe des Bundes, andererseits die Katastrophen wie beispielsweise Überschwemmungen in der Zuständigkeit der Länder. Diese Dualität ist von Seiten der Gesetzgebung noch nicht aufgehoben, aber Bund und Länder haben sich gemeinsam auf die „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ verständigt. Die Errichtung des BBK war dabei ein erster Schritt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe steht unter der Leitung des Präsidenten Christoph Unger und des Vizepräsidenten Rudolf Atzbach. Das BBK hat unter anderem Zentren, die sich beispielsweise mit Krisenmanagement, Schutz kritischer Infrastrukturen, Katastrophenmedizin oder psychosozialer Notfallversorgung fachlich auseinander setzen. Darüber hinaus gehört auch der Bereich Aus- und Weiterbildung in das Aufgabenspektrum des BBK und wird an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Ahrweiler umgesetzt.
Welche Möglichkeiten hat das BBK, die Bevölkerung zu informieren, ja zu warnen?
Der Bereich Information der Bevölkerung ist ein Teil des Zivilschutzgesetzes, den wir erfüllen müssen und wollen. Dazu haben wir verschiedene Mittel, z. B. elektronische durch unsere Internetseite, www.bbk.bund.de, oder durch das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem „deNIS“ unter www.denis.bund.de. Im Internet finden Bürgerinnen und Bürger zielgerichtete Informationen, Verhaltensregeln und Tipps zu Schutzmöglichkeiten. Auch unsere Publikationen, wie das Magazin „Bevölkerungsschutz“ oder Broschüren, wie beispielsweise „Für den Notfall vorgesorgt“, informieren die Bevölkerung. Außerdem haben wir Faltblätter, die über verschiedene Aufgabengebiete des Bundesamtes informieren. Dazu gehört außer den bereits genannten die Warnung der Bevölkerung mit dem satellitengestützten Warnsystem (SatWas). Ursprünglich entwickelt, um im Kriegsfall die Bevölkerung zu alarmieren, wird SatWas mittlerweile auch für den friedlichen Katastrophenschutz genutzt. Mittels SatWas werden Warnmeldungen und Gefahrendurchsagen an die Medien, Rundfunkanstalten, Internetportale und Presseagenturen weitergegeben.
Sollte der Ernstfall ähnlich wie die Terroranschläge von Madrid oder London auch in Deutschland eintreten, welche Aufgaben wird das BBK konkret übernehmen?
Zurzeit gibt es keinen Anlass anzunehmen, Deutschland sei der Gefahr terroristischer Anschläge ausgesetzt. Zu den grundlegenden Aufgaben des BBK gehört es, während national bedeutsamer Katastrophen zu koordinieren. Auf Bundesebene übernimmt diese Koordination das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ), welches als wesentliches Instrument im Krisenmanagement des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gilt.
Das BBK ist bereits bei anderen Katastrophen in Erscheinung getreten. Wie sind die bisherigen Erfahrungen bei der Bewältigung solcher großflächigen und manchmal sogar länderübergreifenden Ereignisse?
Die Resonanz aus den Ländern und unserer Partner in den Hilfsorganisationen ist sehr positiv. Auch aus dem Ausland erreichen uns Rückmeldungen, wie neulich aus Bulgarien, wo wir bei einer Hochwasserkatastrophe geholfen haben. Bei der Bewältigung von Waldbränden in Portugal haben wir ebenfalls mehrmals beim Einsatz von Löschhubschraubern erfolgreich mitgewirkt. Auch bei der Bewältigung der Erdbebenkatastrophe in Pakistan und Indien helfen wir mit.
Frau Fuchs, wie sehen die Zukunftspläne des BBK aus?
Wir wollen unsere fachliche Kompetenz weiter ausbauen und als Dienstleister anderen Bundes- und auch Landesbehörden zur Verfügung stellen. Unser Netzwerk mit Partnern in Behörden und Organisationen der Gefahrenabwehr wollen wir weiter vertiefen und somit insgesamt gemeinsam den Schutz der Bevölkerung in Deutschland sicherstellen.
Frau Fuchs, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
Das Interview führte unser Korrespondent Josef Bata, Bonn.
14/10/05