Im Rahmen des Staatsbesuchs von Kasachstans Präsident rücken Deutschland und Kasachstan noch enger zusammen. Doch auch die Gespräche mit den Staatschefs der anderen zentralasiatischen Länder bringen konkrete Ergebnisse.
Für die deutsch-kasachischen Beziehungen war es der zweite große Höhepunkt in diesem Jahr: Am vergangenen Donnerstag reiste Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew im Rahmen eines Staatsbesuchs nach Berlin, um sich dort unter anderem mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Steinmeier zu treffen. Außerdem standen die Teilnahme an diversen multilateralen Formaten und Gespräche mit der deutschen Unternehmerschaft auf dem Terminplan.
Zunächst wurde der Gast aus Zentralasien vom deutschen Bundeskanzler empfangen, mit dem es einen Austausch über aktuelle Fragen der deutsch-kasachischen Kooperation ging. Nach ihren Verhandlungen traten Scholz und Tokajew gemeinsam vor die Presse und gaben eine Erklärung ab. Dabei betonten sie den strategischen und partnerschaftlichen Charakter der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern und rückten insbesondere die bisherigen Errungenschaften in den Bereichen Handel und Investitionen in den Vordergrund.
„Kasachstan ist für Deutschland der mit Abstand wichtigste Handelspartner in Zentralasien, und wir haben verabredet, gemeinsam die Bedingungen für mehr Handel und Investitionen zu verbessern“, sagte etwa Kanzler Scholz, und nannte in diesem Zusammenhang Rechtssicherheit als Kernvoraussetzung. „Das ist ganz wichtig, weil das auch für Unternehmen und ihre ökonomische Entwicklung von Bedeutung ist.“
Tokajew trifft zahlreiche Unternehmensvertreter
Tokajew für seinen Teil nannte Deutschland den wichtigsten Partner Kasachstans in Europa, lobte „eine positive Dynamik des bilateralen Handels“ und stellte weitere gemeinsame Maßnahmen in Aussicht, um den gegenseitigen Export und Import von Waren zu fördern. Auch die Durchführung gemeinsamer Projekte in vielversprechenden Bereichen wie Öl und Gas, Chemie, Metallurgie, Verkehr und Logistik sei erörtert worden.
In dem Kontext hob Kasachstans Präsident auch seine Treffen mit Vertretern führender deutscher Unternehmen hervor, denen zum Teil am Vorabend der Gespräche mit Scholz die Unterzeichnung von Handelsabkommen vorausging. „Diese Dokumente sind geeignet, der weiteren Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Staaten einen wichtigen Impuls zu geben und die Umsetzung neuer Projekte in den Bereichen Industrie, Technologie und Lokalisierung der Produktion in Kasachstan zu fördern“, so Tokajew auf der Pressekonferenz mit Scholz.
Mit der Siemens AG etwa will Kasachstan seine Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Energie, Maschinenbau und Digitalisierung vertiefen. Mit Linde unterzeichnete der staatliche kasachische Ölkonzern KazMunayGas eine Absichtserklärung über die Umsetzung bestehender und zukünftiger petrochemischer Projekte in Kasachstan. Außerdem hat das Unternehmen Interesse bekundet, als Co-Investor an einem Projekt zur Produktion Harnstoff mit einer Kapazität von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr aufzutreten. In Zusammenarbeit mit dem DAX-Konzern Bayer hofft Kasachstan auf Zugang zu neuen Medizinprodukten sowie auf die Eröffnung von Laboren und die Umsetzung gemeinsamer Forschungsprojekte.
Mittlerer Korridor soll schneller ausgebaut werden
Kanzler Scholz ging in seiner Erklärung auf das für Deutschland wichtige Thema alternativer Transportrouten ein. „Kasachstan ist für uns ein wichtiger Partner, um unsere Lieferwege zu verbreitern, beispielsweise beim Import von Rohöl, und um uns unabhängig zu machen von russischen Energielieferungen“, so Scholz. Auch mit Blick auf seltene Erden sei Kasachstan für Deutschland von Bedeutung. „Wir sind uns einig: Die dafür nötigen Transportwege müssen schneller ausgebaut werden. Im Vordergrund steht dabei der Ausbau des sogenannten Mittleren Korridors.“
Darüber hinaus nannte er den Klimawandel und die Bewältigung von dessen Folgen als eine der wichtigsten Prioritäten deutsch-kasachischer Zusammenarbeit. „Die Länder Zentralasiens zählen zu den Hotspots des Klimawandels, die Auswirkungen werden dort künftig noch deutlicher spürbar sein“, sagte Scholz. „Deutschland unterstützt deshalb die Region, um sie widerstandsfähiger zu machen.“ Dabei nannte er die bereits vor vier Jahren gestartete Initiative „Green Central Asia“ als wichtiges Beispiel für Kooperation in dem Bereich.
Kasachstan sei ebenfalls interessiert an einem Transfer deutscher Spitzentechnologien und wissenschaftlicher Errungenschaften bei der Entwicklung erneuerbarer Energien, insbesondere von grünem Wasserstoff, sagte Tokajew. „Wir sind zur Zusammenarbeit bereit, indem wir die Möglichkeiten des deutschen Büros für Wasserstoffdiplomatie nutzen, das im März dieses Jahres in Astana eröffnet wurde.“ Vor allem aber sagte er Deutschland weitere Unterstützung bei der Versorgung mit fossilen Energieträgern zu.
Tokajew lädt Scholz nach Kasachstan ein
Weitere Themen, die Tokajew adressierte, waren die deutsch-kasachische Zusammenarbeit im kulturellen und humanitären Bereich sowie die Gründung neuer gemeinsamer Bildungseinrichtungen – namentlich des Instituts für nachhaltige Ingenieurswissenschaften in Aktau –, und die Frage der Liberalisierung von Visabedingungen für Kasachstaner. Scholz wiederum sprach explizit die Rolle Kasachstans in Bezug auf Sanktionen gegen Russland an und dankte dem Land für seine Unterstützung, Sanktionsumgehungen zu verhindern, sowie für aktive Gegenmaßnahmen.
Tokajew sprach am Ende seiner Erklärung eine Einladung an Kanzler Scholz aus, zu einem offiziellen Besuch nach Kasachstan zu kommen. „Wir hoffen auf eine weitere positive Dynamik in der Zusammenarbeit unserer Länder“, schloss das kasachische Staatsoberhaupt.
Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs traf Tokajew auf Bundespräsident Steinmeier, der im Juni seinerseits Kasachstan besucht hatte. Thematisiert wurden die im Rahmen dieses Besuchs getroffenen Vereinbarung, darunter in Hinblick auf die Entwicklung des Mittleren Korridors und die Zusammenarbeit in der Energiepolitik. Zudem hinterließ Präsident Tokajew in der Residenz Bellevue eine Notiz im Buch der Ehrengäste.
Weiter fand im Zuge von Tokajews Staatsbesuch das neue internationale Forum „Berlin Global Dialogue“ statt, das Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik zusammenbringen soll, um „gemeinsame Lösungen für eine Weltwirtschaft im Wandel zu finden“. Kasachstans Präsident präsentierte dort vor den anderen Staats- und Regierungschefs seine Vision der Rolle Kasachstans in globalen Wirtschaftsprozessen.
Deutschland will engere Zusammenarbeit im Bereich Migration
Viel Beachtung fanden zudem die Treffen der zentralasiatischen Länder und Deutschlands im „C5+1“-Format. Hier gab es – im Anschluss an die Gespräche von Bundeskanzler Scholz mit den vier Präsidenten Kasachstans, Kirgisistans, Tadschikistans und Usbekistans sowie mit Gurbanguly Berdimuhamedow, der Turkmenistan als Vorsitzender des Volksrates vertrat –, eine gemeinsame Erklärung.
Darin bekannten sich die Teilnehmer unter anderem zu friedlicher Konfliktbeilegung und Anstrengung zur Krisenbewältigung – was vor allem mit Blick auf die latent angespannte Situation im kirgisisch-tadschikischen Grenzgebiet gerichtet sein dürfte. Weiter bekräftigten sie ihr Bekenntnis zum Einsatz für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen im Rahmen der Agenda 2030. Auch gelobten die zentralasiatischen Länder einen engen Austausch mit der EU zum Zwecke der Verhinderung von Sanktionsumgehungen. Angekündigt wurden zudem weitere Bemühungen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Demokratie, Geschlechtergleichheit, sowie ein Ausbau des „Mittleren Korridors“.
Mit Usbekistan und Kirgisistan schloss Deutschland Absichtserklärungen über die Steuerung von Migrationsströmen. Demnach solle die Zusammenarbeit im Bereich der regulären Migration, aber auch der Rücknahme vertieft werden. Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sollten zudem mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen und schnellere sowie effizientere Verfahren eingeführt werden.