Im Hörsaal der Kasachischen nationalen medizinischen Asfendijarow-Universität steht an diesem Morgen der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Jörn Rosenberg, am Podium. Er ist nicht gekommen, um eine Vorlesung zu halten, sondern um das Symposium des deutsch-kasachischen Netzwerkes zur Diagnostik von gefährlichen Infektionskrankheiten zu eröffnen.
Das Projekt läuft im Rahmen des deutschen Biosicherheitsprogramms, das 2013 vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, ein deutsches Partnerschaftsprogramm für biologische Sicherheit und Gesundheitssicherstellung umzusetzen, und dadurch biologische Risiken zu verringern. Zu den Schwerpunktländern zählen Marokko, Tunesien und Sudan. Weiter engagiert sich das Projekt in Georgien sowie in den zentralasiatischen Ländern Kirgisistan, Usbekistan sowie Kasachstan.
Kooperation und Austausch
Zu den wichtigen Aspekten der deutsch– kasachischen Zusammenarbeit zählt Rosenberg unter anderen die Ausbildung kasachischer Ärzte auf internationalem Stand sowie den Austausch von Doktoranden, wodurch die Kooperation gestärkt werde. Durch das Partnerschaftsprogramm könne gemeinsames Wissen genutzt werden, um das Gesundheitssystem auszubauen und zu verbessern. „Auch wenn das Programm (Anm.d.Red.: deutsche Biosicherheitsprogramm) schon mehrere Jahre läuft, so ist es hochaktuell in unserer globalisierten Welt“, erklärt Rosenberg. Bei allen Vorteilen der Forschung dürfe man die Gefahr des Missbrauchs oder die unbeabsichtigte Verbreitung von Gefahrenstoffen nicht unterschätzen.
Dr. Aizhan Yesmagambetova, Vertreterin des Komitees für Verbraucherschutz sowie des Ministeriums für Wirtschaft der Republik Kasachstan, betont, dass jeder Dritter weltweit an einer Infektion sterbe und daher Prävention von großer Wichtigkeit sei. Das beweise der Ausbruch der Erkrankungen Ebola und Zika-Fieber. Infektionen verbreiten sich in der globalen Welt schnell, das verlange besondere Arbeit und Zuwendung. Es sei eine Aufgabe, die internationale Zusammenarbeit benötigt, bekräftigt Yesmagambetova. „Daher ist es wichtig, dass wir heute alle hier sind als Vorbild für die Durchführung des gemeinsamen deutsch-kasachischen Netzwerkes zur Diagnostik von gefährlichen Infektionskrankheiten.“
Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München ist einer der Projektpartner, das sich im Rahmen des Partnerschaftsprogramms zur Biosicherheit seit 2013 in Kasachstan engagiert. Seither reist Dr. Sandra Essbauer, Projektleiterin, mit ihrem Kollegen Dr. Stefan Frey regelmäßig nach Almaty, um den Kontakt mit kasachischen Mikrobiologen und Ärzten zu suchen. Weiter sind auch das Robert-Koch-Institut, das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Teil des deutschen Sicherheitsprogrammes.
Kleine Tierchen – große Gefahr?
Einen großen Meilenstein in Kasachstan habe die Forschung an kleinen Tierchen gesetzt. Zecken geraten bezüglich Infektionskrankheiten zunehmend in den Fokus. Wer hatte noch nicht solch ein ungewolltes Mitbringsel an Armen oder Füßen nach einem Spaziergang. Vor allem zwischen März und Juni, wenn die Temperaturen steigen und die Landschaft blüht, sei das Risiko hoch, von den Parasiten gebissen zu werden und sich mit Krankheiten wie Hirnhautentzündung oder Krim-Kongo-Fieber anzustecken.
Weit verbreitet und vielfältig
Laut Dr. Zhanna Shapieyeva seien Zecken in Kasachstan weit verbreitet und vielfältig in ihrer Spezies. Sie kämen in allen Vegetationen des Landes vor, von der Steppe, den Wäldern bis hin zur Wüste. Anhand von Fotos stellt Shapieyeva die wichtigen Zeckenarten vor und erklärt, wie Forscher durch Sammeln und Laborarbeit die Tiere überwachen. Solch ein Monitoring sei vonnöten, da viele Zeckenarten und deren Ausbreitungsgebiete noch nicht ausreichend erfasst seien.
Umso wichtiger erscheinen die Forschungsarbeiten von den Doktoranden, Karlygash Abdiyeva und Nurkeldy Turebekov. Sie untersuchen, welche Erreger in den Zecken aus den Oblasten Almaty und Kyzylorda vorkommen. Laut Abdiyeva gebe es bis zu 50 Fällen von Zeckenenzephalitis pro Jahr in Kasachstan, daher sucht sie gezielt nach diesem Erreger. Bisher habe sie keine Tiere mit Zeckenenzephalitis in Kyzylorda gefunden, dafür aber in Almaty. Ihr Kollege Turebekov erforscht die Verbreitung von Rickettsiosen. Das sind Erkrankungen, die in schweren Fällen zu ausgeprägten Hautschädigungen führen können. Turebekov fand Erreger vor allem in den Gebieten Yenbekshikazakh sowie Syrdaraya. Eine hohe Ansteckungsgefahr für Borreliose sei in Tekeli.
Abdiyeva und Turebekov skizzieren ebenfalls die Übertragungskette der Erreger von Tieren auf Menschen, wobei klar wird, dass nicht nur Zeckenstiche die Krankheiten übertragen, sondern auch Vögel oder das Trinken von roher Milch.
Neues Level der Diagnostik
Grund für Panik sei aber nicht gegeben, versichern die Doktoranden. Man solle vorsichtig sein und sich gegen Zeckenbisse schützen. Auf die Frage, warum sie sich für diese kleinen Tierchen interessieren, antwortet Abdiyeva, dass es ein neues Gebiet sei und mit ihren Forschungsergebnissen könne sie das Gesundheitssystem verbessern. Es werde ein neues Level der Diagnostik von Bakterien und Viren erreicht. Turebekov lobt die moderne Technologie, die man für die Forschung erhalten habe. „Ich möchte meinen kasachischen Kollegen helfen und mit ihnen das Wissen über die gefährlichen Infektionskrankheiten teilen, das wir in diesem Projekt erworben haben.“