Wie Phoenix aus der Asche ist Kasachstan in die Forbesliste der Superreichen aufgestiegen. Drei von weltweit 691 Dollar-Milliardären haben ihren Wohnsitz in Almaty. Auf ihre Einwohnerzahl bezogen ist die Wirtschaftsmetropole Zentralasiens eine wahrhaftige Milliardärsstadt.
Ein Bummel durch Almaty könnte den Anschein erwecken, man wandle in London oder Paris. An Edelboutiquen und schicken Limousinen mangelt es nicht. Neben Bürotürmen werden Luxusquartiere im künstlichen Palmenparadies Jebel Ali vor Dubai angepriesen. Geld gibt es in Almaty, und erstmals spricht die Forbesliste der Reichen darüber. Forbes, das New Yorker Verlagshaus mit Tradition und Renommee, publiziert jahrein, jahraus eine Liste der Geschäftsleute dieser Welt, die den Olymp der Milliardäre erstiegen haben. Spitzenreiter ist Bill Gates, der 46,5 Milliarden US-Dollar sein Eigen nennen kann. Als reichster Deutscher liegt der Aldi-Mitgründer Karl Albrecht mit 18,5 Milliarden auf Rang acht. Im Schnitt verfügen die 691 Dollar-Milliardäre des Jahres 2005 über 2,2 Billionen an Vermögen und kommen aus 47 Nationen. Darunter sind erstmals Wirtschaftskapitäne aus Polen, der Ukraine und eben auch drei aus Kasachstan.
Mehr Superreiche: Jetzt auch drei Kasachen
Zuvor war Zentralasien, in Milliardären gerechnet, ein weißer Fleck. Noch 2004 listete Forbes Vermögensmilliardäre aus Westeuropas Metropolen, Russland und China auf. Die Weiten und Höhen Zentralasiens schienen frei von Superreichen. Nach der Glamourmetropole Moskau und Schaltstellen der Rohstoffindustrie in der sibirischen Steppe – wie Magnitogorsk oder Surgut – waren auf der Forbes-Milliardärkarte erst an der chinesischen Südostküste mit Hong Kong, Schanghai und Peking Städte mit Milliardären vermerkt. Somit haben die drei Neumilliardäre mit Wohnsitz in Almaty im Forbes-Ranking eine geographische Lücke in der Vermögensweltkarte geschlossen. Bezogen auf seine knapp 15 Millionen Staatsbürger, ist Kasachstan mit drei Milliardären ein Land mit reichlich Superreichen. Würde man exakt eine Million Kasachen in der Steppe aufstellen, dann wären statistisch 0,2 Milliardäre von ihnen – in China (ohne Hong Kong) wären es nur 0,002. Damit liegt die Relation Gesamtbevölkerung in Millionen zu Anzahl der Milliardäre auf dem Niveau Frankreichs oder Japans und knapp an Australien oder Saudi-Arabien. Länder wie Brasilien, Mexiko, Polen, Südafrika oder die Ukraine distanziert Kasachstan bei dieser Kennzahl deutlich. Nur in Großbritannien, Deutschland oder den USA findet man unter einer Million durchschnittlicher Bürger mehr Milliardäre. In Deutschland sind unter einer Million statistischer Otto-Normalbürger 0,6 Milliardäre, in den USA gelten von einer Million statistischer Uncle Sams 1,2 als superreich.
Immobilien- und Ölboom machen Milliardäre
Weltweit haben sich die Superreichen in den letzten Jahren merklich vermehrt. Vor drei Jahren deutete Forbes die Gesamtzahl der 476 Milliardäre noch mit den Worten: „Terrorismus und die dahinsiechende Konjunktur machen es dieser Tage für den ,Otto-Normalverbraucher,, schwer, eine Milliarde Dollar zu verdienen.” Eine robuste Weltwirtschaft und deren Triebkräfte haben seitdem über 200 frischgebackene Vermögensmilliardäre beschert. Denn der, der schon Vermögen hat, profitiert meist von in Boomzeiten steigenden Immobilien– und Rohstoffpreisen und manch ein Milliardär macht heute in den dynamischen Massenvolkswirtschaften Chinas, Indiens oder Russlands gute Geschäfte. Faktoren, von denen auch Pathokh Schodijew, Alischan Ibragimow und Alexander Maschkewitsch, die drei in der Rangliste aufgeführten Superreichen Kasachstans, profitiert haben. Schodijew, Ibragimow und Maschkewitsch kontrollieren die Eurasia-Group. Tätig ist das Konglomerat in den Sektoren Bau, Finanzdienstleistungen und Rohstoffe. China gehört zu den wichtigen Absatzmärkten der Eurasia-Group. Der Jahresumsatz der Holding wird auf fünf Milliarden Dollar geschätzt, das Privatvermögen der drei Magnaten Almatys auf je eine Milliarde US-Dollar. Heute haben alle drei die Staatsbürgerschaft Kasachstans. Ibragimow und Schodijew sind allerdings gebürtige Usbeken. Letzterer hat zugleich noch die Staatsbürgerschaft Belgiens. Maschkewitsch, der dritte im Bunde, kommt aus Kirgisien und ist heute der Staatsbürgerschaft nach Kasache und Israeli zugleich. Ähnlich wie manch russischer Oligarch nennt Schodijew einen nach ihm benannten Wohltätigkeitsfonds sein Eigen. Maschkewitsch präsidiert dem Euro-Asian – Jewish-Congress. Er ist eine wichtige Figur im World Jewish Congress. Die drei illustren Vermögensmilliardäre Almatys zeigen, dass die Stadt die Wirtschafts- und Finanzmetropole Zentralasiens ist. Sie lockt allerlei Geschäftsleute aus der ganzen Region. Kasachstan ist das Land Zentralasiens, in dem man derzeit Geschäfte unter recht soliden Rahmenbedingungen machen kann. In der Forbes-Liste sind die drei Milliardäre Almatys allerdings in zwielichtiger Gesellschaft. Nicht nur ihnen wird manch unehrbares Kaufmannsverhalten vorgeworfen. In der Forbesliste finden sich auch andere Geschäftsleute, die mit Vorsicht zu genießen sind. Beispielsweise die Ölmagnaten Russlands oder Jan Kulczyk, der reichste Mann Polens, dem Verbindungen zum russischen Geheimdienst nachgesagt werden, oder auch der in Buchara geborene russische Milliardär Iskander Machmudow, der seine 1,6 Milliarden Dollar durch nebulöse Kontakte nach Libyen und in den Irak angehäuft haben soll.
Mittellosigkeit in der Milliardärmetropole
Potenzial für gesellschaftlichen Wohlstand hat Kasachstan dank seiner Rohstoffe und soliden makroökonomischen Kennzahlen. Im Ganzen ist Kasachstan trotz seines Reichtums aber ein armes, reiches Land. Die Weltbank schätzt das Pro-Kopf-Einkommen Kasachstans in lokaler Kaufkraft auf aktuell 2.250 US-Dollar – zugleich leben rund 15 Prozent der Kasachen unter dem offiziellen Existenzminimum. Anders ausgedrückt: Die zehn reichsten Prozent der Bevölkerung bestreiten 26 Prozent der Konsumausgaben, die unteren zehn Prozent der Kasachen stehen für drei Prozent des Einkommens. Zwei Prozent der Kasachen müssen mit weniger als einem Dollar am Tag über die Runden kommen. Spiegelbildlich für die sozialen Diskrepanzen in Kasachstan ist der neue Status Almatys als Milliardärmetropole. Berechnet man die Relation Einwohner in Millionen zu Milliardären, dann liegt Almaty, relativ gesehen, auf dem Niveau von London, Hong Kong und sogar vor Tokio oder München. Würde man eine Million Bürger Almatys auf dem Dostyk-Boulevard in einer Reihe aufstellen, dann wären 2,7 von ihnen Milliardäre. In London wären es 2,5, in Tokio und München wären es nur 1,3 respektive zwei. Bei der Relation Milliardäre pro Million Einwohner hat Almaty Sydney oder Singapur, aber auch Moskau hinter sich gelassen. Mit Milliardärmetropolen wie New York oder Las Vegas, aber auch Hamburg oder der heimlichen deutschen Milliardärsmetropole Stuttgart kann es Almaty noch nicht aufnehmen. Unter einer Million Einwohner könnte man dort zwischen vier bis sechs Milliardäre treffen. Alle Dimensionen sprengt Monaco. Würde hier eine Million Menschen leben, dann wären 125 von ihnen Milliardäre. Man darf gespannt sein, wie viele Milliardäre Almaty in Zukunft hat, aber einen gewichtigen Unterschied gibt es zwischen Monaco und Almaty: Abseits der Spielcasinos und Edelrestaurants trifft der Flaneur auf Almatys Straßen Rentner, die versuchen, sich durch den Verkauf von allerlei Kleinigkeiten über Wasser zu halten oder mit kaputtem Schuhwerk vor Gotteshäusern sitzen und auf Almosen hoffen.
Von Gunter Deuber
10/02/06