So, nun habe ich diesen schweren Schritt geschafft. Nach einigen Wochen vorsichtigen Herantastens an meine neue Heimat Rösrath habe ich mich umgemeldet. Es ist eine Sache, in Rösrath zu wohnen, aber es ist noch mal etwas anderes, sich offiziell dazu zu bekennen und es schwarz auf weiß in seinem Ausweis stehen zu haben.
Weil mir dieser Schritt nicht ganz geheuer war, kam mir das Gewitter gelegen, als ich mich gerade zum Bürgeramt aufmachen wollte. Aber der Regenguss war bald vorüber, so tat ich einen tiefen Seufzer und fuhr los. Tröstlich war der schöne Weg entlang von Fachwerkhäusern, immer den Wald im Blick, alles ganz hübsch und so ganz anders als der Weg zum Amt im städtischen Köln. Es fühlte sich an wie ein Ausflug und nicht wie eine Erledigung.
Kaum hatte ich mich mit meiner Wartemarke hingesetzt, wurde ich auch schon aufgerufen. Es täte ihr leid, dass ich so lange hätte warten müssen, sagte meine Sachbearbeiterin. Ja, ganze zwei Minuten! Denn so viele Meldeangelegenheiten gibt es in dem Örtchen nicht, kein ständiges Kommen und Gehen wie in der 1-Millionen-Einwohner-Metropole Köln. Ich fragte nach meinem Begrüßungsgeschenk, eine Kleinststadt wie Rösrath wäre doch sicher froh um jede neue Bürgerin, so dachte ich mir. „Wie?! Begrüßungsgeschenk? Eigentlich gibt’s keins. Aber … obwohl …“ Die freundliche Sachbearbeiterin stöberte in den Stapeln ihres Arbeitsplatzes und fischte schließlich etwas aus den Unterlagen, das sie mir feierlich überreichte – den Abfallkalender der Stadt Rösrath. Ja, danke schön! Immerhin, sie hat sich bemüht und blitzschnell und unbürokratisch auf meine scheinbar unübliche Anfrage reagiert.
Da hier alles so schnell und reibungslos verlief, meldete ich auch gleich beim Amt gegenüber mein Gewerbe um. „Ich bin gerade von Köln nach Rösrath umgezogen“ begann ich. Ein unvermitteltes lautes Lachen der Dame vom Gewerbeamt. „Na, ob das nicht ein Fehler war!“ Es stellte sich im weiteren Gespräch heraus, dass sie nicht in Rösrath wohnt, und es ist auch offensichtlich nicht ihr Wunsch. Mir wurde noch mulmiger zumute. Jedenfalls, auch hier wurde ich schnell und freundlich beraten, und ich versuchte es nochmals mit dem Willkommensgeschenk. „Äh, tja… eigentlich nicht. Aber Moment…“ Sie griff resolut zum Hörer. „Du, hier ist eine, die fragt nach ihrem Begrüßungsgeschenk. … Nein, das ist kein Scherz! … Ah ja, einen Abfallkalender…“ Ich bedeutete ihr mit Handzeichen, dass ich den schon bekommen hätte. Sie legte auf. „Wir könnten Ihnen die Broschüre der Stadt Rösrath geben, aber die ist aus und wird neu gedruckt.“ Da die Frage nach dem Begrüßungsgeschenk eh nur ein Scherz war, war ich sehr erfreut und zufrieden, dass man sich so viel Mühe gab, meinem ungewöhnlichen Wunsch nachzukommen.
Sehr bürgerfreundlich geht es hier zu, muss ich sagen. Und als ich mit neuem Pass heimkam, was fand ich da im Postkasten? Ein Begrüßungspaket der Deutschen Post AG. Na also, geht doch! Zwar alles Dinge, die ich so gar nicht gebrauchen kann, aber man muss die Geste anerkennen und dass jemand Anteil an der eigenen Lebensveränderung nimmt. Na bitte, war doch gar nicht so schlimm, die Ummelderei. Allerdings habe ich den falschen Zeitpunkt gewählt – genau während der Kommunalwahlen. Als in Rösrath gewählt wurde, war ich noch Kölnerin. Und als in Köln gewählt wurde, war ich schon Rösratherin.
Faktisch ist das zwar rechtens, denn wieso sollte ich über die Regierung einer Stadt mitbestimmen dürfen, in der ich gar nicht mehr lebe und selbst nicht ausbaden muss, was ich durch die Wahl angezettelt habe, und wie kann ich in einer Stadt wählen, die ich noch gar nicht kenne bzw. zu der ich mich eigentlich auch noch nicht bekenne, wie mir immer wieder an meiner Antwort auffällt, wenn ich nach meinem Wohnort gefragt werde: „Ja, eigentlich in Köln. Also, bei Köln. Es ist zwar administrativ nicht Köln, aber liegt ganz in der Nähe. Ist nur ein Wald dazwischen. Der Ort heißt Rösrath. Aber genau genommen bin ich Kölnerin.“
11/09/09