Die aktuelle Finanzkrise beschäftigt mehr Leute, als das auf den ersten Blick den Anschein hat. Zumindest sind die Klagen über schlechter laufende Geschäfte ziemlich breit gestreut und betreffen nicht mehr nur den Banken- und Bausektor. Auch „kleine“ Privatleute machen sich so ihre Gedanken und haben bestimmte Ängste, zumal sie bei weitem nicht alles verstehen, was da eigentlich los ist.

Am meisten betroffen sind in Kasachstan jedoch nach wie vor der Banken- und der Bausektor. Es ist das eingetreten, was auch an dieser Stelle schon prophezeit wurde, ohne seinerzeit Konkretes vorhersehen zu können. Mir jedenfalls waren diese enormen Wachtumszahlen des Bankensektors, vor allem die Zunahme der verausgabten Kreditsummen um jährlich 40 bis 50 Prozent, von jeher nicht geheuer. Dem supersteilen Aufstieg folgt nun ein umso härterer Fall, hoffentlich aber keine Katastrophe. Im Moment durchleben die hiesigen Banken schwere Zeiten, und ein Ende kann wohl frühestens für das nächste Jahr in Aussicht gestellt werden. Doch auch der Bankensektor anderer Länder ist betroffen. So hat die Deutsche Bank erstmals seit fünf Jahren wieder einen Quartalsverlust vermelden müssen.

In den letzten Monaten stand in Kasachstan im Bankensektor das Problem der Liquiditätssicherung im Mittelpunkt. Es scheint, dass es, wenn auch nicht ohne Mühe, einigermaßen im Griff ist. Immerhin waren in den ersten drei Monaten dieses Jahres etwa sieben Milliarden Dollar Rückzahlungen an ausländische Gläubiger zu bewältigen. Das ist geglückt, allerdings ist dabei kein entscheidender Abbau der Gesamtschulden erfolgt, da diese Rückzahlungen durch neue Schuldenaufnahmen gedeckt wurden. Netto ist die Auslandsschuld nur um eine Milliarde gesunken. Doch das ist kurzfristig erst einmal egal, im Moment sind die Schulden termingerecht bedient. Es müssen jedoch Riesenanstrengungen unternommen werden, damit die in diesem Jahr noch ausstehenden elf Milliarden US-Dollar Rückzahlungen ebenfalls vergleichbar glimpflich über die Bühne gehen.

Jetzt rückt umso deutlicher das Problem der Qualität des Kreditportfolios der Banken in den Mittelpunkt des Geschehens und der zu lösenden Probleme. Ein Kreditportfolio ist, vereinfacht gesagt, die Struktur der durch die Geschäftsbanken an den Nichtbankensektor verausgabten Kredite, bewertet nach ihrer Qualität. Unter letzterer ist wiederum die Wahrscheinlichkeit des termingerechten Bedienens der Kredite – also Zinszahlung und Kredittilgung – zu verstehen. Davon hängt entscheidend die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) der Banken selbst und – im Extremfall – auch ihre Existenz ab. Die in vieler Hinsicht durchaus leichtfertig zu nennende Kreditvergabepraxis der hiesigen Geschäftsbanken in den letzten Jahren hat nicht nur zu einer enorm schnellen Kreditausweitung und parallel zu einem schnellen Geldmengenwachstum – und damit zu hoher Inflation – geführt, sondern auch zu einer Verschlechterung der Kreditqualität. Der Anteil der Kredite, der entweder gar nicht mehr zurückgezahlt werden wird („verlorene“ Kredite) und der Kredite, die von den Kreditnehmern nur mit Problemen („faule“ Kredite) bedient werden können, ist unverhältnismäßig hoch. Verlorene Kredite müssen abgeschrieben werden, das heißt sie erzeugen finanzielle Verluste. Für „faule“ Kredite gibt es mehrere Unterkategorien, die ihren Problemgrad hinsichtlich ihrer Rückzahlungswahrscheinlichkeit erfassen. Jedenfalls ist der hohe Anteil dieser beiden Kreditarten im Gesamtkreditportfolio des Bankensektors – die dritte Komponente sind „normale“, also ohne Probleme rückfließende Kredite – Ausdruck für eine unzureichende Risikobewertung der kreditierten Investitionsprojekte, und insgesamt für ein unzureichendes Risikomanagement. Das steckt in Kasachstan generell, also auch hinsichtlich der Risikobewertung in anderen Bereichen, zum Beispiel Umweltrisiken, noch in den Kinderschuhen.

Innerhalb der letzten sechs Monate hat sich der Anteil der verlorenen Kredite verdoppelt und betrug Ende März vier Prozent. Vielleicht sind diese vier Prozent im Moment nicht so dramatisch, wohl aber ist es das Tempo des Anstiegs in nur wenigen Monaten. Es ist zu befürchten, dass bei Andauern der Verkaufskrise und weiterem Fallen der Immobilienpreise ein größerer Teil von Krediten aus der Kategorie „faul“ in die Kategorie „verloren“ überschwappt. Die dadurch entstehenden Verluste schmälern zum einen die insgesamt noch gegebenen Gewinne der Banken und untergraben so die Möglichkeiten der langfristigen Aufstockung des Eigenkapitals. Vor allem können möglicherweise gar nicht so schnell die notwendigen Rückstellungen gebildet werden, wie dies für das Ausgleichen der Verluste notwendig wäre.

Beim qualitativ unausgewogenen Kreditportfolio kann denn auch begründet die Angst einfacher Leute einsetzen. Schließlich finanzieren sie mit ihren Einlagen zwar nicht allein, aber doch zu einem wesentlichen Teil die Kreditvergabe der Geschäftsbanken. Fließt das Geld nicht in einem ausreichenden Maße vom Kreditnehmer zur kreditgebenden Bank zurück, sind leicht auch die Einlagen der Bevölkerung infolge einer möglichen Insolvenz der Bank gefährdet. Klar, es gibt einen Einlagensicherungsfonds, der bei der Insolvenz der Nauryzbank durchaus funktioniert hat. Doch darauf kann man dann wenig hoffen, wenn mehrere Banken zugleich in Schieflage kommen. Dazu kommt der Nervenstress in einem solchen Falle. Nun sollte man als Bankkunde nicht in Panik ausbrechen, sondern ruhig bleiben, aber die Situation kritisch verfolgen. Vielleicht hilft auch Beten, doch das ist eher nicht mein Fachgebiet.

Bodo Lochmann

02/05/08

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