Kasachstan braucht neue Energiewege, um auf der Weltbühne langfristig präsent zu sein. Für welche Richtung sich das Land künftig entscheiden wird, hängt ebenso von den globalen und regionalen Akteuren ab. Vor allem Europa könnte die Karten im Erdöl und -gasspiel neu mischen.

Kasachstan ist eine der ältesten Förderregionen für Erdöl und -gas. Bereits Marco Polo berichtete vor rund 700 Jahren über einen „großen Brunnen mit Öl“ in der Kaukasusregion. Lediglich „das unternehmerische und technologische Know-how“ fehle Kasachstan, um seine Erdöl- und Erdgasförderung erhöhen zu können, so der frühere Industrieminister Adilbek Dschaksybekow bei einem Deutschlandbesuch. Prinzipiell steht der kasachische Staat westlichen Investitionen aufgeschlossen gegenüber, daher hat Kasachstan seit seiner Unabhängigkeit Anfang der 90er Jahre versucht, ein attraktives Investitionsklima zu schaffen. „Wir spüren ein stark steigendes Interesse deutscher Unternehmen an unserem Land“, erklärte der Industrieminister damals gegenüber der Financial Times Deutschland.
Doch steigendes ausländisches Interesse löst nicht das Problem des Ressourcentransports zum Weltmarkt. „Wo wir mit unseren Rohstoffen auf den Weltmarkt kommen können, machen wir das auch“, äußerte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew gegenüber Bundeskanzlerin Merkel auf dem kürzlichen Treffen in Berlin. Für welche künftigen Pipelinewege sich Kasachstan entscheiden wird, hängt ebenso von den jeweiligen globalen und regionalen Akteuren ab, die ihren Einfluss ausnutzen wollen.

Kasachstan zwischen den Fronten

Die kasachische Suche nach neuen Exportwegen, die vorzugsweise die bisherige russische Monopolstellung beim Transport brechen und keine neue entstehen lassen sollte, verwandelte sich zum Zankapfel zwischen regionalen und globalen Akteuren, so Dr. Riswan Nabijew in seinem Buch „Erdöl- und Erdgaspolitik in der kaspischen Region. Ressourcen, Verträge, Transportfragen und machtpolitische Interessen“. Der ehemalige stellvertretende US-Energieminister Robert Gee sagte auf einer Anhörung des US-Kongresses: „Exporte aus der kaspischen Region würden das Energieangebot weltweit diversifizieren und damit eine zu große Abhängigkeit vom Persischen Golf vermeiden”. Somit favorisiert die USA nach Dr. Nabijews Analysen den Export per Pipeline zum Mittelmeer, da dort Tiefwasserhäfen einen rentablen Tankertransport des kasachischen Erdöls in die USA ermöglichen würden. Auch China als globaler Akteur zeigt aufgrund des wachsenden Erdölbedarfs steigendes Interesse an den Rohstoffvorkommen der zentralasiatischen Region sowie an deren Exportwegen.

Die regionalen Akteure streben meist den Verlauf einer Pipeline über ihr Territorium an, da sie enorm an politischer und ökonomischer Bedeutung gewinnen. Außerdem ist das Engagement der drei großen regionalen Mächte Russland, Iran und Türkei ferner von geopolitischen Faktoren geprägt. Russland möchte nicht nur den postsowjetischen Raum in seiner Einflusssphäre und eine möglichst große Kontrolle über die Exportwege behalten, sondern sich das kasachische Erdöl und -gas zu einem geringen Preis für den russischen Markt sichern. Der frühere US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger sagt: „Sollte es Moskau gelingen, die Oberherrschaft am Kaspischen Meer zu erlangen, so wäre dieser Sieg vielleicht bedeutsamer als die Nato-Erweiterung für den Westen.” Hingegen möchte sich Iran als Exportweg für kaspisches Öl und Gas sowie als Transportkorridor zwischen Russland und dem Indischen Ozean unentbehrlich machen und seine Isolation überwinden. Die Türkei entwickelt sich zum Transitland für kasachisches Erdöl- und gas nach Europa sowie über die Mittelmeerhäfen nach Asien und in die USA.

Kasachstan emanzipiert sich

Kasachstan will „aus der Abhängigkeit der reinen Öl- und Gasproduktion herauskommen“, so der frühere kasachische Industrieminister. Eventuell kann Europa eine entscheidene Rolle spielen. Denn bisher hat sich Europa als „Global Player“ verhältnismäßig wenig um die kasachischen Ressourcen gekümmert. Gerade für Europa könnte die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem zentralasiatischen Staat zu einer erheblichen Reduzierung der Importe von Erdöl und –gaslieferungen aus Russland und dem Nahen Osten führen. Und genau das liegt auch im Interesse Kasachstans: der Aufstieg zu einem bedeutenden Wirtschaftspartner.

Von Robert Vogel

09/02/07

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