Für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen hat die Türkei nach Auffassung der EU-Kommission alle Bedingungen erfüllt, auch wenn Ankara bislang Zypern die Anerkennung verweigert. 

Für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen hat die Türkei nach Auffassung der EU-Kommission alle Bedingungen erfüllt, auch wenn Ankara bislang Zypern die Anerkennung verweigert.

Für die EU-Kommission in Brüssel hat Ankara alle rechtlichen Bedingungen für die Aufnahme der Gespräche am 3. Oktober erfüllt.  „Eine rechtliche Verpflichtung für die Türkei, mehr zu tun als das, was sie bereits getan hat, gibt es nicht,“ sagte die Sprecherin der Behörde in Brüssel. Die Türkei werde die Beitrittsverhandlungen mit den Vertretern aller 25 EU-Staaten führen. Politisch wichtig sei, dass für das Zypern-Problem dennoch schnell eine Lösung gefunden werde, sagte die Kommissionssprecherin.

Zypern ist seit einer türkischen Militärintervention 1974 geteilt. Der Nordteil ist türkisch besetzt. 40.000 türkische Soldaten sind dort stationiert. Der Inselteil wird jedoch international nur von der Türkei als eigener Staat anerkannt. Der griechisch-zyprische Südteil der Insel wurde dagegen zum 1. Mai 2004 EU-Mitglied. Frankreich fordert von der Türkei mit Blick auf die anstehenden Beitrittsverhandlungen weitere Zugeständnisse im Streit um die Anerkennung Zyperns. Staatspräsident Jacques Chirac sagte am 29. August in Paris, die Türkei müsse ihre Position in dieser Frage klarstellen und den 25 EU-Staaten versichern, all ihre Verpflichtungen einzugehen. Ende Juli hatte die Türkei, wie von der EU verlangt, die bestehende Zollunion auf die zehn neuen Mitgliedstaaten und damit auch auf Zypern erweitert. In einer Zusatzerklärung stellte die Regierung in Ankara aber klar, dass dies keine Anerkennung Zyperns sei. Zypern will diese Zusatzerklärung nicht akzeptieren. Die EU-Außenminister wollen bei einem informellen Treffen am 1. und 2. September in Newport in Wales darüber beraten, wie sie mit der Zusatzerklärung umgehen. Die amtierende britische EU-Ratspräsidentschaft will indes alles tun, damit der Termin zur Aufnahme der Gespräche eingehalten werden kann.

Der neue bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischew hat eine Kraftanstrengung für den angestrebten EU-Beitritt seines Landes zum 1. Januar 2007 angekündigt. „Wir sind uns vollkommen bewusst, dass Bulgarien sich auf einige Bereiche konzentrieren muss, in denen wir im Rückstand sind“, sagte Stanischew am 29. August nach einem Gespräch mit dem EU-Kommissionspräsidenten in Brüssel. Barroso unterstrich, die bulgarische Bevölkerung müsse verstehen, dass die Zeit davonzulaufen drohe. Bei entsprechenden Anstrengungen der Regierung in Sofia könnten die Schwierigkeiten jedoch überwunden werden.

Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei geraten auch immer stärker in den Vordergrund des bundesdeutschen Wahlkampfes. Nach dem neuerlichen Unionsvorstoß gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei sprach sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) demonstrativ für den planmäßigen Beginn der Verhandlungen aus. „Die Türkei hat die uns gegebenen Versprechen gehalten, jetzt müssen auch wir Wort halten“, so Schröder. CSU-Chef Edmund Stoiber sagte am 28. August in der „Bild am Sonntag“ (BamS) dagegen mit Blick auf die Wahl, es gebe eine klare Alternative: „EU-Beitritt der Türkei mit Rot-Grün oder privilegierte Partnerschaft mit der Union.“ CDU-Chefin Angela Merkel und Stoiber hatten in einem Brief an die konservativen Regierungschefs in der EU erneut für ihr Modell einer „privilegierten Partnerschaft“ der Türkei mit der EU geworben.

Stoiber sagte der BamS: „Wenn Angela Merkel Kanzlerin wird, dann haben wir andere Möglichkeiten, den Verhandlungsrahmen auf EU-Ebene zu beeinflussen.“ Er sei überzeugt, dass die Union es schaffen könne, dafür eine Mehrheit in der EU zu bekommen. „Denn auch in den anderen Ländern wächst die Zustimmung zu unserem Modell.“ Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte dem Nachrichtenmagazin „Focus“, er wolle „die Angst der Menschen vor einer schrankenlosen Erweiterung thematisieren“. Unions-Außenexperte Friedbert Pflüger (CDU) lehnte eine Emotionalisierung ab: „Wir wollen keine antitürkische Stimmung schüren.“ In Ankara reagierte man gelassen auf die kontroverse Diskussion, die allerdings nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich geführt wird. Der türkische Außenminister Abdullah Gül zeigte sich überzeugt, dass die Verhandlungen über einen EU-Beitritt seines Landes am 3. Oktober beginnen. Die Staats- und Regierungschefs der EU seien „weitsichtig“ genug, um sich nicht von „innenpolitischen oder konjunkturellen Problemen“ leiten zu lassen, sagte Gül laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu. (apf, dpa)

02/09/05

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