Ein Besuch im Hochzeitspalast von Almaty

 

Wenn die Limousine losfährt, fliegen die dressierten Tauben in ihren Käfig zurück. Und harren dort aus, bis sie das nächste Brautpaar freilässt. So geht es in einem fort. Der „Hochzeitspalast“ in der Abaistraße von Almaty, gleich gegenüber dem Zentralen Stadion und in unmittelbarer Reichweite des Zirkus, ist ein Ort der Wiederholung. Ein Ort, an dem im Viertelstundentakt geheiratet wird. Eine irritierend reibungslose Produktion von Ehen für eine glückliche Zukunft.

Zumindest sind das die Worte der amtlichen Notarin, die je nach Wunsch des Brautpaars auf Russisch oder auf Kasachisch ihren Text runtersagt: „Glückliche Kinder“ ,„Glückliches Leben“, „Glückliche Zukunft“. Bis sie mit dem einen, entscheidenden Satz schließt, dem Satz, den das Brautpaar und die Hochzeitsgesellschaft erwartet, um dessentwillen sie alle hergekommen sind. Er lautet, dass im Namen des Staates Kasachstan die Ehe zwischen den betreffenden Personen nun „registriert“ sei. Dann applaudiert die Hochzeitsgesellschaft, die Eltern küssen ihre Kinder, das Brautpaar unterschreibt die türkisfarbene Heiratsurkunde, ein Chor singt, und je nach gebuchtem Heiratstarif ist die Zeremonie jetzt vorbei oder sie geht erst so richtig los.

Denn es gibt verschiedene Heiratsabstufungen, Preislisten, die genau regeln, was das Brautpaar an Attraktionen im Hochzeitspalast zu erwarten hat. Erkundigen kann man sich darüber unten im Saal, in einem Geschäft, das „Zentrale für Heiratsindustrie“ heißt. Hier kann man auch einen Medienprofi engagieren, der die Hochzeit filmt, oder sich Limousinen mieten, die Namen tragen wie „Excalibur-Fantom-Super-Limousine“ oder „Chevrolet-Super-Jeep-Limousine“ und die zwischen 70 und 100 Dollar die Stunde kosten. Außerdem werden „Showprogramme“ angeboten, eben „alles für die beste Heirat“, wie es auf dem Plakat an der Tür zum Geschäft heißt.

Und hier werden die Feinabstimmungen der Trauung geregelt. Fest im Programm sind die beiden jungen Männer, die falsche Bärte tragen und kasachische Kriegerkostüme. Sie stehen am Fuß der Treppe, die nach oben zur Notarin führt, gefolgt von Frauen in ebenfalls archaisch kasachischer Kleidung. Nach der Registrierung verschwinden die Brautleute entweder zu einem Umtrunk in einem der angrenzenden Festsäle. Oder, die teurere Variante, sie steigen die Treppen wieder hinab, zu den Klängen eines kasachischen Dombra-Spielers. Unten regnet dann eine Wolke von Luftballons und Konfekt auf das Brautpaar nieder, das noch schnell fotografiert wird, bevor es den nächsten Heiratswilligen Platz machen muss.

Nebenher wird die ganze Prozedur zu einem Akt von „Nation-Buildung“: eine Wachrufung der Steppe, des zentralasiatischen Nomadentums, das mittlerweile offizieller Teil der Ursprungsgeschichte Kasachstans ist. Die türkisfarbene Staatsflagge mit ihren flügelschwingenden Steppenadlern darf da natürlich nicht fehlen. Und an der Stirnseite des Saales prangt das kasachstanische Wappen, das in der Mitte den Schangyrak zeigt – jene strebenartige Dachöffnung einer Jurte, die sowohl der Lüftung diente als auch den Zeltbewohnern symbolisch die Verbindung zum Himmel gewährleistete.

Den Schangyrak entdeckt man durch das Geglitzer schwer hinabhängender Kronleuchter hindurch auch an der Kuppelmitte des Saals – natürlich aufgemalt, nicht als wirkliche Öffnung. Was hier zählt, ist der symbolische Wille, genau wie bei dem letzten Programmpunkt der Heirat vor dem Hochzeitspalast. Mit feierlichen Gesten öffnet das Brautpaar den Vogelkäfig. Am Ende weiß man nicht mehr, ob sogar die freudig davonfliegenden Tauben nur simulieren.

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