Es gab Zeiten, da war es falsch oder richtig, wie wir uns der Sprache bedienten. Da zeigte sich, wer in der Schule fleißig gelernt hatte und wer nicht. Heute ist es weit komplizierter.
Da entblößt man mit nur einem Satz seine ganze Weltanschauung. Folgt man den alten oder neuen Rechtschreibregeln, wie viele Anglizismen verwendet man, und fügt man überall die weibliche Form ein? Und besonders beim Gender Mainstreaming gibt es unterschiedliche Grade. Lässt man hin und wieder ein „-in“ einfließen, nennt man die männliche oder weibliche Form zuerst oder wird penetrant alles umgebildet? Man kann sich auch nicht wirklich aus der Affäre ziehen, indem man diesen Fragen ausweicht und von Fachleuten (statt Fachmännern und Fachfrauen), Lehrkräften (statt Lehrerinnen und Lehrern) und in der Passivform „es wird vermutet“ (statt „man vermutet) spricht. Hier zeigt sich der Vermeider (/die Vermeiderin), der (/die) keine klare Stellung bezieht. Es lässt sich gar nicht umgehen, dass man als konservativ, emanzenhaft oder möchtegernmodern abgestempelt wird.
Das wäre nicht weiter schlimm. Sprache ist nun mal ein Ausdrucksmittel. Aber Sprache ist auch ein Kommunikationsmittel, mit dem wir andere erreichen wollen. Treffen wir die Kommunikationsweise unserer Gesprächspartner, kommen wir viel leichter ins Geschäft und an unser Ziel.
Das hat zwei wesentliche Probleme. Zum einen wirkt Sprache subtil, sie weckt und tötet Sympathien plötzlich, aber unauffällig. Sprache ist sensibel. Ein falsches Wort, ein Tritt ins Fettnäpfchen, und die Sache ist gelaufen. Das wirkt schneller als man gucken kann. Und meist erfährt man es nie. Zum Beispiel, dass Sie zu viele Anglizismen verwendet haben. Es gibt ausgemachte Gegner von Anglizismen, die es bis zur Unerträglichkeit nervt. Während Sie munter und nichtsahnend einen lockeren Spruch nach dem anderen von den Lippen lassen, arbeitet Ihr Gegenüber gedanklich seine Argumentationskette ab, bis er mitten in seinem Antiamerikanismus gelandet ist. Diese Synapsensprünge lassen sich gar nicht aufhalten und dass Sie Ihr Fach verstehen, ist in diesem Stadium unwesentlich. Sie sind kein selbst erklärender Bush-Gegner, und damit vermasseln Sie das Geschäft.
Das zweite Problem ist, dass wir in den seltensten Fällen wissen, mit wem wir es auf der anderen Seite zu tun haben. Wenn wir zuerst am Zuge sind, laufen wir ins offene Messer. Besonders in Bewerbungsschreiben gestaltet es sich als Fifty-Fifty-Joker. Aber da geht es ja nur um Sie. Schreiben Sie eine Broschüre, setzen Sie zwangsläufig gesellschaftspolitische Zeichen. Da müssen Sie durch, seitenweise, Zeile um Zeile die weibliche Form einbauen. Früher oder später geht Ihnen die Puste aus, und Sie machen aus den Hamburgern HamburgerInnen. Nur handelte es sich dabei nicht um die Mentalität der Stadtbevölkerung einer deutschen Hafenstadt im Norden, sondern um die Ernährungsweise von Jugendlichen. Na, dann bitteschön auch DönerInnen!
Von Julia Siebert
28/04/06