Nach den Präsidentenwahlen vom November steht in Kasachstan die zweite große Wahl seit dem Umbau des politischen Systems an, den Präsident Tokajew vergangenes Jahr in die Wege geleitet hat. Diesmal stimmen die Kasachstaner in vorgezogenen Wahlen über das Unterhaus des Parlaments ab. Die Frist zur Registrierung von Kandidaten lief am vergangenen Samstag aus. Wir geben einen Überblick über Wahlsystem, Parteien und Kandidaten.
Wenn die Bürger Kasachstans am 19. März zu den Wahlurnen gerufen werden, um über die künftige Zusammensetzung des Unterhauses im Parlament zu entscheiden, wird vieles anders sein als bei vorangegangenen Wahlen. Denn erstmals greifen bei einer Parlamentswahl die neuen Regelungen, die Präsident Tokajew – als Reaktion auf die blutigen Januar-Unruhen – im März 2022 verkündete und später im Rahmen eines Verfassungsreferendums bestätigen ließ.
So werden die Sitze des Unterhauses (Maschilis) erstmals im Rahmen eines Mischverfahrens aus Verhältnis- und Mehrheitswahl vergeben. Bislang zogen von 107 Abgeordneten alle bis auf die neun Angehörigen ethnischer Minderheiten über Parteilisten ein, diesmal werden insgesamt 70 Prozent der nunmehr 98 Sitze auf diesem Wege vergeben und 30 Prozent an Direktkandidaten in den Wahlkreisen, die von Parteien unabhängig sein können. Die Sitze für Minderheitenvertreter sind inzwischen in den Senat übergegangen, das Unterhaus hat sich dadurch verkleinert.
Die Registrierung von Kandidaten für die Maschilis und die ebenfalls am
19. März zu wählenden Regional- und Lokalparlamente (Maslichati) durch die Zentrale Wahlkommission endete am vergangenen Samstagabend. Damit wurde auch die offizielle Wahlkampfphase eingeläutet, die nun bis einen Tag vor der Wahl andauern wird. Am Wahltag selbst ist Wahlwerbung untersagt.
Insgesamt sind sieben Parteien zur Wahl zugelassen, die 281 Kandidaten registrieren ließen:
Amanat, 90 Kandidaten
Die Regierungspartei steht auf Listenplatz 1. Bei der letzten Wahl 2021 holte sie –
noch unter ihrem damaligen Namen „Nur Otan“ mit über 71 Prozent eine überwältigende Mehrheit der Stimmen und hält seitdem 82 Prozent der Sitze in der Maschilis. Präsident Tokajew ist seit vergangenem April nicht mehr Mitglied. Grund: Im Zuge seiner eigenen politischen Reformen wurde dem amtierenden Staatschef die Mitgliedschaft in einer Partei bis zum Ende der Amtszeit verboten.
Volksdemokratisch-Patriotische Partei „Auyl“, 25 Kandidaten
Die Partei auf Listenplatz 2 ist bislang nicht im Unterhaus vertreten, ging aber 2021 mit knapp 5,3 Prozent zumindest in Sichtweite der hohen Sperrklausel von 7 Prozent ins Ziel. Indes konnte sie sich 2022 in Erinnerung rufen, indem sie mit Zhiguli Dairabajew jenen der Gegenkandidaten zu Amtsinhaber Tokajew aufstellte, der noch die meisten Stimmen holte. „Auyl“ vertritt die Interessen der Landbevölkerung und der Agrarindustrie.
Respublica, 23 Kandidaten
Auf Listenplatz 3 folgt mit Respublica eine von zwei ganz neuen Gruppierungen, die den Registrierungsprozess durchlaufen haben. Geführt wird die Gruppierung von Bejbit Alibekow, einem Geschäftsmann und Blogger, der zuvor nicht politisch in Erscheinung getreten ist. Bei der Gründung der Partei im August drückte Alibekow auf seinem Instagram-Account Unterstützung für das Reformprogramm Tokajews aus. Ziel von Respublica sei es, „tollwütige Populisten“ von der Macht fernzuhalten und die „Revanche des alten Kasachstan“ zu verhindern.
Volkspartei Kasachstans, 52 Kandidaten
Als einen Repräsentanten des „alten Kasachstan“ kann man durchaus den Vorsitzenden der Volkspartei Kasachstans Jermuchamet Jertysbajew sehen. Jertysbajew war viele Jahre lang Berater von Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew und hatte unter ihm weitere Posten im Staatsapparat inne – etwa als Kulturminister. Aus Unzufriedenheit mit seiner Parteiführung traten zuletzt mehrere Maschilis-Abgeordnete aus der Partei aus. Wohl auch deshalb versprach Jertysbajew vor drei Wochen, seinen Platz in der Maschilis freizumachen, sollte die Partei nur mit einer kleinen Fraktion dort vertreten sein. Bei den letzten Wahlen zog sie mit 9,1 Prozent als eine von drei Parteien in das Unterhaus ein. Sie vertritt nach eigenem Verständnis ein sozialstaatliches Profil und steht diesmal auf Listenplatz 4 zur Wahl.
Bajtak, 18 Kandidaten
Die zweite Partei, die jüngst neben Respublica als erste Gruppierung seit zwei Jahrzehnten erfolgreich die Registrierung als Partei durchlief, ist Bajtak auf Listenplatz 5. Als ökologische Partei tritt Bajtak vordergründig für grüne Themen ein. Wie Respublica wurde auch sie von einem Geschäftsmann gegründet. Azamatchan Amirtajew hatte vor seiner politischen Tätigkeit verschiedene Funktionen bei der staatlichen kasachischen Eisenbahngesellschaft „Kasachstan Temir Scholy“ inne.
Demokratische Partei Kasachstans „Ak Schol“, 54 Kandidaten
Ak Schol zog 2021 als zweitstärkste Kraft in die Maschilis ein und versteht sich dort als parlamentarische Opposition. Dennoch unterstützte sie im vergangenen Jahr gemeinsam mit den anderen beiden Parlamentsparteien die Präsidentschaftskandidatur Tokajews und dessen Reformprogramm. In die Neuwahlen geht Ak Schol indes geschwächt durch einen Skandal, der sich erst im Januar ereignete. Azamat Abildajew, zu dem Zeitpunkt Maschilis-Abgeordneter der Partei, erklärte öffentlich in einem Interview seine Unterstützung für Russlands Präsident Wladimir Putin und rechtfertigte den russischen Einmarsch in die Ukraine. Ak Schol machte daraufhin kurzen Prozess und schloss den Abgeordneten aus. Den Schaden relativ kurz vor der Wahl konnte sie damit jedoch nicht abwenden.
Ak Schol steht auf Listenplatz 6.
Nationale Sozialdemokratische Partei, 19 Kandidaten
Die Sozialdemokraten Kasachstans auf Listenplatz 7 spielen im politischen Wettbewerb keine wesentliche Rolle und kamen bei bisherigen Maschilis-Wahlen nicht über niedrige, einstellige Prozentwerte hinaus. Bei den Präsidentenwahlen im November schickten sie mit Nurlan Auesbajew einen eigenen Kandidaten ins Rennen, der aber mangels Bekanntheit ebenfalls nicht über knapp 2 Prozent der Stimmen hinauskam.
Die Bewerber um die Einzelwahlkreise
Auf die 29 Abgeordnetensitze, die per Direktwahl in den Wahlkreisen vergeben werden, bewarben sich laut Angaben der Zentralen Wahlkommission insgesamt 609 Kandidaten. 79 von ihnen wurden von Parteien aufgestellt, darunter 29 von der Regierungspartei Amanat. Fünf Kandidaten gehörten sonstigen gesellschaftlichen Vereinigungen an, die restlichen 525 bewarben sich als Unabhängige. Von diesen 609 Bewerbern auf die Direktmandate wurden 435 von der Wahlkommission zugelassen. Unter ihnen sind Vertreter von zehn Ethnien.