Am 25. September wurde der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis an Tamara Tschikunowa und ihre Organisation „Mütter gegen die Todesstrafe und Folter“ aus Usbekistan verliehen. Seit der Hinrichtung ihres unschuldigen Sohnes kämpft Tamara gegen die Abschaffung der Todesstrafe in Usbekistan, dem einzigen GUS-Land, wo diese noch angewandt wird.

Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis wird seit 1995 alle zwei Jahre verliehen. Den mit 15.000 Euro dotierten Preis bekommen Persönlichkeiten, die sich „vorbildlich oder unter erheblichen persönlichen Risiken für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen.“ Die Begründung der Jury für die diesjährige Preisträgerin lautet: „Tamara Tschikunowa setzt sich mit bewundernswertem Mut und unter hohem persönlichen Risiko für die Achtung der Menschenrechte in Usbekistan ein. Auch Drohungen und Schikanen der Behörden haben sie nicht darin beirren können, dieses Engagement konsequent fortzusetzen. Die Entscheidung der Jury ist gleichzeitig als Appell an die Regierung der Republik Usbekistan zu verstehen, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Menschenrechte zu respektieren.

Die 57-jährige Tamara Tschikunowa musste selbst miterleben, wie die usbekische Justiz mit Gefangenen und ihren Verwandten umgeht. Als ihr Sohn Dmitri Chikunow 1999 verhaftet und beschuldigt wurde, zwei Menschen umgebracht zu haben, versuchte Tamara alles, um die Unschuld ihres einzigen Kindes zu beweisen. Dennoch wurde Dmitri mit 28 Jahren unschuldig zum Tode verurteilt.

Das Schicksal wurde noch grausamer. Das Hinrichtungsdatum von Dmitri wurde nicht bekannt gegeben. Als Tamara am 10. Juli 2000 ihren Sohn bei einem von den Behörden bestätigten Termin besuchen wollte, wurde sie abgewiesen. Sie fand später heraus, dass Dmitri an diesem Tag heimlich hingerichtet wurde. Nach der Hinrichtung wurde Tamara weder der Leichnam ihres Sohnes übergeben noch mitgeteilt, wo sich sein Grab befindet. Denn laut usbekischem Gesetz können die Leichname von Hingerichteten nicht zur Beerdigung freigegeben werden. Die persönlichen Sachen von Dmitri wurden der Mutter ebenfalls nicht übergeben.

Die grausame Behandlung der Gefangenen und ihrer Verwandten scheint bei usbekischen Behörden der Normalfall zu sein. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beklagen seit Jahren die Zustände in usbekischen Gefängnissen. Die Inhaftierten werden unter physischer und psychischer Folter zu Geständnissen gezwungen. Die zum Tode Verurteilten dürfen sich nicht von ihren Verwandten verabschieden, ihnen wird noch nicht mal am Vollstreckungstag mitgeteilt, dass sie hingerichtet werden.

Es gibt in Usbekistan mehrere NGOs, die gegen die Willkür der Behörden in den Gefängnissen kämpfen. Eine davon, „Mütter gegen Todesstrafe und Folter“, gründete Tamara Tschikunowa kurz nach dem Tod ihres Sohnes im Jahre 2000. Die Organisation besteht hauptsächlich aus Angehörigen der Inhaftierten, die gefoltert oder hingerichtet wurden. „In den Todeszellen des Taschkenter Gefängnisses kennt mich jeder, durch Mund-zu-Mund-Propaganda.“, sagt Tamara zu ihrer Arbeit. Sie leitet die Organisation, die sich allein durch Spenden finanziert. Die Ziele der „Mütter“ sind einerseits die Abschaffung der Todesstrafe und Folter in Usbekistan, andererseits die Aufklärung und Information der usbekischen Öffentlichkeit. Sie leisten den Gefangenen juristischen Beistand, informieren die internationalen Organisationen über die Missstände. Sie führen Schulungen und Seminare durch, um die usbekischen Bürger über ihre Menschenrechte aufzuklären.

Außerdem erstellen sie Statistiken über die Todesurteile, die Vollstreckungen und die Folterfälle. Laut Tamara Tschikunowa sind die offiziellen Daten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, sie werden „gehütet wie ein Staatsgeheimnis“. Im Jahr 2004 bezifferte der Präsident Islam Karimow die Zahl der Hingerichteten auf 50 bis 60 pro Jahr. Die Menschenrechtsorganisationen glauben, dass die tatsächliche Zahl viel höher liegt. Aber ihr Hauptziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, haben die „Mütter“ im August 2005, wie es scheint, endlich erreicht. Der usbekische Präsident verkündete, zum Januar 2008 die Todesstrafe abzuschaffen.

Tamara Tschikunowa und andere Mitglieder ihrer Organisation werden bedroht und von den Behörden schikaniert. Sie versuchen seit Jahren vergeblich, eine offizielle Anerkennung durch die usbekischen Behörden zu erreichen. Tamara sagt zu den Schikanen der usbekischen Behörden: „Mein Name steht ganz oben auf der schwarzen Liste. Dort sind Personen aufgeführt, die beseitigt werden sollen, weil sie als persönliche Feinde des Präsidenten Islam Karimow betrachtet werden. Diese Liste wurde voriges Jahr sogar auf einer Internetseite veröffentlicht, um uns Angst einzujagen. Ich bin international zu bekannt, als dass man mich wirklich liquidieren könnte.“

07/10/05

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