Die von der Immobilienkrise in den USA auf die Weltfinanzmärkte ausgegangenen und wahrscheinlich noch einige Zeit ausgehenden Turbulenzen scheinen auch Kasachstan nicht ganz verschonen zu wollen.
Auf den ersten Blick ist allerdings Kasachstan nicht nur geografisch, sondern auch in finanzieller Hinsicht weit von den USA entfernt. Schließlich ist das Land noch nicht so intensiv mit den Weltfinanzmärkten verknüpft, wie das für eigentlich alle entwickelten Staaten zutrifft. Der Tenge erfüllt noch keine internationalen Funktionen, die Mehrzahl der Banken arbeitet auf dem doch überschaubaren, wenn sich auch ziemlich stürmisch, manchmal auch chaotisch entwickelnden, Kreditbinnenmarkt.
Doch der Schein trügt. Schliesslich hängt das Wohl und Wehe des Landes in einem sehr hohen Maße vom ausländischen Gelde ab, vor allem vom Dollar. Der Staat ist fast nicht mehr im Ausland verschuldet und auch seine Gesamtverschuldung ist sehr gering. Deutschland hat da mit seinen Staatsschulden Probleme in einer ganz anderen, problematischeren Dimension.
Als Resultat der hohen Weltmarktpreise für die Hauptexportartikel strömt nach Kasachstan eine ziemlich große und mitterweile auch schwer steuerbarer Menge von Dollars. Man mag nun denken, dass dies gut sei, denn Geld stinkt bekanntlich nicht, und es ist wohl auch besser, davon etwas mehr zu haben als zu wenig. Im Inland jedoch muss – wie in jedem anderen Land auch – mit der nationalen Währung bezahlt werden. Die Dollars werden also von den Exporteuren massenhaft in Tenge getauscht, was entsprechend auf den Wechselkurs einwirkt. Dieser hat sich bekanntlich in den letzten Jahren in Richtung Aufwertung der Tenge zum Dollar bewegt (zum Euro in Richtung Abwertung). Damit werden die Exporte in Tenge teurer und somit weniger attraktiv. Doch der Haupteffekt ist, dass Importwaren in Tenge billiger werden und sich so der Preisdruck auf die heimischen Produzenten erhöht. Der durchschnittliche Verbraucher aber ist keinesfalls ein Patriot seines Landes, auch wenn hierzulande oft versucht wird, dies zu suggerieren. Der Verbraucher kauft also die Waren, die er sich leisten kann und die seinen persönlichen Ansprüchen entsprechen, jedoch in der Regel nicht nach nationalen Kriterien. Doch das ist im Moment nicht die entscheidende Gefahr, sondern die hohe Verschuldung der kasachischen Banken im Ausland. Der Staat hat zwar keine Auslandsschulden, wohl aber die Unternehmen, darunter insbesondere der Bankensektor. Der Mechanismus ist relativ einfach und völlig legal: Um die stürmische Kreditnachfrage im Lande zu befriedigen, platzieren die Banken ihre Schuldverschreibungen (Anleihen) im Ausland. Sie bekommen so für relativ niedrige Zinsen frisches Geld und können dieses hierzulande an ihre Kunden verleihen. Das passiert meiner Beobachtung nach zunehmend lockerer, d.h. bei weitem nicht alle Kreditanträge werden ausreichend gründlich und kritsch geprüft. Nicht zuletzt deshalb beträgt der Anteil sogenannter „fauler“ Kredite, also von Krediten, deren Rückzahlung an die Bank ungewiss ist, 45 Prozent. Das ist enorm viel, und schon aus diesem Grunde kann man das hiesige Bankensystem nur sehr bedingt loben.
Mittlerweile sind die Außenschulden Kasachstans fast so hoch, wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das kasachische Bankensystem ist für etwa die Hälfte dieser Außenschuld verantwortlich, oder mit anderen Worten, sehr stark von ausländischen Finanzquellen abhängig. Hier könnte es in nächster Zeit notwendig sein, das Rating dieser Banken zu verringern, was bedeutet, dass die Zinsen für das Beschaffen neuer ausländischer Kredite steigen müssen. Ein sinkendes Rating aber bringt zugleich immer auch ein erhöhtes Misstrauen in das Bankensystem, seine Managementkompetenzen und ähnliche Merkmale mit. Sehr schnell kann so das im Moment gegebene, noch labile Vertrauen in den Bankensektor Kasachstans umschlagen und Ausländer zum massiven Abzug ihrer Geldanlagen bewegen. Anleihen können ja von ihren Besitzern fast immer auch vor Fälligkeit wieder verkauft werden. Ein erstes Warnzeichen hat es wohl schon gegeben: Anfang August ist die KazPrime, eine Kennziffer für die Zinsen auf den kasachischen Geldmärkten, innerhalb nur weniger Stunden von etwa fünf Prozent auf über acht Prozent gestiegen. In der Vergangenheit war ein solches Ansteigen immer auch ein Zeichen für versteckte Probleme im Geld- und Bankensektor. Der Zins steigt, weil die Nachfrage nach Geld (also nationaler Währung) steigt. Es ist im Moment sicher falsch, von einer Flucht aus dem Dollar zu sprechen, aber die Möglichkeit besteht durchaus. Dann würde sich sehr schnell das Szenario der letzten Jahre wandeln: aus einer Aufwertungstendenz der Tenge zum Dollar würde eine Abwertungstendenz mit einer ganzen Reihe neuer Probleme, die unter anderem steigende Zinsen und höhere Inflation heißen würden. Das würde das Wirtschaftswachstum bremsen und nach einiger Zeit auch verschiedene Stabilitätsprobleme auslösen.
Was kommen wird, weiß man nicht. Es sollte jedoch Vorsorge getroffen werden und die kann nur in Richtung Verschärfung des Kreditvergabeverhaltens gehen.
Bodo Lochmann
24/08/07