Immer mehr illegale Wirtschaftsflüchtlinge sind in Zentralasien unterwegs. Vertreter der betroffenen Länder und Repräsentanten der wichtigsten internationalen Organisationen haben sich in Almaty zu einer Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Internationalen Zentrum für Flüchtlingspolitik und Entwicklung (ICMPD) getroffen.

Mit großen Erwartungen waren die Teilnehmer in die kasachische Metropole gereist. Erstmals trafen sich Regierungsvertreter aller zentralasiatischen Staaten und Russlands sowie Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen. Auch Repräsentanten der wichtigsten internationalen Institutionen, wie beispielsweise der UN, der OSZE, der Weltbank und der Europäischen Kommission nahmen an der zweitägigen Konferenz teil. Hintergrund der Veranstaltung ist die beunruhigende Entwicklung auf dem zentralasiatischen Arbeitsmarkt.

Korruption und Menschenrechtsverletzungen

Eine steigende Anzahl illegal eingereister Arbeitskräfte aus Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan drängt auf den kasachischen und russischen Arbeitsmarkt. Dies stellt sowohl die Herkunftsländer als auch die Aufnahmeländer vor neue Herausforderungen. Laut Bernard Snoy, Koordinator für Wirtschafts- und Umweltangelegenheiten bei der OSZE, sind die eigentlichen Probleme der wachsenden Wanderungsströme fehlende länderübergreifende Regelungen und eine unzureichende Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Staaten. Auch die Beziehungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen seien bislang unzureichend entwickelt. In sechs Sitzungen entwarfen die Teilnehmer der Konferenz Strategien für die zukünftige Migrationspolitik. Die gezielte Lenkung der Arbeitsmigranten stand dabei im Mittelpunkt der Diskussion.

Der OSZE zufolge gehen derzeit in Kasachstan rund eine halbe Million Arbeitnehmer einer illegalen Beschäftigung nach. Ein Großteil davon stammt aus Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan. Besonders betroffen sind saisonabhängige Wirtschaftsbereiche, wie der boomende Bausektor und die Baumwollproduktion im Süden des Landes. Der Einfluss der Einwanderungen von Arbeitskräften auf die kasachische Wirtschaft ist dabei von gegensätzlicher Natur, so Serik Aidossow, Direktor des soziologischen Forschungszentrums in Schimkent. Zum einen füllen die Massen an unqualifizierten Billiglohn-Arbeitern bestehende Lücken auf dem Arbeitsmarkt und stabilisieren diesen, zum anderen verursachen illegale Beschäftigungen immense Steuerausfälle und fördern die Schattenwirtschaft. Letztere zieht weitere Probleme nach sich, wie beispielsweise die Zunahme an Korruption und Menschenrechtsverletzungen, betont der Experte der Menschenrechtskommission der kasachischen Regierung. Snoy unterstreicht noch, dass die ausländischen Arbeiter ohne Rechtsansprüche den lokalen Arbeitgebern hilflos ausgeliefert sind. Trotzdem ist die Flut der Wirtschaftsflüchtlinge nach Kasachstan und Russland weiterhin ungebremst. Diese Entwicklung bleibt auch in den Ursprungsländern der Migranten nicht ohne Folgen. Ganze Landstriche werden regelrecht von Arbeitskräften entleert, so Aidossow.

Das Internationale Zentrum für Flüchtlingspolitik und Entwicklung (ICMPD) sieht die Bekämpfung illegaler Auswanderung nicht als einziges Ziel der Gemeinschaftskonferenz in Almaty an. Vielmehr gilt es, gemeinsam mit allen Beteiligten bessere Bedingungen für eine temporäre legale Beschäftigung ausländischer Migranten zu schaffen und bisherige rechtsfreie Räume zu beseitigen. Nach Forderungen der OSZE müssen dafür umfassende politische Abkommen zwischen den Herkunfts- und Aufnahmeländern in den Bereichen Arbeits- und Visarecht getroffen werden. Weiter seien eindeutige Regelungen für Rentenansprüche erforderlich als Anreiz für eine Rückkehr in die Heimatländer.

Bernard Snoy erläutert: „Das gemeinsame Ziel aller Teilnehmer sollte es sein, bessere Grundlagen für temporäre Migration zu schaffen und damit die Bereitschaft zur Rückkehr zu erhöhen. Dies entlastet nicht nur die kasachische Wirtschaft, sondern schafft auch ein positives Gründungsklima in den Herkunftsländern. Neu erlernte Fähigkeiten und mitgebrachtes Kapital erleichtern den Weg in die Selbständigkeit. Das schafft Arbeitsplätze und bremst die Abwanderung.”

Positive Bilanz

Insgesamt sind die Initiatoren der Almatyer Konferenz mit dem Ergebnis zufrieden. Neben der Übereinkunft zur Stärkung der Gesetzgebung im Kampf gegen den Menschenhandel wurde intensiv über Veränderungen in der Visa-, Steuer-, Renten- und Versicherungspolitik diskutiert.
Bernard Snoy von der OSZE faßt zusammen: „Der Hauptnutzen dieser Konferenz ist, dass über die wichtigsten Problempunkte gemeinsam geredet wurde. Es hat sich gezeigt, dass wir mit der Einbeziehung Russlands als größtes Einwanderungsland neben Kasachstan nicht ganz falsch lagen. Jetzt liegt es an den Teilnehmern, Ideen für Pilotprojekte zu liefern, die gegebenenfalls von der OSZE gefördert werden und helfen, wichtige Erkenntnisse für eine zukünftige Migrationspolitik zu gewinnen. Trotz der positiven Ergebnisse der Almatyer Konferenz liegt jedoch noch immer ein gutes Stück Arbeit vor uns.”

Von Angela Lieber und Mathias Fritsche

10/02/06

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