Von aus der Sowjetzeit stammenden Lagerstätten für Uranabraum in Tadschikistan ausgehende Strahlung bedroht nicht nur das Grundwasser. Gefährdet sind Gesundheit und Wohlergehen der Menschen einer Region, der das Geld fehlt, ein Problem zu beseitigen, das sie nicht selbst verursacht hat.

/Bild: DAZ. ‚Die Karte zeigt, wie nahe insbesondere Tschkalowsk (unten) am Syrdarja und dem Kajrakkum-Wasser-reservoir liegt. Umso alarmierender der unzulängliche Zustand der Uranabraumlagerstätten.’/

An drei mittlerweile verlassenen Standorten – Taboschar, Tschkalowsk und Adrasman – bauten sowjetische Staatsbetriebe Uran ab und hinterließen riesige Abraumhalden in dürftig zusammengeschusterten Aufbewahrungsarealen. Nach 1991 wurden die Minen aufgegeben; vielfach waren die Vorkommen erschöpft.

Zehn Abraumlagerstätten existieren derzeit. Keine verhindert das Entweichen radioaktiver Strahlung und giftiger Stoffe in ausreichendem Maße. Tadschikische Fachleute sprechen  von einer „ernsten Gefahr für die Umwelt und menschliches Leben nicht nur in nahegelegenden Dörfern und Städten, sondern für ganz Zentralasien“.

Alarmierend ist, dass die Lagerstätten sich in der Nähe großer Wasserreservoire befinden: Eines ist das Kairakkum-Reservoir, das zweite der Fluss Syrdarja, der neben tadschikischem auch usbekisches, turkmenisches und kasachisches Territorium durchfließt.

Die in unmittelbarer Nähe der Abraumhalden gemessene Strahlung überschreitet den für Menschen gesundheitsgefährdenden Pegel um das Dreißigfache. Nicht nur radioaktive Strahlung stellt ein Problem dar – auch verschiedene giftige Chemikalien entweichen ins Grundwasser und lassen sich mittlerweise außer im Trinkwasser auch in Pflanzen und Tieren nachweisen.

Krebsrate steigt

Die Wirkungen der erhöhten radioaktiven Strahlung auf die Gesundheit der Bevölkerung sind inzwischen ersichtlich. Die Krebsrate steigt. Mediziner in Duschanbe bezeichnen die allgemeinen Gesundheitsstatistiken für die Umgebung der Uranhalden als alarmierend. Die Zahl der Totgeburten steige stetig so wie auch die der Neugeborenen mit erblichen Defekten. Etwa 85 Prozent aller Frauen und 64 Prozent aller Neugeborenen in der betroffenen Region leiden an Blutarmut.

Gleichzeitig würde der durch radioaktive Belastung und Giftstoffe geschwächte Organismus äußerst anfällig für Krankheiten wie Hepatitis-A und Tuberkulose.

Numon Chakimow, Direktor der Filiale Sogdian des Amtes für Atom- und Strahlenschutz der tadschikischen Akademie der Wissenschaften meint, Duschanbe verfüge nicht über die notwendigen Ressourcen, die Uranabraumlagerstätten zu sichern.

Einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma sieht Chakimow in der Aufbereitung des Abraums mit Hinblick auf tadschikische Pläne zur friedlichen Nutzung von Kernenergie. Diese Vision sieht sich allerdings mit ernüchternden Fakten konfrontiert. Nukleare Aufbereitung hat es in Tadschikistan seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gegeben, und Fachleute mit dem nötigen Spezialwissen sind nicht mehr vorhanden. Die Bevölkerungszahl der Region hat sich seit 1991 halbiert. Dem steht ein gewaltiger Berg von 450 Millionen Tonnen radioaktiven Materials gegenüber.

Die Aussichten auf Besserung sind schlecht: „Die Eliten haben das Gebiet für immer verlassen, weil sie wissen, dass die Uranvorkommen praktisch erschöpft sind, und dass früher oder später alle Fabriken und Firmen, die irgendetwas mit Uran zu tun haben, ihre Arbeit einstellen werden”, meint Chakimow.

Ambitionierte Pläne

Tadschikistan werde eine Uranindustrie aufbauen, erklärte demgegenüber Präsident Emomali Rachmon am 25. April in seiner jährlichen Ansprache an das Parlament und die Regierung. Das Staatsoberhaupt beauftragte die zuständigen Behörden, ein staatliches Konzept für die Erschließung von Uranvorkommen zu erarbeiten. Rachmon zufolge verfügt Tadschikistan über etwa 14 Prozent der weltweiten Uranvorkommen. Diese wertvollen Ressourcen sollten dem Wohl der Wirtschaft dienen, so der Präsident.

Wieviel Uran es in Tadschkistan gibt, weiß niemand. Manche meinen, dass die Vorräte bis zu 40 Prozent der weltweiten Vorkommen ausmachen. Mitte des 20. Jahrhunderts fanden sowjetische Geologen Uranerze in Nord-, Zentral- und Ost-Tadschikistan. Bis 1991 wurde im Norden des Landes Uranerz gefördert. Mit der Förderung und Verarbeitung war das Kombinat „Wostokredmet“ befasst. Die erste sowjetische Atombombe wurde unter Verwendung tadschikischen Urans aus Tschkalowsk gebaut.

(Ferghana.ru / DW / NTI / DAZ)

03/07/09

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