Die Österreich-Bibliothek an der Abylai-Chan-Universität in Almaty feierte kürzlich ihr zehnjähriges Jubiläum. Anlässlich des Geburtstages lud das österreichische Honorarkonsulat die Schriftstellerin Kathrin Röggla zu einer Lesung ein. Die Reaktionen des Publikums auf den Roman „Wir schlafen nicht“ waren verhalten.

Der Roman „Wir schlafen nicht“ von Kathrin Röggla gibt dem Leser an Hand von Gesprächsprotokollen mit Menschen „aus den Zentralen des aufgeputschten Wirtschaftslebens“ einen Einblick in die westliche Arbeitswelt. Zu Wort kommen Unternehmensberater, Online-Redakteure oder Key-Account-Manager. Sie erzählen von ihrer Identifikation mit dem Beruf, von Konkurrenz und Pleiten. Ihre Sprache haben sie dem „Primat der Marktwirtschaft“ untergeordnet. Die Arbeit ist wie eine Droge für sie. Eine ihrer größten Sorgen ist es, einen Schritt der Konkurrenz zu verpassen, daher auch der Titel „Wir schlafen nicht“.

Gemeinsam mit Schauspieler Leopold von Verschuer las Röggla aus ihrem Roman in der Österreich-Bibliothek Almaty. Die Beschreibung der urbanen Arbeitswelt stieß beim Publikum, überwiegend Schüler und Studenten aus Almaty, teilweise auf Unverständnis. DAZ-Reporterin Natalia Soldatowa sprach mit Röggla über ihre Eindrücke in Almaty und die Reaktionen des hiesigen Publikums auf ihren Roman.

Frau Röggla, sind Sie zum ersten Mal in Kasachstan?

Ja, ich bin überhaupt zum ersten Mal in Zentralasien. Nach Georgien und in den Iran habe ich es schon geschafft, aber noch weiter östlich war ich bisher nicht.

Warum haben Sie sich entschieden, ausgerechnet nach Kasachstan zu kommen?

Das österreichische Honorarkonsulat hat mich eingeladen. Aber ich hätte natürlich auch ablehnen können. Mich aber lockt das Unbekannte. Es ist spannend, dorthin zu gehen, wo man noch nie war. Es ist interessant zu beobachten, wie Menschen miteinander umgehen.

Was haben Sie beobachtet? Wie gehen die Menschen hier in Kasachstan miteinander um?

Kasachstan ist ein sehr multikultureller Staat mit vielen unterschiedlichen Ethnien. Das Land macht einen sehr offenen Eindruck. Zum Beispiel bin ich sehr erstaunt, dass die Frauen in einer Kneipe allein sitzen und ein Bier trinken können. Das wäre im Iran unvorstellbar.

Was hat Sie in Almaty noch überrascht?

Ich habe das Gefühl, hier gibt es viel Europäisches: beispielsweise die Österreichische Bibliothek oder die deutsche Minderheit in Kasachstan. Mich hat überrascht, wie frei sich die Frauen hier auf Straßen bewegen können. So weit ich weiß, ist das Land sehr stark von Islam beeinflusst. Deswegen finde ich es toll, wie sich die Frauen hier benehmen.

Hat Sie die Reaktion des Publikums auf ihren Roman gewundert?

Das, was die Protagonisten in ihrem Roman erleben, deckt sich offenbar nicht mit der Erfahrungswelt der Schüler und Studenten im Publikum.

Grundsätzlich finde ich es erst einmal sehr interessant, mit Hilfe meines Buches die Welt zu zeigen, aus der ich komme, und dann zu hören, wie die Welt hier ist.

Viele Berufe, die in ihrem Buch vorkommen, gibt es in Kasachstan nicht, beziehungsweise kannte das Publikum diese Berufe nicht. Warum haben Sie das Buch „Wir schlafen nicht“ für die Lesung in Almaty ausgewählt?

Es geht in meinem Roman nicht um Berufsbilder, vielmehr geht es mir darum, eine grundsätzliche Haltung zur Welt zu beschreiben. Meine Protagonisten haben eine Sprache und ein Denken, das aus der Ökonomie kommt und in andere Bereiche hineinfließt. Viele Aspekte aus dem Berufsleben finden sich mittlerweile in unserem Privatleben wieder, beispielsweise der Effizienz-Gedanke. Weltweit ist eine zunehmende Einflussnahme der Wirtschaft erkennbar. Es ist wichtig, sich darüber auszutauschen, gerade auch im wirtschaftlich boomenden Kasachstan. Mein Roman bietet einen guten Anlass dazu.

Kathrin Röggla: Wir schlafen nicht, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3100660552, 208 Seiten, 18,90 EUR

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Kathrin Röggla wurde 1971 in Salzburg geboren und ist dort aufgewachsen. Im österreichischen Salzburg begann sie 1989 ihr Studium der Germanistik und Publizistik, welches sie 1992 mit ihrem Umzug nach Berlin dort fortsetzte. Sie ist bekannt geworden durch die Veröffentlichung ihrer Bücher: Niemand lacht rückwärts (1995), Abrauschen (1997), Irres Wetter (2000), really ground zero (2001), Wir schlafen nicht (2004), disaster awareness fair (2006). Neben Büchern schreibt sie Theatertexte und arbeitet für den Rundfunk.

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02/11/07

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