Das lange Zeit eher abgeschottete Usbekistan hat sich mit dem Amtsantritt von Präsident Schawkat Mirsijojew im Dezember 2016 gegenüber der Welt geöffnet und ein ambitioniertes Reformprogramm eingeleitet. Da viele der Reformen aber noch relativ am Anfang stehen, gibt es immer noch viel zu tun. Der aktuelle Bericht „Usbekistan in Zahlen 2022 – Wirtschaftliche und soziale Indikatoren“, welcher jährlich von der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien herausgegeben wird, liefert einen Überblick zum aktuellen Stand der Veränderungen im Land.

Usbekistans Einbindung in die Weltwirtschaft nimmt schrittweise zu. Darüber hinaus wird das Land als Produktionsstandort für ausländische Investoren immer interessanter. Das lässt sich vor allem daran erkennen, dass sowohl die Ein- als auch die Ausfuhr von Waren von und in das zentralasiatische Land im Laufe der vergangenen Jahre deutlich zunahmen. Die jährlichen Bruttoanlageinvestitionen, welche die Veränderung des Wertes an von ausländischen Investoren erworbenen Maschinen und Anlagen zum Einsatz in der Produktion messen, haben seit 2017 stark zugenommen und befinden sich seither auf konstant hohem Niveau.

Negative Außenhandelsbilanz

Insbesondere die Modernisierungswelle in der verarbeitenden Industrie hat im Laufe der letzten Jahre viel ausländisches Kapital angezogen. Gut 50 Prozent der ausländischen Investitionen fließen heute in die Bereiche verarbeitende Industrie sowie Förderung von Energie und mineralischen Rohstoffen. Zu den vier Hauptgeberländern zählen der Reihe nach China, Russland, die Türkei und Deutschland. Im Hinblick auf die deutschen Importe im Jahr 2021 befindet sich Usbekistan an 124. Stelle von 239 Staaten. In Bezug auf die deutschen Exporte im Jahr 2021 rangiert das Land auf Platz 81.

Aufgrund der gestiegenen Einfuhr von technologischen Erzeugnissen wie Maschinen und Ausrüstungen ist die Außenhandelsbilanz des Landes allerdings ins Negative gerutscht. Gold sowie Textilwaren bleiben weiterhin die dominierenden Exportgüter, wohingegen die Regierung jedoch insbesondere eine schrittweise Erhöhung des Exports von Industrieprodukten anstrebt. Der Außenhandel mit Deutschland ist gemessen am Warenwert durch einen enormen Exportüberschuss zugunsten der Bundesrepublik gekennzeichnet.

Stabile Wachstumszahlen in nahezu allen Branchen

Die jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts lag in den vergangenen Jahren, bis auf den pandemiebedingen Rückgang im Jahr 2020, stabil in Bereich um die fünf Prozent. Die Zusammensetzung des BIP nach sektoraler Entstehung hat sich im Zehnjahreszeitraum von 2010 bis 2020 jedoch nur unerheblich verändert. Allerdings konnte die Industrieproduktion ihren relativen Anteil am landesweiten BIP signifikant vergrößern sowie durch starke absolute Wachstumszahlen auftrumpfen. Rund ein Drittel des landesweiten BIP wird in der Hauptstadt Taschkent sowie der zugehörigen Provinz erwirtschaftet. Das bevölkerungsreiche Fergana-Tal kommt für weitere 20 Prozent des landesweiten BIP auf.

Einkommens- und Lohnniveau in Usbekistan weiterhin sehr niedrig

Das nominale BIP pro Kopf konnte seit dem Jahr 2017 um mehr als ein Drittel zulegen und befindet sich 2022 bei umgerechnet durchschnittlich knapp 2.000 US-Dollar im Jahr. Diesbezüglich ist jedoch ein starkes regionales Gefälle zu beobachten. So ist das BIP pro Kopf in der Region Nawoi mit rund 5.400 US-Dollar am höchsten, wohingegen es in der Region Surchandarja mit gut 1.000 US-Dollar den landesweit niedrigsten Wert aufweist. Aber auch in der Landeshauptstadt Taschkent sind die nominalen Bruttoeinkommen mehr als doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Es gilt zu berücksichtigen, dass das Einkommensniveau in Usbekistan im internationalen Vergleich und selbst im postsowjetischen Raum – z. B. angesichts eines nominalen Einkommensniveaus von rund 10.000 US-Dollar pro Jahr im benachbarten Kasachstan – als relativ niedrig einzuordnen ist.

Weiterhin viel Reformbedarf im institutionellen und politischen Bereich

In dem von der Weltbank 2020 herausgegebenem „Index of Doing Business“ belegt Usbekistan Platz 69 von 190. Damit wird das zentralasiatische Land in Punkto Geschäftsfreundlichkeit deutlich schlechter eingeschätzt als Kasachstan, das in dieser Kategorie einen starken 25. Rang belegt. Im diesjährigen Economic Freedom Index sortiert sich Usbekistan auf dem 117. Rang aus 177 Ländern ein. Damit liegt es ebenfalls wieder deutlich hinter Kasachstan. Im „Rule of Law 2021“, einem Index zur Bestimmung der Rechtstaatlichkeit, ist Usbekistan mit Platz 85 von 128 deutlich in der zweiten Hälfte des Feldes zu finden. Verhältnismäßig schlecht schneiden Usbekistan sowie alle anderen Zentralasien Staaten im Bereich der Korruptionswahrnehmung ab. Entsprechend dem diesbezüglichen Index von Transparency International aus dem Jahr 2021 belegt Usbekistan den 144. Rang aus 178 Ländern. Die beiden Nachbarstaaten Kirgisistan und Tadschikistan werden diesbezüglich nur insignifikant besser bzw. minimal schlechter eingeschätzt.

Vincent Ade

Teilen mit: