Aizere Malaisarova, Kasachstan

Die Heizsaison in Almaty beginnt schon am 17. Oktober. Die kühlen Tagen vorher haben mich an mein Austauschsemester in Deutschland im Winter 2019 erinnert. Damals war es mir ständig eiskalt. In der Nacht, trotz drei Kleidungsschichten, die ich an hatte, fiel es mir immer schwer einzuschlafen, so kalt war es mir. Dies lag daran, dass die Heizung in der WG, wo ich wohnte, nachts abgeschaltet war, um zu sparen. Eine andere Sparmaßnahme war es, die Fenster immer geschlossen zu haben, was das Gegenteil von meinem Verhalten in Kasachstan war. Als ich das Fenster den ganzen Tag über auf gelassen hatte, musste ich mir von meiner Mitbewohnerin anhören, dass ich auf diese Weise ihr Geld aus dem Fenster geworfen hätte. Seitdem lasse ich die Fenster für lange Zeit zu, obwohl es bei uns zu Hause so stark beheizt ist, dass ich Sommerkleidung anhabe und nachts eine leichte Decke.

Ich wohne in einem neunstöckigen Haus mit 32 Wohnungen. Für Heizkosten bezahlen wir laut dem Tarif der Almaty-Fernwärme je Quadratmeter. Jeden Monat ist der Tarif anders, die teuersten sind im Januar und Februar – Anfang 2022 bezahlten wir bis zu 230 Tenge pro Quadratmeter oder etwa 20.000 Tenge Heizkosten insgesamt. Wir können die Wärme der Heizkörper regulieren, z.B. in meinem Zimmer in der sonnigen Seite des Hauses reduziere ich sie um die Hälfte, weil die von den Heizkörpern heiße Luft meine Haut und Nasenschleimhaut vertrocknet. Trotzdem bezahlen wir laut dem Tarif, egal, wie viel wir tatsächlich konsumiert haben. Theoretisch wäre es möglich, einen Heizzähler für das ganze Haus zu installieren, der den tatsächlichen Energiekonsum berücksichtigte, aber nicht alle Bewohner haben dafür gestimmt. Erstens ist der Zähler teuer, zweitens würde die verbrauchte Energie gleichmäßig auf alle aufgeteilt werden.

Der hohe Preis für warme Zimmer

Obwohl wir uns im Winter im Vergleich zu Deutschland recht günstig warm halten, zahlen wir einen hohen Preis dafür – mit unserer Gesundheit. Jeder Almatiner weiß von Kindheit an, dass die Stadt sich in einer Art Grube befindet und von Bergen umgeben ist. Der Bau von Hochhäusern hat die Windrose gebrochen und die Stadt wird nicht durchgeblasen. Sie ist in Smog eingewickelt. Der ist auf der Straße zu riechen und von der Berghöhe zu sehen. Die Klimaaktivisten, Ökologen und Ärzte warnen: Der Smog verursacht Atemwegserkrankungen wie Asthma, Allergien und chronische, obstruktive Lungenerkrankungen.

Im Jahr 2019 stellten unabhängige Forscher fest, dass drei Wärmekraftwerke und Kohlekessel etwa 70% der Schadstoffe in die Luft Almatys emittieren. 18 autonome Kesselhäuser in der Stadt und 48 in der Region Almaty tragen ebenfalls zum Smog bei. Auf der Website IQAir.com kann man den Zustand der Luft live überprüfen, und im Winter leuchtet die Anzeige des Luftqualitätsindex alarmierend rot. Beispielsweise war am 29. November die Konzentration von Schadstoffen der Kategorie PM2,5 in der Luft von Almaty 19,3-mal höher als die von der WHO festgelegte Norm. Im Idealfall sollten die Bewohner im Freien Masken tragen, Sport im Freien vermeiden, die Fenster geschlossen halten und zu Hause Luftreiniger einschalten, aber die Bürger bekommen keine Warnungen von den Stadtbehörden. So eine Situation gibt es nicht nur in Almaty – fast in allen Städten Kasachstans vergiften Kohlekraftwerke die Luft.

Lebensgefährlicher Verschleiß

Die meisten Wärmekraftwerke in Kasachstan befinden sich nahezu im Notstand. Das Durchschnittsalter aller Blockheizkraftwerke beträgt 61 Jahre, der durchschnittliche Verschleiß der Hauptausrüstung ist 66%. Seit Anfang der Heizperiode 2022-2023 traten 26 technologische Störungen in den Wärme- und Wasserversorgungsnetzen in der Republik auf, einer der neusten großen Unfälle passierte am 27. November in Ekibastus. Aufgrund eines Unfalls in einem Wärmekraftwerk blieben die Stadtbewohner bei 30 Grad Frost ohne Heizung und Warmwasser.

Zwei Tage später war die Wärmeversorgung wiederhergestellt, aber wegen des Temperaturunterschieds begannen Heizkörper zu knacken und Häuser zu überfluten. Kasachstaner organisierten eine humanitäre Hilfe für die Menschen in Ekibastus. Die Kasachische Post liefert auf eigene Kosten warme Kleidung, Heizgeräte, Decken, Schlafsäcke und andere Hilfe in die Stadt. Ein Teil der Bevölkerung wurde nach Pawlodar evakuiert, die Regierung erwägt, problematische Energieanlagen wieder in Staatsbesitz zu bringen. Also ich habe echt Glück, ein warmes Zuhause zu haben.

Annabel Rosin, Deutschland

Schon seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war die Sorge vor dem kommenden, kalten Winter in Europa ohne ausreichend beheizte Räume groß. Im World Wide Web kursieren in vielen Nicht-EU-Staaten Bilder und Videos, die sich über die Situation, die den Westeuropäern womöglich bevorsteht, lustig machten. Aktuelle Zahlen widerlegen aber die Schadenfreude der Nicht-Betroffenen: Der Gasspeicher der Bundesrepublik Deutschland ist laut Stand vom 21. November mit 99,98 Prozent so gut wie vollständig gefüllt. Frieren muss theoretisch keiner, Sparen steht für den Deutschen in diesem Winter aber trotzdem an erster Stelle. Die Heizsaison in Deutschland beginnt offiziell am 1. Oktober und endet am 30. April des darauffolgenden Jahres.

Auch meine Eltern blieben nicht unbesorgt, bestellten Anfang März, noch rechtzeitig vor den großen Preis Explosionen, eine neue Lieferung Heizöl. Wir gehören zu den 24 Prozent der Deutschen, die ihr Domizil mit einer Ölheizung ausgestattet haben.

Tatsächlich ist das Heizen mit Öl teurer als eine Gasheizung: Für eine 70 Quadratmeter Wohnung beispielsweise würde man 1.370 Euro im Jahr für Gas bezahlen, mit einer Ölheizung sogar 1.440 Euro. Solch ein Anstieg – genauer gesagt um 130 Prozent – wurde seit der Veröffentlichung des Heizspiegels im Jahre 2005 noch nie verzeichnet.

In unserem dreistöckigen Haus befindet sich in jedem der Räume ein Heizkörper, genutzt werden aber längst nicht alle. Nur in den Zimmern, in denen wir uns regelmäßig aufhalten, wird am warmen Rädchen gedreht. In Küche und Badezimmer werden ausschließlich unsere Füße durch eine Fußbodenheizung gewärmt.

Der Beschreibung meiner Mitautorin, sich trotz kalten Wintertagen in seinem Zuhause in Sommerkleidung zu bewegen, kann ich für meine Einzimmerwohnung hier in Almaty nur zustimmen. Da ich meinen Heizkörper nicht regulieren kann, wäre es in einem Pulli viel zu warm, gar schon zu heiß. Es hat übrigens auch etwas gedauert, bis ich mich an die tropischen Heiztemperaturen gewöhnt habe; davor hatte ich oft mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen. In unserem Eigenheim in Deutschland lassen sich alle Heizungen auf die gewünschte Temperatur regulieren. Wir halten diese stets sehr angenehm und schwitzen nie (alles andere wäre mit Sicherheit viel zu aufwändig und zu teuer), daher trägt meine Familie auch in der kalten Jahreszeit langärmelige Oberteile und warme Socken.

Wärmepumpen als Heiztechnik der Zukunft

Seit dem enormen Preisanstieg für Flüssiggas wird das Heizen durch Wärmepumpen in Deutschland ein immer größeres Thema. Diese gelten als Heiztechnik der Zukunft. Sie werden elektrisch betrieben; sie können also sauberen Strom nutzen und gelten damit als umweltfreundlich. Entsprechend zuversichtlich ist daher auch die Bundesregierung: Sechs Millionen solcher Wärmepumpen sollen bis 2030 in deutschen Häusern verbaut werden. Dabei sollen auch Altbauten saniert und für die Heizung von morgen bereit gemacht werden.

Um aber zunächst einmal den kommenden Winter zu überstehen und die Bürgerinnen und Bürger ein wenig zu entlasten, verspricht die deutsche Bundesregierung die Übernahme der Abschlagszahlung für Gaskunden im Dezember. Anschließend gelte das für das neue Jahr angekündigte „Erdgas-Energie-Preisbremsengesetz“. Für 80 Prozent des bisherigen Verbrauches bekommen Haushalte und kleine bis mittlere Unternehmen einen Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Die restlichen 20 Prozent werden weiterhin mit den Preisen des jeweiligen Anbieters berechnet.

Was die Entlastungen für deutsche Verbraucher aber letztendlich bedeuten, bleibt in den kommenden Monaten zu beobachten. Frieren muss aber mit Sicherheit keiner.

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