Die europäische Gemeinschaftswährung Euro hatten viele Experten vor einem Jahr schon beinahe abgeschrieben. Das war zu früh, wie Kolumnist Bodo Lochmann feststellt.

Der Welthandel wächst schon seit mehreren Jahrzehnten schneller als die Weltproduktion. Internationaler Handel ist also nicht mehr die Ausnahme, sondern zunehmend die Norm. Nicht nur große Unternehmen, auch viele mittelständische Firmen diversifizieren ihren Absatz nach Ländern und werden so unabhängiger von der Wirtschaftslage nur eines Landes oder einer Region.

Ehe man jedoch die Vorteile der Internationalisierung von Produktion und Absatz nutzen kann, muss eine ganze Menge an Vorbereitungsarbeit geleistet werden, denn schließlich stellen Auslandsmärkte qualitativ auch wesentlich höhere Anforderungen. Dazu gehört auch die Sprache des jeweiligen Zielgebietes. Natürlich ist auch im Außenhandel Englisch dominant. Englisch ist heute auch ungefragt Pflicht, und gutes Englisch kann einen starken Schub des Absatzes auf Außenmärkten bewirken. Doch allein Englischkenntnisse reichen oft nicht aus, um die Absatzpotentiale voll auszuschöpfen. Das zumindest besagen sowohl Erfahrungen als auch wissenschaftliche Untersuchungen.

Letztere belegen, dass eine gemeinsame regionale Sprache den gegenseitigen Handel massiv fördert. Die Möglichkeit direkter Kommunikation, also ohne Dolmetscher, spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern schafft vor allem die Möglichkeit des Aufbaus von Vertrauen. Überall aber, wo Menschen zusammen arbeiten, spielt Vertrauen eine wesentliche Rolle. Zudem honoriert der ausländische Handelspartner das Bemühen, seine Sprache zu beherrschen, stärker als die Kenntnis nur des Allerwelts-Englisch.

Sprechen die Menschen in zwei Ländern die gleiche Sprache, werden messbar mehr Waren ausgetauscht, haben Handelsforscher festgestellt. Der Effekt ist so groß, dass er sich nicht allein mit geografischer Nähe der Handelspartner oder anderer Fundamentaldaten erklären lässt. Je komplexer, also weniger standardisiert Erzeugnisse sind, umso größer ist die Rolle der Landessprache als Verkaufsfaktor. Bei komplexen Produkten muss bekanntlich besonders viel erklärt werden, sind intensivere Verhandlungen zu führen und sind detailliertere Verträge zu erarbeiten. Entsprechend hoch sind die Kosten für Dolmetscher und Übersetzer, die sich bei vorhandenen Sprachkenntnissen der Geschäftspartner entsprechend reduzieren lassen. Aber auch bei solchen standardisierten Gütern wie Rohstoffen verschwindet der Einfluss der Sprache nicht völlig, haben die Handelsforscher festgestellt.

Zum Erarbeiten und Umsetzen einer erfolgreichen Exportstrategie gehört neben dem Hardwarebereich (Produkte und deren Markteigenschaften) auch der Softfaktor Sprache. Er ist direkt als Wirtschaftsfaktor zu betrachten, sowohl hinsichtlich des Aufwands zum Erlernen, als auch hinsichtlich des erzielbaren Effektes. Infolge unzureichender oder gar fehlender Fremdsprachenkenntnisse werden viele potentielle Absatzchancen nicht genutzt. Sprachbarrieren sind auch oft ein Grund dafür, dass an sich hervorragende Produkte nicht den Weg in die heute globalisierte Welt finden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen haben meist nicht die Kraft, oder meinen diese nicht zu haben, um bestehende Sprachbarrieren zu überwinden und so Außenmärkte zu erschließen. Aber auch bei Weitem nicht alle Großunternehmen sind in der Lage, aus dem eigenen Personalbestand eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern zu motivieren, Fremdsprachen, vor allem als „exotisch“ eingestufte, zu erlernen.

Auch aus diesem Grunde bemühen sich deutsche Unternehmen zur Forcierung ihres Exports um den Einsatz von Muttersprachlern, also Ausländern im eigenen Konzern. Denn welcher Standarddeutsche, der nicht längere Zeit z. B. in China gelebt hat, versteht schon die chinesische Mentalität und die Feinheiten der Geschäftswelt. Das können wesentlich besser Leute, die aus dem jeweiligen Kulturkreis stammen.

In Kasachstan gibt es gegenwärtig eine relativ einseitige Orientierung auf Englisch als Geschäftssprache im Außenhandel. Das ist eine notwendige, aber wohl nicht hinreichende Bedingung. Durchaus nicht alle potentiellen Absatzmärkte im Ausland lassen sich so erschließen und auf Dauer auch halten.

Bodo Lochmann

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