Zehn Jahre ist der Euro jetzt schon – oder erst – alt. Allen Skeptikern zum Trotz hat sich die Einheitswährung eines Teiles der EU-Mitgliedsländer (16 von 27 EU-Staaten gehören derzeit der Eurozone an) bewährt. Die Geschichte der Entstehung des Euro und auch seine aktuellen inneren Probleme bieten eine gute analytische Grundlage für das Durchleuchten vieler Vorschläge, die im Moment hinsichtlich der Einführung einheitlicher Währungen mit regionaler oder gar weltweiter Gültigkeit gemacht werden.
Dem Außenstehenden mag es scheinen, dass es bei der Schaffung einheitlicher Währungsgebiete nur um das Drucken und Verbreiten neuer Geldscheine geht: Was sollte daran problematisch sein? Wenn es nur um das Drucken neuen Geldes ginge, hätte die Menschheit wohl schon längst nur noch eine Währung und wäre damit eine ganze Reihe von Problemen los. Doch so wie eine Ehe aus zwei extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten kaum reibungslos funktionieren kann, muss auch bei Währungen eine mehr oder weniger einheitlich entwickelte wirtschaftliche und finanzielle Basis existieren, oder das ganze Projekt ist auf Dauer nicht lebensfähig.
Der Euro ist nicht die erste gemeinsame Währung in der Wirtschaftsgeschichte. Währungsunionen gab es, sie waren selten, und alle sind irgendwann gescheitert. Dabei haben schon so große Leute wie Napoleon oder Victor Hugo europäische Einheitswährungen befürwortet. Europa werde durch eine Währung geeint oder gar nicht – sagte einst ein Wirtschaftsberater von Charles de Gaulle. Der Mann hat Recht behalten, nach zehn Jahren zumindest ist die Bilanz des Euro positiv. Die Europäische Zentralbank, die die früheren nationalen Notenbanken ersetzte, hat erreicht, was ihr viele nicht zugetraut haben: die Inflation bei zwei Prozent niedrig zu halten, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zu erringen und so dem Euro weltweit Geltung zu verschaffen. Schwierigkeiten gab es mehr als genug. Diese begannen mit der manchmal übereilten Aufnahme einiger finanzpolitisch noch nicht ausreichend stabiler Staaten, wofür einige Aufnahmekriterien etwas aufgeweicht wurden, gingen über das Fehlen von Sanktionsmechanismen für den Fall des Nichteinhaltens der Aufnahmekriterien nach der vollzogenen Aufnahme und endeten bei der psychologischen Schlacht der Anfangsjahre um den „Euro als Teuro“. Der Erfolg niedriger Inflationsraten war relativ leicht zu erreichen. Schließlich blieb die Inflation in den vergangenen Jahren infolge der Globalisierung weltweit im Rahmen. Billige Importwaren, zum Beispiel aus China, ersetzten in vielen Ländern die teurere heimische Produktion, so dass die Preise fast automatisch sanken. Zeitweilig wurde gar von einer drohenden Deflation, also der Verringerung des durchschnittlichen Preisniveaus geredet, die eine besondere Gefahr für die Wirtschaft bedeutet hätte. Deflation ist aber ebenso ausgeblieben, wie höhere Inflation. Also alles in Butter mit dem Euro? So einfach ist das auch wieder nicht.
Der große Vorteil des Euro (wie auch jeder anderen Gemeinschaftswährung) ist, dass er das Wechselkursrisiko zwischen den teilnehmenden Staaten beseitigt. Die Wechselkursveränderungen beeinflussen wesentlich die Rentabilität von Investitionen und Produktion, ohne dass am Produkt oder an den Technologien für ihre Herstellung etwas geändert worden wäre. Oft genug haben Wechselkursveränderungen exportorientierte Produktion nach dem Umtausch der Exporterlöse in die heimische Währung so unrentabel gemacht, dass die Produktion eingestellt werden musste. Vor der Einführung des Euro konnten aber andererseits mit Abwertungen der nationalen Währungen noch preisliche Wettbewerbsvorteile für die Exportprodukte erzielt, und so konnte die Produktion wettbewerbsfähig gemacht oder gehalten werden. Diese Möglichkeit entfällt nun für die Euro-Länder. Etwa 60 Prozent ihres Außenhandels realisieren sie untereinander, also in Euro und damit ohne Wechselkursschwankungen.
Doch die eigentliche Bewährungsprobe steht dem Euro noch bevor. Dem ersten Sonnenscheinjahrzehnt folgt nun eine Periode trüben Wetters, allgemein bekannt als „Krise“. Viele Mitglieder der Eurozone haben es in der Sonnenscheinperiode versäumt, wirklich tiefgehende Strukturreformen umzusetzen. In vielen Bereichen sind die Kosten zu hoch und das technische Niveau der Erzeugnisse nicht den Bedürfnissen der Kunden angepasst. Das bekommen im Moment insbesondere Griechenland und Spanien, aber auch die deutsche Automobilindustrie zu spüren. Mit anderen Worten, die technische Wettbewerbsfähigkeit vieler Erzeugnisse ist nicht hoch genug. Um das zu verändern, muss mehr getan werden als „nur“ Geldprozesse neu zu organisieren. Der Euro schützt also nicht nur vor Währungsspekulation und Währungsschwankungen, er offenbart auch schonungslos wirtschaftspolitische Fehler und Versäumnisse seiner Mitglieder. Das sollten sich alle diejenigen genauer anschauen, die bei erwünschten Gemeinschaftswährungen nur deren einseitige Vorteile sehen.
Strategisch überwiegen diese auf jeden Fall, operativ können jedoch die Nachteile von Gemeinschaftswährungen heftige Probleme verursachen.
Bodo Lochmann
10/04/09