Jährlich rasten bis zu 30 Millionen Wasservögel an den Gewässern Kasachstans. Für die Artenvielfalt spielt Kasachstan damit eine Rolle von globaler Bedeutung. Die Regierung verfolgt nun den Beitritt zur Ramsar-Konvention, einem Schutzkatalog für Feuchtgebiete

Am 2. März vereinte in Astana ein „Runder Tisch“ Regierungsvertreter aus dem Umweltschutzministerium, Mitarbeiter des UNDP-Projekts zum „Schutz ausgewählter Feuchtgebiete Kasachstans“ und Vertreter von nationalen und internationalen Umweltschutzorganisationen. Diskutiert wurden aktuelle Fragen im Zusammenhang mit der Ratifizierung und dem Beitritt Kasachstans zur Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete.

Die Seen und Flüsse Kasachstans ernähren mit mehr als 130 Arten die größte Anzahl von Wasservögeln in Asien überhaupt. Zahlreiche Arten nutzen die Gewässer des Landes als Nistplatz. Die größte Anzahl und Vielfalt an Brutpaaren weisen das Gebiet der Tengis-Korgalzhyner Seen im Norden Kasachstans, die zahlreichen kleinen Seen im Norden des Landes, die Unterläufe der Flüsse Irgis und Torgaj sowie die Seen am mittleren Ural und am Irtysch auf. Die jährliche Anzahl der Brutpaare erreicht bis zu vier Millionen.

Am beeindruckendsten hinsichtlich Maßstab und Anzahl ist jedoch der halbjährliche Vogelzug der Wasservögel. Auf dem Territorium Kasachstans kreuzen sich zwei der weltweit wichtigsten Vogelzugwege: der zentralasiatisch-indische und der eurasisch-afrikanische Migrationsweg. Die in den Ebenen West- und Ostsibiriens bis hin zur arktischen Küste nistenden Vögel wandern im Winter nach China, Indien, nach Südasien, auf die Arabische Halbinsel und nach Nordafrika. Aktuellen Studien zufolge rasten jährlich bis zu 30 Millionen Wasservögel an Gewässern Kasachstans. Für die Artenvielfalt der Erde spielt Kasachstan mit seinen Feuchtgebieten eine Rolle von globaler Bedeutung.

Feuchtgebiete wie Bäche, Flüsse, Quellen und Moore sind ein ökologisch wichtiger Teil im globalen Wasserkreislauf. Sie sind nicht nur wertvoller Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere, sondern dienen der Trinkwasserversorgung, sind Nahrungsquelle und Grundwasserspeicher – als natürliche Filtersysteme haben sie eine wasserreinigende Wirkung und als Speicherzonen reduzieren sie die Gefahr von Überschwemmungen.

In der iranischen Stadt Ramsar am Kaspischen Meer unterzeichneten 1971 18 Staaten das „Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Wattvögel von internationaler Bedeutung“, kurz die Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete. In diesem zwischenstaatlichen Vertrag setzten sich die Unterzeichner für den Erhalt und die schonende Nutzung von Feuchtgebieten durch nationale Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit zum Ziel. Das Abkommen beruht auf drei Säulen: der Förderung einer sinnvollen Nutzung von Feuchtgebieten, der Entwicklung internationaler Kooperation und der Schaffung eines Netzwerkes von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung. Die Vertragspartner verpflichteten sich unter anderem, mindestens ein Feuchtgebiet in die sogenannte Ramsar-Liste der Feuchtgebiete internationaler Bedeutung einzutragen, sie in nationale Flächennutzungspläne aufzunehmen und sie als solche zu erhalten. Außerdem sollen Feuchtgebiete als Schutzgebiete ausgewiesen werden, und die Ausbildung von Personal für Management und Forschung ist Teil der Konvention.

Frischwasser ist eine der wichtigsten Ressourcen überhaupt. Dennoch sind Feuchtgebiete ständigem Zerstörungsdruck ausgesetzt. Die Ramsar-Konvention ist das einzige Umweltabkommen über ein spezielles Ökosystem und der erste zwischenstaatliche Vertrag weltweit, der Schutz und nachhaltige Nutzung kombiniert. War die Konvention ursprünglich auf den Schutz der Feuchtgebiete ausgerichtet, um Wasservögel zu schützen, so hat sich die Zielrichtung über die Jahre des Bestehens grundlegend erweitert. Die Konvention war stets ihrer Zeit voraus. Sie vereinte von Beginn an Regierungen, Nichtregierungs- und internationale Organisationen sowie die lokale Bevölkerung in Partnerschaften. Aktuell (Stand vom 18.April 2005) gehören dem Abkommen 145 Staaten an. Auf der Ramsar-Liste stehen derzeit 1.429 Flächen von insgesamt mehr als 125 Millionen Hektar. Diese weltweite Anerkennung der global bedeutendsten Feuchtgebiete ist ein effektives Instrument, das Staaten hilft, ihre in Bezug auf nachhaltige Entwicklung gesteckten Ziele zu erreichen, sie weiterzuführen und Armut zu bekämpfen. Die Konvention hat eine grundlegende Wahrnehmungsänderung bewirkt und die Anerkennung für die traditionell als unerwünscht gesehenen Feuchtgebiete stark erhöht.

Die Bemühungen um den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Feuchtgebiete Kasachstans werden zur Zeit an drei ausgewählten Projektgebieten demonstriert. Die Regierung der Republik Kasachstan, unter der Federführung der Ministerien für Umweltschutz, Landwirtschaft und mit finanzieller Unterstützung von GEF (Global Environmental Facility), eines UN- Fonds, in den reiche Länder Geld einzahlen, um den Umweltschutz zu unterstützen, führen derzeit das Projekt „Komplexer Schutz vorrangiger, global bedeutsamer Feuchtgebiete als Lebensraum für Zugvögel: Demonstration auf drei Projektgebieten“ durch. Dem sperrigen Begriff entspricht die Komplexität des Projektes selbst.

Auf dem Gebiet Kasachstans liegen über 30 Feuchtgebiete, die die Kriterien der Ramsar-Konvention erfüllen oder übererfüllen. Jedes der drei ausgewählten Projektgebiete soll exemplarisch eine Lösung zu einer bestimmten Herausforderung für Management, effektiven Schutz und nachhaltige Nutzung der Feuchtgebiete Kasachstans demonstrieren. Ausgewählt wurden das Delta des Ural, das Gebiet der Tengiz-Korgalzhyner Seen und der Komplex der Seen Alakol und Sassykol.

Seit Sommer 2004 ist der Mitarbeiterstab des Projektes vollständig. Zur Zeit laufe die Inventarisierung der drei Projektgebiete, würden umfassende sozioökonomische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, zu Vögeln, Insekten und Vegetation durchgeführt, berichtet Til Dieterich, der leitende technische Berater im Projekt. Dieterich, der aus dem Mitarbeiterstab von Professor Michael Succow, einem deutschen Botanikprofessor stammt, ist ein langjähriger Begleiter der Schutzaktivitäten in der kasachischen Steppe. Er forschte zum Regenerierungsvermögen von Ackerbrachen in der Neulandzone und begleitete die Bemühungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) um die Aufnahme des Tengis in die Weltnaturerbe-Liste der UNESCO und seine Ernennung als UNESCO-Biosphärenreservat. Seine Hauptaufgabe im Projekt sieht er darin, die Erfahrungen und das Know-how, die sich im Westen angesammelt haben, dem Projekt zugänglich zu machen.

Die umfangreiche Gegenfinanzierung für das Feuchtgebietsprojekt von kasachstanischer Seite, die Voraussetzung für seine Umsetzung war, zeigt, dass der Schutz von Feuchtgebieten wohl eine Priorität kasachstanischer Umweltpolitik ist. Allerdings besteht zur Zeit kein genereller Schutz für Feuchtgebiete, weil für die Regierungsseite die Wertschöpfung als Wasserquelle, Erholungsgebiet und Filtermechanismus im Vordergrund stehen. Dieterich konstatiert, dass die Monetarisierung der Funktion der Feuchtgebiete derzeit keineswegs ausgeprägt sei. Der Schutz der Feuchtgebiete spare Kosten, denn die Kosten für eine künstlicher Errichtung oder Wiederherstellung von Feuchtgebieten, ihre Regeneration oder künstliche Substituierung ihrer Funktionen seien viel höher, als der Erhalt des Status quo, der Feuchtgebiete, die quasi gratis zur Verfügung stehen. Die schmerzliche Erfahrung mit dem Aralsee habe gezeigt, dass die Schädigung die eine Nachgabe gegenüber kurzfristigen Gewinninteressen verursacht, um vieles höher ist, als ihr Nutzen. Ein funktionierendes Ökosystem biete langfristig einen um vieles höheren Nutzen, so für die Fischereiwirtschaft, denen die durch die Baumwollwirtschaft degenerierten Böden gegenüberstehen. Dieterich formuliert es drastischer: „Die Zerstörung der Ökosysteme ist quasi volkswirtschaftlicher Blödsinn“.

Wie lässt sich diese Erfahrung in das Bewusstsein der Akteure bringen, wie implementieren? „Die Orientierung an den international vorhandenen Instrumenten genügt“, bemerkt Dieterich. „Die Ramsar-Konvention berücksichtigt diese Aspekte und propagiert eine sinnvolle Nutzung der Feuchtgebiete.“ Bislang sei jedoch der Beitritt Kasachstans zum Ramsar-Abkommen an den notwendigen Beitragszahlungen gescheitert.

Die Bemühungen um einen Beitritt Kasachstans zur Ramsar-Konvention gehen weiter. Und die internationale Zusammenarbeit in Fragen des Umweltschutzes blickt auf eine langjährige Tradition zurück – hier besteht schon eine Übereinstimmung mit den Forderungen des Abkommens.

Teilen mit: