(von Ramtanu Maitra)
Vom Irak über Afghanistan bis nach Zentralasien finden westliche Militärs nun heraus, dass es eine Sache ist, eine lokale Atmee zu trainieren, eine ganz andere jedoch, sich ihre Loyalität zu sichern. Das amerikanische und britische Miltär hat seine Trainingsprogramme in Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisien, Turkmenistan, Georgien, der Ukraine und Aserbaidschan eingestellt, nachdem mehr als 800 Truppen dieser Länder desertiert sind. Viele dieser Truppen schlossen sich militanten Gruppen wie Al Quaida und tschetschenischen Rebellen an. Laut Geheimdienstberichten in den Medien flüchteten die Deserteure samt ihren Waffen, darunter 16 Maschinengewehre, raketenbetriebene Granaten, Kommunikationsausrüstung und Nachtsichtgeräte. Einem Report des afghanischen Verteidigungsministeriums zufolge sind seit der Gründung der afghanischen Nationalarmee (ANA) Mitte 2002 bereits mehr als ein Viertel der Soldaten desertiert – in Zahlen etwa zwei- bis dreitausend Mann. Die afghanische Nationalarmee steht unter der Aufsicht der US-Armee. Unterstützt wird diese dabei von Großbritannien, Neuseeland, Frankreich und Deutschland. Technische Unterstützung erhält die ANA, die der neuen Regierung Schutz bieten soll, von Bulgarien, Rumänien, Kanada, Südkorea und der Mongolei. Im Irak versuchen Amerikaner und Engländer, eine irakische Armee aufzubauen, doch ist dies ein schwieriges Unterfangen. Etwa 500.000 Iraker haben sich für die Armee oder andere Sicherheitsdienste gemeldet, aber mehr als die Hälfte wurden entweder als untrainierbar entlassen oder sind bereits desertiert. Die Loyalität derjenigen, die bleiben, wird trotzdem in Frage gestellt. Viele Berichte sprechen von einer Infiltration von Armee und Polizei durch Verräter.
Wechselnde Allianzen
„Die Desertationen im Irak und in Afghanistan beunruhigen die USA in zweierlei Hinsicht. Zum einen stehen alliierte Truppen in einer Linie mit unloyalen Kräften. Zum anderen desertieren einige der Soldaten nicht nur, sondern schließen sich mit ihren neu erworbenen Fähigkeiten dem Widerstand an. Letzten Herbst gab es zum ersten Mal Meldungen, dass afghanische Rebellen hochentwickelte SAM-Raketen aus Russland und China kaufen. Der Bericht zitiert einen namenlosen Rebellen: Der Hauptteil der Waffen ist aus Kurdistan im Irak, von dort werden sie durch den Iran nach Afghanistan geschmuggelt. Eine SAM-Rakete kostet etwa 2500 Dollar pro Stück. Der Hauptmarkt für diese Waffen ist Afghanistan.“ In seinem Artikel vom 27. September „Das neue Gesicht der Taliban“ schreibt der pakistanische Journalist Hamid Mir, dass die Taliban Waffen von lokalen Warlords und von pakistanischen Stämmen kaufen. Während sich das US-Militär ausschwieg über die Existenz der SAM-Raketen in den Händen der Rebellen, stürzte am 25. September ein weiterer US-Hubschrauber über Südafghanistan ab, alle fünf Insassen starben. Das Pentagon sagte, es gebe keine Indizien für feindlichen Beschuss. Es ist nicht schwierig zu verstehen, warum das Pentagon besorgt ist über das, was sich als bittere Wahrheit herausstellen könnte. Helikopter sind die effektivsten Gefährten im mondähnlichen afghanischen Terrain. Wenn diese Hubschrauber abgeschossen werden, sind das wirklich schlechte Neuigkeiten. Es ist weithin bekannt, dass das sowjetische Militär 1980 durch den dauernden Abschuss ihrer Helikopter durch Stinger-Raketen demoralisiert wurde. Es ist gut möglich, dass jene, die jetzt die SAM-Raketen benutzen, zuvor durch die USA in der ANA trainiert wurden. In Afghanistan gilt es als gesichert, dass rebellische Kräfte den Rekrutierungsprozess von Anfang an infiltrierten, so wie auch im Irak. Ein Teil des Problems ist, dass das Pentagon private Unternehmer beschäftigt, um viele der Truppen zu trainieren. Das machte es für den Widerstand einfacher, in die Reihen der Rekruten einzudringen und ihr Training zu erhalten. Die privaten Unternehmer, die meist pensionierte Militärs sind, werden pro Rekrut bezahlt, der Auswahlprozess ist somit weniger rigoros.
Eine neue Herausforderung
„Die steigende Zahl der bei schönstem afghanischem Wetter abgestürzten Helikopter kann nicht so einfach übergangen werden. Der Absturz vom 25. September ist dabei nur einer von vielen. Das Pentagon liefert als Erklärung das Wetter, „technische Probleme“ oder eine „harte Landung“. Andererseits übernahmen die Rebellen routinemäßig die Verantwortung für die Abschüsse. Vor den afghanischen Wahlen am 18. September drückte Washington seine Besorgnis über die anhaltende Gewalt der Rebellen aus. Aber auch nachdem die Wahlen nun vorüber sind, zeigt das US-Militär keine Anzeichen dafür, seinen Hardliner-Zugang aufzuweichen. Ein hochrangiger US-Militär, General Jason Kamiya, sagte kürzlich, dass die Unterstützung aus der Luft bei der Eliminierung von militanten Kräften auch weiterhin ein essentieller Bestandteil der militärischen Operationen sein werde. Dem entgegen steht eine Äußerung des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, er sehe keine Notwendigkeit mehr in weiteren Luftanschlägen im „Krieg gegen den Terror“. Karzai verlangte auch ein Einstellen der Hausdurchsuchungen durch alliierte Truppen und zwang das US-Militär, ohne Erlaubnis der afghanischen Regierung kein Haus mehr zu betreten. SAM-Raketen oder nicht, die USA müssen in Afghanistan ernsthaft umdenken.“
(Asiatimesonline, aus dem Englischen von Sandra Wagenleitner)