Wie nehmen wir Umweltprobleme als Gesellschaft wahr, wie kann ich als Journalist auf Umweltprobleme aufmerksam machen? Wie komme ich an valide Informationen und wie erreichen meine Recherchen ein breites Publikum? Über diese Fragen diskutierten Studenten der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty sowie interessierte Journalisten aus ganz Zentralasien und Russland am Montag im Rahmen des Seminars „Ökologische Rechte des Menschen in den Medien: Erfahrungen in der EU und Russland“ unter Leitung der Umweltjournalistin Angelina Davydova.

Bereits im ersten Teil der Veranstaltung betonte die studierte Diplom-Wirtschaftswissenschaftlerin: Viele der Umweltschäden, die wir als Menschen verursachen, ignorieren wir schlichtweg, denn sie finden in unserer Definition von gesamtgesellschaftlicher ökonomischer Wohlfahrt keine Berücksichtigung. Dennoch holen sie uns häufig auf unangenehme Weise wieder ein oder beeinträchtigen die Lebensqualität unserer Mitmenschen. So würden wir beispielsweise beim Bau eines Wohnkomplexes den neu geschaffenen Wohnraum als Wohlfahrtsgewinn deklarieren.

Den Schaden für unsere Gesundheit, der durch den Verlust von Grünfläche entsteht – in erster Linie von Bäumen, welche CO² umwandeln – ließen wir bei der Beurteilung solcher Baumaßnahmen häufig außen vor. Dies gehe gar so weit, dass wir ein Problem lösen und dafür ein neues schaffen. Einerseits verbessere man die Gesundheit der Menschen durch neue Hygieneartikel, andererseits nehme die Umweltverschmutzung durch den gestiegenen Plastikverbrauch zu. All diese Aspekte rechtfertigten im Endeffekt eine Neudefinition des Bruttoinlandsprodukts hin zu einem „Wohlergehens-Maß“, bei welchem der Nutzen einer intakten Umwelt mit den finanziellen Werten gestiegener ökonomischer Aktivität gleichgestellt wird.

Davydova stieg damit in eine Debatte ein, die aufgrund des fortschreitenden Klimawandels im gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland, aber auch unter den Ökonomen selbst, immer stärker an Bedeutung gewinnt. Insbesondere von Vertretern der Zivilgesellschaft werden die Ansätze der klassischen Wirtschaftswissenschaft zunehmend in Frage stellt.

Kooperation und Ausgleich unerlässlich zur Lösung von Umweltproblemen

Dennoch ist umweltschädliches Handeln trotz der gesamtgesellschaftlich negativen Folgen für den Einzelnen häufig vorteilhaft. Daher seien zur Durchsetzung des erstmals im Sommer dieses Jahres durch die UN-Generalversammlung verbrieften Menschenrechtes auf saubere Umwelt Ausgleichsmaßnahmen sowie enge Kooperation unter den Betroffenen notwendig.

Diesbezüglich machte ein Teilnehmer der Veranstaltung auf das Vorhaben zum Bau eines Skiresorts in einem Naturschutzgebiet nahe Almaty aufmerksam, welches vor einigen Jahren Schlagzeilen machte. Schlussendlich konnte das Projekt, trotz starker ökonomischer Lobby, insbesondere durch das Engagement zivilgesellschaftlicher sowie medialer Akteure und mithilfe von Gerichtsverfahren verhindert werden. Ein Teilnehmer der Veranstaltung aus Afghanistan machte deutlich, dass das Problem der Wasserknappheit in Zentralasien aufgrund des grenzüberschreitenden Verlaufes von Flüssen zu regelmäßigen Spannungen zwischen den Ländern in der Region führt. Streitigkeiten über die Bezugsrechte von Wasser könnten häufig nur durch Abkommen zwischen den betroffenen Staaten beigelegt werden. Davydova betonte diesbezüglich die Tatsache, dass viele Länder bei Konflikten, die ganze Regionen betreffen, häufig nur ihre Eigeninteressen berücksichtigen. Deshalb sei es häufig schwierig, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, weshalb zunächst Abkommen auf bilateraler Ebenen angestrebt werden sollten, um später darauf aufzubauen.

Die Rolle der sozialen Medien

Im zweiten Teil der Veranstaltung erarbeiteten die Teilnehmer in Kleingruppen Ansätze zur Lösung eines ökologischen Problems ihrer Wahl. Dies geschah in erster Linie vor dem Hintergrund, Möglichkeiten zu erörtern, wie Journalisten auf Missstände im Bereich der Ökologie aufmerksam machen können. Hierbei wurde deutlich, dass insbesondere die sozialen Medien dazu in der Lage sind, ein großes Publikum zu erreichen.

Angelina Davydova hat als Umweltjournalistin in bekannten russischen Zeitungen wie Kommersant und The St. Petersburg Times publiziert. Seit 2006 organisierte sie in ihrer Funktion als Projektleiterin für Umwelt- und Klimaprojekte beim Deutsch-Russischen Austausch Seminare für Journalisten. Seit 2008 nimmt sie als Beobachterin an den UN-Verhandlungen zum Klimaschutz teil. Davydova hatte Russland Anfang März dieses Jahres verlassen und arbeitet aktuell unter anderem für das Osteuropa-Recherche-Netzwerk n-ost in Berlin.

Vincent Ade

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