Vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Ukraine wirbt der Westen verstärkt um Kooperation mit den zentralasiatischen Ländern, die auch enge Beziehungen mit Moskau unterhalten. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken stattete diese Woche Kasachstan einen Besuch ab und traf dabei Präsident Tokajew sowie seine Amtskollegen aus den fünf Ländern der Region.
Hoher Besuch in Astana: Am Dienstag besuchte der amerikanische Außenminister Antony Blinken zum ersten Mal in seiner Amtszeit Kasachstan. Die Visite war Teil einer ganzen Reihe diplomatischer Termine Blinkens, für den es nach seinem Besuch in Astana noch weiter nach Taschkent und schließlich zum G20-Außenministertreffen am Mittwoch in Neu-Delhi ging. In Kasachstan besprach sich Blinken mit den Außenministern der zentralasiatischen Staaten im Rahmen des C5+1-Formates.
Das Treffen fand vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Ukraine statt, mit welchem auch die geopolitische Bedeutung Zentralasiens stärker in den Fokus der Vereinigten Staaten gerückt ist. Kasachstan nimmt seit Beginn der militärischen Auseinandersetzung eine ambivalente Haltung zu Russland ein. Es unterstützt die Ukraine zwar mit humanitären Gütern und nimmt eine vorsichtig kritische Position gegenüber Moskau ein. Die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Abhängigkeit von Russland bleibt jedoch weiterhin hoch, offene Konfrontation mit Moskau wird vermieden.
Das zeigt sich unter anderem bei Abstimmungen in der UN-Vollversammlung, wo sich Kasachstan – wie die anderen Länder der Region – bei Abstimmungen zu Russland und der Ukraine stets neutral verhält und der Stimme enthält. So zuletzt vergangene Woche, als die Vollversammlung zum ersten Jahrestag des Einmarschs mit den Stimmen von 141 Staaten eine Resolution verabschiedete, welche den Rückzug Russlands von ukrainischem Gebiet forderte.
Zentralasien stärker als je im US-Fokus
Der Besuch Blinkens sollte nun darauf hinwirken, die Zusammenarbeit der Region mit den Vereinigten Staaten zu stärken – und somit den Ländern auch Möglichkeiten aufzeigen, sich in Zukunft unabhängiger von Russland zu positionieren. Genaueres dazu gaben Funktionäre des US-Außenministeriums in einem vorab abgehaltenen Pressebriefing bekannt. So sei konkret die Stärkung der multilateralen Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit den Ländern Zentralasiens Thema des Treffens – vor allem mit Blick auf die Wahrung der Souveränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit der jungen Republiken der Region.
Das Treffen in der Runde der fünf zentralasiatischen Außenminister mit den Vereinigten Staaten in Astana bilde das „Herzstück“ von Blinkens Auslandsreise, wie der US-Staatssekretär für Süd- und Zentralasien, Donald Lu, gegenüber der Presse betonte. Laut dem Beamten habe kein US-Außenminister zuvor so viel Wert auf die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Dialogforums gelegt wie Blinken.
Ausnahmen für Kasachstan bei Sanktionen
Laut Staatssekretär Lu wollten die Vereinigten Staaten mit den zentralasiatischen Ländern einen Weg finden, um das Sanktionsregime gegen Russland aufrecht zu erhalten, ohne dabei die Wirtschaft der Region übermäßig zu belasten. Er verdeutlichte das am Beispiel Kasachstans, dem die Vereinigten Staaten Ausnahmen von Sanktionen eingeräumt hätten, damit kasachische Öl-Produzenten weiter Öl über russische Pipelines exportieren könnten.
Dies sei als deutliches Signal an die Welt zu sehen, dass es völlig in Ordnung sei, kasachisches Öl zu kaufen – auch wenn es aus russischen Pipelines kommt. Lu bezieht sich hierbei auf das Caspian Pipeline Consortium (CPC). An der gemeinsamen Öl-Exportinfrastruktur Kasachstans und Russlands ist außer dem russischen Staatsunternehmen „Transneft“ sowie der kasachischen Regierung auch der US-Konzern Chevron beteiligt.
Des Weiteren wurde bereits vorab bekanntgegeben, dass die USA ein Förderpaket in Höhe von 41,5 Millionen US-Dollar aufgelegt hätten, welches unter anderem die Volkswirtschaften Zentralasiens stärken und zum Aufbau alternativer Exportrouten ermutigen soll.
Tokajew: Beziehungen werden sich weiter festigen
US-Außenamtschef Blinken wurde dann am Dienstag zunächst von Kasachstans Präsident Tokajew empfangen. Bei dem Treffen hieß der Staatschef zunächst seinen Gast willkommen und lobte anschließend die Fortschritte beim Aufbau einer verlässlichen, strategischen Kooperation mit den Vereinigten Staaten. „Gerade in den letzten Jahren haben wir in dieser Richtung neue wichtige Erfolge erzielt“, so Tokajew. „Wir haben eine starke Beziehung, und sie wird nur noch stärker werden. Wir fühlen uns diesem Kurs verpflichtet.“
Blinken für seinen Teil unterstrich ebenfalls den Wunsch der Vereinigten Staaten nach engerer Zusammenarbeit mit der Region. „Die Beziehung [zu Kasachstan] ist stark, und sie wird nur noch stärker werden. Dem sehen wir uns verpflichtet“, so der US-Außenminister bei seinem Empfang in Astana.
Tleuberdi: Kasachstan hält an multivektoraler Außenpolitik fest
Beim Treffen der Außenminister im C5+1-Format kam Kasachstans Außenminister Kuchtar Tleuberdi mit seinen zentralasiatischen Amtskollegen ebenso zusammen wie mit dem Chef des State Department. Auf dem Treffen betonte Tleuberdi einmal mehr, dass Kasachstan an seiner multivektoralen Außenpolitik festhalte. Zentralasien und die Vereinigten Staaten seien dabei zwei der „grundlegenden Prioritäten.“
„Die C5+1 bieten eine hervorragende Plattform für den Zugang zu Investitionen sowie Spitzentechnologie aus den Vereinigten Staaten, um den Klimawandel anzugehen, Wasserressourcen zu verwalten, technische Fähigkeiten zu vermitteln und Englisch zu lernen, damit unsere Jugend im 21. Jahrhundert wettbewerbsfähiger wird“, so Tleuberdi weiter. Er wies in dem Kontext darauf hin, dass die Vereinigten Staaten mit über 60 Milliarden US-Dollar Direktinvestitionen nach den Niederlanden der größte Investor für Kasachstan seien. Der bilaterale Handel sei zuletzt um 37 Prozent gestiegen und habe 3,05 Milliarden US-Dollar erreicht.
Blinken betonte bei seinem Treffen mit Tleuberdi die feste Unterstützung seines Landes für die politischen und wirtschaftlichen Reformen von Präsident Tokajew und bekräftigte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Bereich der demokratischen Entwicklung, der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Ausweitung der Rolle der Bürger Gesellschaft.