Er ist wohl der einzige deutsche Wissenschaftler, der in Kasachisch vortragen kann: Prof. Mark Kirchner von der Justus-Liebig-Universität Gießen plant ein Handbuch des Kasachischen und eine vergleichende Analyse der beiden russisch-türksprachigen Sprachgemeinschaften Tatarstan und Kasachstan. Zusammen mit seiner Kollegin Prof. Monika Wingender und zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen vom Gießener Zentrum Östliches Europa stellte er Anfang Juni die Forschungsprojekte in Almaty vor. „Super aktuelle Themen“, so Wissenschaftspartner Prof. Kussaiyn Russaldy von der Kasachischen Abylaj Khan Universität.
/Bild: Christine Karmann. ‚Gemeinsames Interesse an der kasachischen Sprache: Prof. Kussaiyn Russaldy, Prof. Monika Wingender und Prof. Mark Kirchner.’/
Als Slawistik-Professorin Monika Wingender ihren Studierenden von der geplanten Dienstreise nach Almaty erzählte, reckten sich ihr die Hände entgegen. Viele ihrer Studenten an der Justus-Liebig-Universität Gießen sind in Kasachstan aufgewachsen und dann mit ihren Familien nach Deutschland ausgewandert.
In Kasachstan betreibt Monika Wingender zusammen mit ihrem Kollegen, Turkologie-Professor Mark Kirchner, Networking. Die beiden Wissenschaftler planen eine vergleichende Analyse der beiden russisch-türksprachigen Sprachgemeinschaften Tatarstan und Kasachstan. Zwei Gebiete, in denen Sprache als Merkmal der ethnischen und nationalen Identität sehr stark gewichtet ist. „Das Sprachprestige muss nicht immer dem Sprachstatus entsprechen“, sagt Monika Wingender.
Um Gesetzmäßigkeiten und regionale Unterschiede zu analysieren, kooperieren die deutschen Wissenschaftler mit ihren Kollegen von Kasachischen Abylaj Khan Universität. An der Universität für Internationale Beziehungen und Weltsprachen in Almaty lernen die Studenten Deutsch als zweite Fremdsprache und studienbegleitendes Fach. Die Professoren freuen sich über das deutsche Interesse an Kasachstan.
Interdisziplinäre Studien zum Östlichen Europa
Auf der Forschungsliste steht auch die Entwicklung eines Handbuches der kasachischen Sprache. „Keine traditionelle Grammatik, sondern eine moderne Beschreibung des Kasachischen“, sagt Mark Kirchner. Der Wissenschaftler lernte die zentralasiatische Sprache einst bei Flüchtlingen aus China in Istanbul und promovierte mit einer Studie zur Phonologie des Kasachischen.
Heute arbeitet er zusammen mit Monika Wingender an dem Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo). Das regionalwissenschaftliche Forschungs- und Lehrzentrum an der Justus-Liebig Universität Gießen setzt sich zum Ziel, das östliche Europa, wozu in der regionalen Konzeption auch die Türkei sowie die türksprachigen Regionen der ehemaligen Sowjetunion gehören, zu analysieren. Seit dem Wintersemester 2007/2008 wird der Masterstudiengang „Interdisziplinäre Studien zum Östlichen Europa“ angeboten.
Kasachisch-Kurse gehören bisher nicht zum Lehrangebot. „Die Sprache wird in der westlichen Wissenschaft bisher nicht wahrgenommen und auch im Vergleich mit anderen zentralasiatischen Sprachen vernachlässigt. Die geplante strukturelle Beschreibung des Kasachischen soll die Sprache für Wissenschaftler aus der ganzen Welt zugänglich machen“, so Mark Kirchner.
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Justus-Liebig-Universität Gießen
Der Studienstandort Gießen liegt 60 Kilometer von Frankfurt entfernt und bietet den Studenten günstige Arbeitsmarktbedingungen im Ballungsgebiet Rhein-Main-Hessen. Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) wurde 1607 gegründet. Seit 1957 erinnert sie an den Chemiker und Erfinder von Düngemitteln Justus von Liebig. In über 150 Studiengängen sind rund 22.000 Studierende immatrikuliert. Die Region Zentralasien als Forschungsobjekt und Forschungspartner hat an der Universität gleichermaßen Tradition: Die Berufung des Entdeckers und Universalgelehrten Robert Schlagintweit im Jahre 1864 kann als Beginn der Zentralasienforschung an der Gießener Universität gesehen werden. Die Zentralasienforschung hat sich mittlerweile auch in andere Disziplinen ausgeweitet: Agrarökonomie, Bodenkunde, Politik, Turkologie und Geschichte gehören dazu.