Schon 1975 gab es Pläne, den „Geschmack des Westens“ in Form von Schnellrestaurants in die Sowjetunion zu bringen. Daraus wurde jedoch erst etwas nach deren Zusammenbruch. In Almaty erfolgte der Siegeszug von McDonalds auf Kosten historischer Bauten.

Die Suche nach religiöser Freiheit, der Drang nach persönlicher Entfaltung, oder die Flucht vor Armut und Verfolgung – aus den verschiedensten Gründen verließen Menschen in den vergangenen Jahrhunderten ihre Heimat und suchten ihr Seelenheil an anderen Orten. Zarin Katharina II. lockte ab 1763 Siedler mehrheitlich aus den deutschen Kleinstaaten ins Russische Zarenreich, um das riesige Territorium des Landes urbar zu machen. Viele andere Menschen zog es auf der Suche nach einem besseren Leben in die „Neue Welt“. Irgendwann, um das Jahr 1882 herum, als die deutsche Einwanderung in die USA ihren Höhepunkt erreichte, fand auch ein in Norddeutschland beliebter Snack auf einem der Auswandererschiffe seinen Weg nach Amerika. Das besonders bei Hamburger Hafenarbeitern beliebte „Hamburger Stück“, eine Hackfleischfrikadelle, schickte sich an, zur beliebtesten amerikanischen Speise zu werden.

Das Geschäft mit dem Snack

Der Snack, den norddeutsche Auswanderer nach Amerika brachten, boomte und fand sich alsbald auf allen Speisekarten der Tavernen und Lokale Amerikas wieder. 1940 eröffneten die Brüder Richard und Maurice McDonald, Söhne irischer Einwanderer, in San Bernadino in Kalifornien ihre eigene Hamburgerbraterei. Sie erdachten eine neue und innovative Art der Hamburgerzubereitung, um so Zeit und Kosten einzusparen. Auch setzten die Brüder auf Selbstbedienung statt Am-Platz-Service. Ray Kroc, Verkäufer von Milchshake-Mixern, war begeistert von der Effizienz des Restaurants der McDonald´s-Brüder und trat im Jahr 1954 mit dem Wunsch und der Bitte an sie heran, weitere Restaurants unter ihrem Namen und mit ihrem System zu eröffnen.

Kroc war Geschäftsmann durch und durch. Er erwarb die Franchise-Rechte, eröffnete ein eigenes Restaurant unter dem Namen McDonald´s in Des Plaines, Illinois, rekrutierte weitere Franchisenehmer und übernahm schließlich im Jahr 1961 das gesamte Unternehmen für eine Summe von 2,7 Millionen US-Dollar. Ray Kroc gründete die McDonald´s Corporation, drängte die McDonald´s-Brüder aus dem Hamburger-Markt, baute Schnellrestaurants der Kette auf der ganzen Welt und erschuf eines der größten und wertvollsten Firmenimperien der Welt. Der Hamburger mit dem goldenen M gilt seitdem als das Symbol des amerikanischen Turbokapitalismus.

Moskau schon 1976 im Visier der Burgerbrater

Von diesem goldenen, amerikanischen Traum wollten in den späten 1980er Jahren schließlich auch mehr und mehr Bürger in der von Mangel und Misswirtschaft geprägten Sowjetunion etwas abhaben. Der Plan für ein Schnellrestaurant in der Sowjetunion existierte bereits seit 1976, als der Chef von McDonald´s Canada, George Cohon, während der Sommerolympiade in Montreal auf Offizielle der Stadt Moskau traf. Doch erst 15 Jahre später ließen dies die politischen Zustände und Gorbatschows Perestroika-Politik zu.

Am 31. Januar 1990 eröffnete am Moskauer Puschkin-Platz das erste McDonald´s Restaurant der Sowjetunion, ein Joint-Venture zwischen McDonald´s Canada und der Stadt Moskau. Es war seinerzeit das größte McDonald´s der Welt, verfügte allein über 20 Kassen, und beschäftigte 600 streng ausgewählte Mitarbeiter. Allein am ersten Tag kamen 30.000 Menschen und wollten im wahrsten Sinne des Wortes einen Blick über die scheinbar unüberwindbaren Grenzen der Sowjetunion hinweg nach Amerika werfen. Ein BigMac kostete damals 3,75 Rubel – bei einem durchschnittlichen monatlichen Lohn von 150 Rubel ein stolzer Preis.

Doch es waren nicht nur Hamburgerbrötchen, Pommes Frites und Cola, die den Erfolg des seinerzeit größten Restaurantbetreibers der Welt ausmachten. Die McDonald´s Corporation, die ganz besonders auf das Franchise-System setzt (von derzeit über 36.000 Restaurants weltweit werden rund 31.000 von Franchisenehmern betrieben), hat ein ausgeklügeltes System entwickelt, bei dem Hamburger- und Immobiliengeschäft untrennbar miteinander verknüpft sind. McDonald´s erwirbt zunächst Grund und Boden, auf dem die Restaurants errichtet werden, nimmt somit neben Franchisegebühren auch Pacht ein, und gilt heute, neben dem Hamburger-Geschäft, als eines der größten Immobilienunternehmen der Welt.

McDonald´s war in Kasachstan relativ spät dran

Für Kasachstan begann das Fast-Food-Zeitalter am 21. September 1991 mit der Eröffnung des „Shaggie´s“-Restaurants in einer der unteren Etagen des Hotel Kasachstan. Der koreanische Betreiber des Lokals Min Bon Sik schloss einen Vertrag zur Pacht der Räumlichkeiten auf 30 Jahre, bis in das Jahr 2021. Das Shaggie´s, der erste Burgerbrater Kasachstans, existiert allerdings schon lange nicht mehr. Die international bekannten Fast-Food-Ketten haben schnell in Kasachstan erfolgreich Fuß gefasst, doch McDonald´s wartete noch viele Jahre auf den Eintritt in den kasachischen Markt.

Am 8. März 2016, vergleichsweise spät in dieser schnelllebigen Zeit, eröffnete die Kette ihr erstes Restaurant in Astana. Auch hier bildeten sich wieder lange Schlangen vor dem Eingang. Franchisenehmer der kasachischen McDonald´s Restaurants war der kasachische Geschäftsmann Qairat Boranbajew. Boranbajew, heute unter anderem Präsident des Fußballklubs Kairat Almaty, leitete zu dieser Zeit bereits elf McDonald´s-Filialen in Belarus.

In Almaty eröffnete das erste Schnellrestaurant der Kette am 10. Juni 2016. Die Betreibergesellschaft äußerte sich im Vorfeld dazu so: „McDonald´s entwickelt sein Geschäft als ein guter Nachbar, insofern ist der Erhalt des architektonischen Ensembles der Stadt überaus wichtig für uns. Das Alatau-Kino ist bereits seit einigen Jahren außer Betrieb, aber wir verstehen, dass es ein ikonischer Ort für die Bewohner ist.“ Qairat Boranbajew kaufte das Grundstück und das Gebäude des Kinos Alatau im Jahr 2014. Circa ein Jahr später wurde bekannt, dass das erste McDonald´s-Restaurant Almatys genau hier entstehen sollte. Die Öffentlichkeit sprach sich geschlossen gegen diesen Standort und für den Erhalt des Kinos aus, doch das Kinotheater Alatau wurde noch im Herbst 2015 abgerissen.

Der Geschmack der neuen Welt hat seinen Preis

Das Alatau-Kinotheater wurde1960 im Herzen von Alma-Ata eröffnet. Der Kinosaal, der sich in einem eleganten, leichten und für seine Zeit überaus modernen Gebäude befand, fasste zu Beginn 780 Sitzplätze und war technisch mit der besten Kinotechnik ausgestattet. Kinopremieren fanden hier statt, und nur die besten Filmproduktionen wurden gezeigt. Es ist nicht verwunderlich, dass zahlreiche Bewohner von Alma-Ata noch heute nostalgische Gefühle für diesen Ort hegen. Doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging es auch für das Kino Alatau abwärts. Der Betrieb wurde 1993 wegen Zahlungsunfähigkeit eingestellt. Im Jahr 2000 gelang nach einer umfassenden Renovierung, dem Einbau neuer Projektions- und Tontechnik und der Verkleinerung des großen Saals auf 592 Plätze die Wiedereröffnung. Das endgültige Ende kam 2013. Der gesamte Komplex wurde für
6,5 Millionen Dollar verkauft.

McDonald´s besitzt heute zwölf Restaurants allein in Almaty. Einige davon auf den Grundstücken ehemals historischer und abgerissener Gebäude. Auch das einstige Kinotheater Baikonur, das zwischen 1980 und 2009 in Betrieb war, musste einem Schnellrestaurant der Kette weichen. McDonald´s interessierte sich auch für die Grundstücke zweier weiterer Kinotheater. Das Kinotheater „Kasachstan“, welches 1957 eröffnete, war das erste Kino Kasachstans mit zwei Kinosälen. Der Verkauf scheiterte, und das Gebäude existiert noch heute. Es befindet sich ein verruchtes Herrenetablissement und ein zwielichtiges Wettbüro darin. Das Kino „Tselinnyj“, welches 1964 in Betrieb ging, konnte vor ein paar Jahren durch ein Künstlerkollektiv mit Unterstützung eines Moskauer Geschäftsmanns und des Moskauer Garage-Museums für moderne Kunst vor dem Abriss gerettet werden und soll sich schon bald in ein Zentrum für zeitgenössische Kunst verwandeln.

Almaty hat auch abseits der neuen, amerikanischen Fast-Food-Vielfalt kulinarisch einiges zu bieten. Die Schnellrestaurants sehen ebenso austauschbar aus wie die dort servierten Speisen. Dass dafür die historische und von der Bevölkerung liebgewonnene Architektur weichen muss, ist allerdings bedauerlich. Doch im Sinne des Zeit seines Lebens überaus geschäftstüchtigen Ray Kroc stehen auch bei der McDonald´s Company alle Zeichen auf Expansion, und das Unternehmen hat auch in Almaty seinem Ruf als einem der größten Immobilienunternehmen der Welt alle Ehre gemacht. Der Geschmack der neuen Welt hat seinen Preis.

Philipp Dippl

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