Gruppenbild mit Mülleimer, Apfelblüte in Almaty oder zerfließende Wasserimpressionen – in der gemeinsamen Ausstellung „Öko-Echo“ zeigten acht junge Fotokünstler Mitte Mai in der Galerie Tengri-Umai in Almaty die Spuren menschlichen Handels. Im Rahmen des Jahres „Deutschland in Kasachstan 2010“ erarbeitete die renommierte Fotografin Loredana Nemes mit Künstlern aus Kasachstan individuelle Positionen zum Thema Umwelt und Fotografie.

/Bild: Christine Karmann/

Nimmt die Natur die Menschen ein oder nehmen wir die Natur ein? Alexej Schindin setzte Blätter der Sonnenstrahlung aus, indem er sie mit einer Plastiktüte zwischen zwei Glasplatten legte. Der Grünanteil wich aus den Pflanzen, und der Schriftzug der Einkaufstüten blieb auf den Blättern, als ob die Sonne ein Foto gemacht hätte.

Der Absolvent der Kunstakademie wohnt außerhalb Almatys und sammelte auf seinem Weg in die Stadt rätselhafte Schriften aus den 80er Jahren, die vor den Gefahren der Röntgenstrahlen warnen. Fotos der modrigen Dokumente installierte Alexej Schindin zusammen mit Bildern bemooster Schuhe und Plastiktüten-Blättern zu seiner Arbeit, die zeigen soll, dass früher oder später die Natur alles verschlingt, was der Mensch erschaffen hat.

Umwelt und Fotografie

Alexej Schindin ist einer der acht Hobby-Fotografen, die zusammen mit der deutschen Fotokünstlerin Loredana Nemes einen individuellen Blick auf ihre Umwelt entwickelten. Nach drei Tagen Seminar im Goethe-Institut Almaty zum Thema „Umwelt und Fotografie“ und zwei Wochen intensiver Einzelarbeit mit Loredana Nemes präsentierten die jungen Künstler Mitte Mai in der Galerie Tengri-Umai die Ausstellung „Öko-Echo“ in Almaty.

Auf den Besucher warten Porträts von Menschen vor Mülleimern, daneben ein Besen an der Wand. Eine Arbeit, die mit dem Ort spielt und das touristische Porträt vor Sehenswürdigkeiten konterkariert. Bota San fotografierte für ihre Arbeit „Alma“ Apfelblüten, die einst ganz Almaty schmückten und heute nur noch in abgelegten Gärten in den Bergen oder umzäunt vor Hotels zu sehen sind. Durch die Technik der Überbelichtung schimmern die Blüten in pastelligen Rosa- und Weißtönen und betonen die Zerbrechlichkeit des Naturerlebnisses.

Ringen um Bilder

In der Serie „Aqua-Echo“ verschwimmen Flaschen in Pfützen zu malerischen Wasserbildern, ein Dialog zwischen Mensch, Kunst und Malerei. „Ob in Kopenhagen Klimakonferenzen stattfinden oder sich die Erde um ein Grad erwärmt, richtig nachvollziehen kann man die Ergebnisse erst, wenn man sich selbst vor Ort ein Bild seiner Umwelt macht“, sagt Loredana Nemes. Es war ein Ringen um Bilder und ein Kampf gegen die Zeit nicht nur für die acht jungen Künstler aus Kasachstan, auch für die Dozentin für Fotografie in Berlin war das Umweltthema ein völlig neuer Fokus.

Die Meisterwerke der Umweltfotografie wie Olaf Otto Beckers Eislandschaften, Peter Bialobrzeskis Bilder der Veränderungen in den Metropolen Asiens oder Markus Dorfmüllers Dokumentation der Skiindustrie in den Alpen inspirierten die Teilnehmer des Fotoseminars zu eigenen Experimenten mit der Kamera. Gaischa Madanowas Pflanzenbilder leuchten in grellen Farben und sind das Ergebnis eines nächtlichen Spiels mit künstlichem Licht vor einem Himmel ohne Sonne. Auch Jana Speranskaja fotografierte in der Nacht beleuchtete Straßen in Almaty, die ganz ohne Menschen und Autos ihre ganz eigene Lichterwelt bilden.

Knapp 200 Jahre nach der ersten Fotografie stellt das Hauptanliegen der Künstler nicht mehr das reine Abbilden im Mittelpunkt, sondern die Suche nach einer eigener Bildsprache. Alexej Filimonow hatte sich für das Stilmittel der Verdichtung entschieden und zeigte Sammelbilder von Autoreifen und getöteten Tieren. Bei dem Versuch, gute Bilder zu bekommen, begleitete Loredana Nemes die jungen Künstler, gab Tipps zu Technik und Ästhetik und half dabei, eine Sprache der Bilder zu finden, die das Projekt zusammenhält. Das Echo der Umwelt – eine intensive Konfrontation mit dem Leben.

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Loredana Nemes wurde 1972 in Sibiu (Hermannstadt), Rumänien geboren und siedelte 1986 nach Aachen über. Nach dem Studium der Germanistik und Mathematik an der RWTH Aachen zog sie 2001 nach Berlin, wo sie seither als freie Fotografin tätig ist. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählen die Serien Behind the Curtain, Rumänische Gesichter und Under Ground; in der letzteren sind die Menschen in den U-Bahnen der Welt in alltäglichen Situationen abgelichtet. Im letzten Jahr stellte die Fotografin ihre Arbeit Under Ground bereits in Almaty vor. Aktuell sind Loredana Nemes’ Bilder auf der „Art Cologne“ in Köln zu sehen – einer der wichtigsten Kunstmessen Europas.

Von Christine Karmann

21/05/10

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