Nachdem in den letzten Monaten staatliche Mittel in gewaltigem Umfang in die Wirtschaft gepumpt worden sind, beginnt man sich nun um die anstehende Inflation zu sorgen. Dabei ist im Moment von dieser weit und breit nicht viel zu sehen. In den letzten Wochen ist die Inflationsrate in Deutschland bei Null Prozent angekommen und in Kasachstan ist sie wieder in den einstelligen Bereich, knapp unter die Zehnprozentmarke gefallen. Dennoch herrscht stärkste Inflation, allerdings nicht der Preise, sondern der Vorhersagen des Endes der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise.

Nachdem der Chef der US-Notenbank von den ersten „grünen Trieben“ gesprochen hat, und eine Reihe von Konjunkturindikatoren etwas Hoffnung machen, schießen Spekulationen über den bevorstehenden Aufschwung oder zumindest über das Ende der Talfahrt ins Kraut. Inzwischen kennt die Kommunikation nicht nur die grünen Triebe, sondern auch „black shoots“ (steigende Ölpreise) und den „red way“ zur Beschreibung der mit China verbundenen Hoffnung auf einen Aufschwung. Eine recht bunte Farbenmischung hat sich breit gemacht, und die Welt lechzt ja auch nach positiven Nachrichten, die schon irgendwie bunt sein sollten.
Die Weltbörsen haben die Belebung durch ihren Aufschwung der Wertpapierindizes schon kräftig vorgefeiert, ohne allerdings zu wissen, ob sie wirklich kommt. Die wirkliche Lage der Realwirtschaft jedenfalls kann die Steigerung der Aktienwerte seit Jahresanfang um 30 Prozent und mehr nicht begründen. Offensichtlich ist durch die staatliche Geldschwemme auch bei einer Reihe von Investoren wieder viel und zudem relativ billiges Geld – infolge niedriger Zinssätze der Nationalbanken – vorhanden, das möglichst schnell anlegt sein will oder muss.

Doch es gibt eine Reihe von Alarmsignalen, die gegen einen baldigen Aufschwung sprechen und den Zweckoptimismus, den Politiker und Notenbankchefs berufsmäßig wohl verbreiten müssen, als nicht belastbar qualifizieren. So wird stark auf China als Motor der weltweiten Konjunkturbelegung gesetzt, weil dort mit einem Wachstum des BIP von etwa 6 Prozent in diesem Jahr gerechnet wird. Doch die Gewinne der chinesischen Unternehmen sinken um bis zu 30 Prozent, was zu einem Druck auf die Kosten führt. Deren Senkung ist kurzfristig am einfachsten durch Entlassung von Personal zu erreichen. Dadurch sinkt dann wieder die Beschäftigung, damit das Gesamteinkommen und in der Folge die Binnennachfrage. China als weltweiter Entwicklungsmotor – das ist noch lange nicht sicher.

Das zweite Alarmsignal ist die weltweite Kreditklemme. Davon spricht man, wenn die Geschäftsbanken dem Wirtschaftskreislauf nicht genügend Liquidität in Form von Geschäftskrediten bereitstellen und so selbst gesunde Unternehmen mit gut gefüllten Auftragsbüchern Existenzprobleme bekommen. Die Geschäftsbanken eigentlich aller Länder haben von ihren Nationalbanken in den letzten Monaten mehr als genügend Finanzmittel bekommen, ohne dafür allzu viel bezahlen zu müssen. Aber bei weitem nicht alle diese Mittel werden an den Realsektor, also die produzierenden Unternehmen weitergegeben, weil die Banken das in Krisenzeiten objektiv hohe Risiko des Kreditausfalls möglichst gering halten wollen. In einigen Ländern wird deshalb schon laut darüber nachgedacht, den Unternehmen von der Zentralbank aus direkt, also unter Umgehung der Geschäftsbanken, Kredite zu vergeben. Sicher wird mit lautem und publikumswirksamem Nachdenken bewusst Druck auf den Bankensektor aufgebaut, denn so einfach ist ein solcher Prozess nicht. Schließlich müsste die Nationalbank zunächst eigene Kapazitäten aufbauen oder erweitern, um Kreditanträge aus dem Realsektor sachkundig prüfen zu können. Für diese Aufgabe sind schließlich die Geschäftsbanken da. Sie haben das entsprechende Know-how. Hinzu kommt, dass die meisten Banken erst einen relativ geringen Teil der problematischen Wertpapiere in ihren Büchern abgeschrieben haben und sich auch aus diesem Grund sehr vorsichtig bei der Vergabe neuer Kredite verhalten müssen.

Das Problem Nummer drei ist der amerikanische Verbraucher, der in den letzten Jahren die Weltkonjunktur durch seinen nicht enden wollenden Verbrauch immer neu angetrieben hat. Der Schönheitsfehler war allerdings, dass der Durchschnittsamerikaner das meiste auf Pump kaufte, also kaum etwas gespart hat. Das hat sich in den letzten Monaten geändert: Im Durchschnitt sparen die Amerikaner im Moment etwa 7 Prozent ihres Durchschnittseinkommens. Das ist zwar volkswirtschaftlich gut, dieses Spargeld verringert im Moment aber die Nachfrage und ohne Nachfrage keine Produktion.

Die Inflation der Erwartungen verdrängt diese Fragen, so dass sich sehr schnell wieder Enttäuschung und mehr aufbauen, wenn diese drei Faktoren nicht positiv aufgelöst werden können.

Bodo Lochmann

17/07/09

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