Georgien ist das Heimatland von Josef Stalin. In seiner Geburtsstadt Gori befindet sich das Josef-Stalin-Museum. Noch zu Zeiten der Sowjetunion wurde es als Huldigung an den verstorbenen Diktator eröffnet. Heutzutage steht es in der Kritik, die Geschichte zu beschönigen. Dennoch gibt es nur wenige Bestrebungen, daran etwas zu ändern. Eine Reise in die Vergangenheit.

Es ist kalt. In eine dicke Winterjacke gehüllt, mit Handschuhen und Mütze, führt uns Olga durch die Ausstellungsräume, in denen einen von allen Seiten Stalin anblickt. Im nüchternen Ton erzählt sie, was auf den Bildern zu sehen ist: „Hier ist Stalin mit Roosevelt und Churchill in Teheran. Und hier auf der Konferenz von Jalta. Hier sieht man ihn in Potsdam.“ Was Stalin in diesen Städten gemacht hat, muss man aus dem Geschichtsunterricht schon selbst wissen.

Im georgischen Gori, der Geburtsstadt von Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili, befindet sich das Josef-Stalin-Museum. 1957 eröffnet, besteht das Museum heute aus drei verschiedenen Einheiten. Bereits vor dem Museum wird man von Stalin begrüßt. Beim Betreten des Hauptgebäudes führt dann ein langer roter Teppich zwischen Säulen eine Treppe hinauf, an dessen Ende eine weitere Stalin-Statue steht. In den ersten vier Hallen wird sein Leben chronologisch dargestellt – Stalin vor und während der Oktoberrevolution, Stalin als Parteiführer, Stalin als Generalissimus im Zweiten Weltkrieg. Im vierten Saal ist eine seiner zwölf Todesmasken zwischen Marmorsäulen aufgebahrt. In den verbleibenden Räumen kann man die Geschenke bewundern, die der Diktator von anderen Staatsoberhäuptern aus aller Herren Länder erhalten hat, sowie einige persönliche Dinge und sein Arbeitszimmer.

An dem Museum scheiden sich die Geister. Die einen meinen, man sollte über die Taten des Diktators aufklären, wenn sie nicht gar in den Mittelpunkt stellen. Die anderen sehen eine Metaebene, laut der das heutige Museum das Museum der 1950er Jahre und die damalige Verehrung für Stalin darstellt, in dem man die Gestaltung für sich sprechen lassen sollte.

„Wir versuchen, alles neutral darzustellen, Stalin weder zu glorifizieren noch zu verteufeln“, erklärt Sopo, die seit fünf Jahren in dem Museum arbeitet. Unter der Regierung Saakaschwili gab es Bestrebungen, es in ein „Museum für Stalinismus“ umzuwandeln, insbesondere nach dem Krieg mit Russland 2008. Doch seit dem Regierungswechsel 2012 liegen diese Pläne auf Eis.

Vor sechs Jahren wurde schließlich ein weiterer Raum eröffnet, der den Repressionen gewidmet sein soll. In der Kammer unter der Treppe riecht es dank der nebenan gelegenen Küche nach Frittiertem. Zu sehen sind eine Zelle und ein Schreibtisch, der symbolisch für die Unterzeichnung von Deportationsbefehlen stehen soll. Ob dieser Raum zur Führung gehört oder nicht, hängt wohl vom jeweiligen Guide ab. Wir mussten zumindest extra danach fragen.

Auf dem Platz vor dem Museum befindet sich Stalins kleines Geburtshaus, das mittlerweile an eine Art Tempel erinnert. Daneben ist sein persönlicher Eisenbahnwaggon ausgestellt, in dem er unter anderem zu den Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam gekommen war. In dem mit rotem Holz ausgekleidetem Waggon befinden sich mehrere Abteile für seinen Stab, eine Küche, ein Bad inklusive Wanne und ein Konferenzraum.

Jedes Jahr kommen mehr Touristen nach Gori. Darunter viele „Stalin-Fans“, sagt Sopo. Für 2016 rechnet man mit 80.000 Besuchern. Zurzeit scheint es keine Pläne dafür zu geben, diesen einen kritischeren Blick auf die Geschichte zu bieten. Für die Kleinstadt ist der Kult um ihren bekanntesten Sohn immerhin auch eine Einnahmequelle. In Souvenirshops und bei Straßenhändlern kann man von Streichholzschachteln über Tassen bis hin zu T-Shirts mit Stalins Konterfei alles erwerben.

Nach der kurzen Führung durch den Eisenbahnwaggon endet die etwa einstündige Tour mit Olga, die bereits seit 33 Jahren in dem Museum beschäftig ist. Inwiefern sich ihre Tour über die Jahre verändert hat, konnte ich sie leider nicht mehr fragen. Momentan führt sie einfach von Raum zu Raum und beschreibt, was dort zu sehen ist. Dabei beschönigt sie nichts und lässt doch einen wichtigen Teil der Geschichte weg.

Othmara Glas ist Alumna der Zentralasiatischen Medienwerkstatt (ZAM) und absolviert momentan ein Auslandssemester an der Staatlichen Universität in Tbilisi, Georgien.

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