Die Integration wirft viele Fragen auf. Und während wir nach Antworten suchen, machen wir uns das Leben eben gegenseitig schwer.
Auf dem taz-Kongress in Berlin wurden den ganzen Tag lang von Politikern, Experten und Bürgern Fragen zum Leben gestellt – und mehr oder weniger beantwortet. Eines der Foren fand zum Thema Integration statt. Wir gingen der Frage nach, warum wir Deutschen uns mit der Integration so schwer tun. Einerseits ist die Antwort relativ einfach, wenn ich mich auch mal einbringen darf. Es ist wie in allen Ländern: Die Menschen haben schlicht Angst vor dem Fremden. Und Angst, etwas zu verlieren. Der Mensch weiß gern, womit er es zu tun hat und wie alles morgen, übermorgen und in ein paar Jahren sein wird. Und der Mensch grenzt sich gern ab, eine Gruppe funktioniert intern besser, wenn es im Außen ein Feindbild gibt. Das sind natürliche Instinkte. Um sich von solchen Instinkten nicht verleiten zu lassen, braucht man Reflexionsvermögen. Das hat der Mensch. Aber man muss es auch benutzen. Das versäumen viele Menschen. Und bei einigen, die es benutzen, ist die Angst doch größer. Damit muss man umgehen. Aber wie?
Da saßen wir also, versuchten uns in schlauen Feststellungen und Forderungen und redeten uns dabei um Kopf und Kragen. Denn man muss Angst haben, irgendein Wort zu benutzen oder eine Maßnahme vorzustellen, irgendetwas daran ist mit Sicherheit falsch. Ob der Begriff Integration überhaupt passend sei und was das überhaupt heiße? Und wie soll man die Menschen benennen, um die es geht? Es gibt keinen Begriff, der nicht ein Stöhnen und Murren hervorrufen würde. Wer Deutschunterricht anbietet, macht sich schon verdächtig, denkt in jedem Fall zu kurz, und wer dafür auch noch Werbung macht, ist sich des Expertenzornes gewiss. Wer keine Statistiken verwendet, die den Migrationshintergrund erfassen, erkennt nicht an, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Wer solche Statistiken zitiert, soll gefälligst mit der Ethnisierung aufhören. Wer die sozialen Ursachen und Bedarfe der Integration benennt, hat sich schuldig gemacht, die ökonomischen Faktoren außer acht zu lassen. Und wenn man ein rassistisches Vorkommnis als Rassismus bezeichnet, geht man lieber gleich in Deckung. Und wenn man so gar nicht weiter weiß, einen Schuldigen oder ein gemeinsames Feindbild braucht, kann man immer noch den Politikern und Medien vorwerfen, dass sie eine ungeheuerliche Meinungsmache betreiben.
Selbst wem es gelingt, all die heiklen Begriffe zu umschiffen und einfach nur eine Frage stellt, wird zurechtgewiesen, dies sei ja gar nicht die Frage, die eigentliche Frage sei doch … Wenn jemand mit guten Ideen von der CDU ist, wird ihm unterstellt, dass er das gar nicht richtig wollen kann, weil er ja von der CDU und ergo stockkonservativ sei. Es wird nicht geschmeidiger, wenn man überlegt, wie man das Ding mit der Integration mit wem diskutiert. Wie nennt man den Diskussionsrahmen? Leitkultur? Oh Gott, nein, auf keinen Fall, geht natürlich gar nicht! Mit dem Volk? Aber das hat doch Angst, und eine angstgesteuerte Volksabstimmung? Nee, lieber nicht. In Dialogforen mit Experten? Zu exklusiv.
Wir Integrationsbefürworter haben es wahrlich nicht leicht miteinander. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Die Diskussion war alles in allem anregend, konstruktiv, unterhaltsam und fundiert. Und in einem Punkt sind wir uns immerhin einig: Wir sind dafür! …Oder ist das jetzt zu pauschal ausgedrückt?