Oft wird auf die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Kasachstan und China hingewiesen. Aber was steckt dahinter, wie groß ist der Einfluss wirklich? Damit man einen Überblick über die zahlreichen und gigantischen Investitionen behält, folgt hier eine kleine Zusammenfassung über die wichtigsten Projekte aus dem Reich der Mitte.

Vom Kaspischen Meer bis Öskemen findet man in weiten Teilen Kasachstans massive Investitionen aus dem Land der Mitte. Kasachstan ist aufgrund seiner vielen Bodenschätze sehr attraktiv für die wirtschaftlich rasant wachsende Volksrepublik. Um den zukünftigen Bedarf an fossilen Energieträgern zu decken, hat China schon jetzt acht Prozent der größten Ölvorkommen außerhalb der arabischen Halbinsel für sich reklamiert. Für saftige fünf Milliarden US-Dollar wurde diese Vereinbarung getroffen.

Direkt am Kaspischen Meer liegt Atyrau, wo ein Mammutprojekt der Chinesischen Development Bank entsteht. Hier wird ein Chemiegaskomplex errichtet, der Anteil Chinas beträgt zwei Milliarden US-Dollar. 500.000 Tonnen Polypropylen, der Hauptbestandteil aller Plastik-Waren, sollen hier zukünftig jedes Jahr produziert werden. Kasachstans Regierung geht von über 3.500 neuen Arbeitsplätzen aus.

Rohstoffsicherung in Kasachstan für China prioritär

Nicht nur bei dem fossilen Rohstoff Öl ist Kasachstan ein sogenannter „Big Player“, auch bei der Förderung und Anreicherung von Uran ist das zentralasiatische Land mit 12.000 Tonnen jährlich einer der größten Exporteure der Welt. Hier werden die größten Uran-Vorkommen auf dem ganzen Planeten vermutet. Als Atommacht im UN-Sicherheitsrat ist China nicht nur aus Gründen der Energieversorgung auf den Import des radioaktiven Elementes angewiesen.

Nach Öl und Uran liegen die Prioritäten auf dem Import von Kupfer, Zink und Eisenlegierungen. Mit weiteren 1,4 Milliarden US-Dollar ist die chinesische „National Technical Import and Export Corporation“ in den Bau eines Stahlwerks in Massalskoje involviert. Die Flächen Kasachstans bieten fast alle Elemente des Periodensystems, und nach genügend finanziellen Investitionen für entsprechende Fördertechnik steht der Lieferung seltener Erden nichts mehr im Weg.

Mit über 1,4 Milliarden Menschen ist China mit Indien das Land mit den meisten Einwohnern der Welt. Die Strategie, die zur sicheren Versorgung der Bevölkerung angewendet wird, ist als „Land-Grabbing“ bekannt und wurde bisher eher in Afrika praktiziert. Hinter dem Begriff verbirgt sich die Sicherung von Rohstoffen, Süßwasserquellen und Nahrungspflanzen. China hat verstanden, dass die Ressourcen auf dem Erdball endlich sind, und hat bereits angefangen, in weiten Teilen der Welt die notwendigen Rohstoffe für den eigenen Wohlstand zu sichern.

Neue Dimensionen beim Transport

Kasachstan steht in dem Projekt der neuen Seidenstraße Chinas eine Schlüsselrolle zu. Wenn man auf der Karte weiter vom Westen in den Osten schaut, nach Khorgos an die Grenze zu China, zeigt der neue Logistik- und Handelsknotenpunkt, welche Ausmaße solche Infrastruktur-Projekte annehmen können. Dieser größte „Trockenhafen“ der Welt ist nötig, damit die Container von Normalspur auf Breitspur umgeladen werden können. 2018 wurden noch 100.000 Stück umgeschlagen, angestrebt sind aber 500.000 Container pro Jahr. Der weltgrößte chinesische Marinelogistiker COSCO besitzt Anteile von 49 Prozent in Khorgos.

Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass damit die Weichen für einen nachhaltigeren Transport von Waren aus der Volksrepublik nach Europa gestellt sind. Denn Züge können nicht die Menge an Exportgütern bewerkstelligen, die ein Containerschiff schafft. Gleise haben lediglich den Vorteil, dass der Transport zwei Wochen statt zwei bis drei Monate auf See dauert und viel günstiger ist als auf dem Luftweg.

Im November ist der erste Zug über die neue Seidenstraße in der Türkei angekommen. Für China hat dies den Vorteil, dass es sich damit unabhängiger von Russland macht, dessen wirtschaftliche und vor allem politische Beziehungen nach Europa gerade eher kühl sind. Außerdem kann aufgrund der kurzen Transportzeit nun auch leicht verderbliche Ware billig in China produziert und nach Europa exportiert werden.

Welche Handlungsalternativen zu China gibt es für Kasachstan?

Die hohen Auslandsinvestitionen Chinas sind keine neuen Nachrichten. Insgesamt sind 55 sogenannte „joint ventures“ zwischen den beiden Staaten ausgehandelt worden. Offiziellen Angaben zufolge lassen sich die Investitionen auf circa 20 Milliarden US-Dollar beziffern. Das Deutsche Institut für Internationale Politik und Sicherheit schätzt, dass es sieben Milliarden mehr sind. Das wäre fast ein Sechstel des gesamten kasachischen Bruttoinlandsproduktes.

Die Regierung Kasachstans hat nicht wirklich große Handlungsalternativen. In den 1990er Jahren waren die USA, Europa und auch Deutschland noch an Projekten interessiert, davon ist heute kaum noch etwas zu spüren. Russland ist so groß, dass genügend eigene Investitionsmöglichkeiten vorhanden sind. Für Putin stellt Zentralasien lediglich einen Absatzmarkt für russische Produkte dar. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn China keine Straßen baut, würden sie gar nicht gebaut werden.

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Aber was hat die Bevölkerung von der Durchsetzung der „Belt and Road“-Initiative? Die Straßen und Gleise sind fast ausschließlich für den Warentransport von China durch Kasachstan Richtung Europa konzipiert. Der Nutzen für die Bevölkerung wird sich in Grenzen halten.

Am 5. und 6. Dezember war der neue kasachische Staatschef Kassym-Schomart Tokajew zu Gast in Berlin. Kasachstan hat Zugang zu fast allen Elementen des Periodensystems. Das letzte Rohstoffabkommen von 2012 lieferte bislang nicht die geplanten Erfolge. Ob die zuletzt in Berlin gediehenen Absichtserklärungen zwischen beiden Seiten konkret mit Leben gefüllt werden können, wird sich zeigen. Falls nicht, wird es für Kasachstan in absehbarer Zukunft nur wenige Handlungsalternativen zu China geben.

Lukas Kunzmann

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