Warum Investoren zunehmend Usbekistan statt Kasachstan wählen.

Jahrelang galt Kasachstan als unangefochtener Liebling internationaler Investoren in Zentralasien. Erdöl, Uran, Logistikkorridor, eine vergleichsweise stabile Führung und westliche Offenheit machten das rohstoffreiche Land zum regionalen Investitionsmagneten. Doch ein Nachbar beginnt, dem Schwergewicht Konkurrenz zu machen: Usbekistan. Seit der Jahrtausendwende war das Land mit seinen kulturellen Heiligtümern entlang der alten Seidenstraße wirtschaftlich träge und autoritär verschrien. Noch 2014 verglich die norwegische Journalistin und Buchautorin („Sowjetistan“) Erika Fatland das Land mit Nordkorea. Seitdem hat sich viel verändert. Nach 2016 öffnete Usbekistan sich in rasantem Tempo und lockte zunehmend Kapital aus China, Europa und dem Nahen Osten.

Wettlauf um die Mitte Eurasiens – Taschkent dreht auf

Laut Daten der Weltbank flossen seit 2020 zwischen 4,5 und 7,1 Mrd. US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) nach Kasachstan. Zwar kamen die Investitionen nicht an das bisherige Spitzenjahr 2016 (17,2 Mrd.) heran, doch die Investitionen waren stabil. Im letzten Jahr kam es dagegen zu einem negativen Ergebnis, demnach haben ausländische Investoren mehr Geld aus Kasachstan entnommen, als sie investiert haben. Das ist erstmal kein Grund zur Sorge, da es meist Gewinne aus vergangenen Investitionen sind, doch die Dynamik lässt erkennbar nach.

Usbekistan verzeichnete seit 2020 einen kontinuierlichen Anstieg der Direktinvestitionen und erreichte im Jahr 2024 mit 2,84 Mrd. USD einen neuen Höchststand. Dabei ist die usbekische Volkswirtschaft mit rund 38 Prozent der Größe Kasachstans deutlich kleiner. Zwar liegt Taschkent noch hinter Astana, doch das dynamische Wachstum der Investitionen von 30 Prozent spricht für sich.

Ein träger Riese, ein aufstrebender Herausforderer

Kasachstan, mit seinem gewaltigen Rohstoffsektor, bleibt für Energie- und Bergbauunternehmen attraktiv. Chevron und ExxonMobil haben im großen Stil in die kasachische Erdölindustrie investiert. Der Kashagan-Ölkomplex in der Kaspischen See ist ein Billionenprojekt. Doch die Abhängigkeit vom Energiesektor, rund 60 Prozent der FDI fließen in Öl, Gas und Uran, macht die kasachische Wirtschaft verwundbar, insbesondere angesichts einer globalen Energietransformation.

Usbekistan dagegen war lange Zeit kaum präsent auf dem Radar internationaler Investoren. Erst mit dem Machtwechsel von Islam Karimow zu Schawkat Mirsijojew im Jahr 2016 kam Bewegung in die Wirtschaft. Seither ist eine bemerkenswerte Transformation im Gang. Die Regierung hat die Landeswährung liberalisiert, Zollbarrieren gesenkt, Geschäftsreisen vereinfacht, wirtschaftliche Zonen geschaffen und ein ambitioniertes Privatisierungsprogramm angekündigt. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank attestieren gute Fortschritte, wenn auch von niedriger Ausgangsbasis.

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Während Kasachstan den Großteil seiner Direktinvestitionen im Rohstoffsektor konzentriert, punktet Usbekistan mit Diversifizierung. Die Textilindustrie boomt, angetrieben von Reformen in der Baumwollproduktion und neuen Veredelungsbetrieben. Auch die Agrarwirtschaft, lange unter staatlicher Kontrolle, zieht nun Investoren aus der Türkei und den Golfstaaten an. Erneuerbare Energieprojekte, zum Beispiel in Kooperation mit Masdar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, signalisieren, dass das Land nicht auf fossile Abhängigkeit setzt.

Deutsche Zurückhaltung mit Potenzial

Deutsche Unternehmen, traditionell zurückhaltend in Risikomärkten, entdecken Usbekistan allmählich. Zwar sind erst rund 220 deutsche Firmen im Land aktiv, darunter Claas, Knauf, MAN und Siemens, doch die Bundesregierung hat die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen seit 2019 deutlich intensiviert. Ein Investitionsschutzabkommen und ein Deutsch-Usbekisches Wirtschaftsforum sorgen für institutionelle Absicherung.

Deutsche Unternehmen haben in Kasachstan traditionell eine stärkere Präsenz. Rund 1.000 deutsche Firmen sind im Land aktiv oder vertreten, darunter Schwergewichte, aber auch zahlreiche Mittelständler im Maschinenbau und in der Umwelttechnik. Die deutsche Wirtschaft schätzt Kasachstans gut ausgebaute Infrastruktur, seine Rohstoffbasis und die enge Kooperation mit der EU. Während Kasachstan Stabilität verspricht, prüft man in Berlin zunehmend auch Alternativen in der Region und richtet den Blick gen südlichen Nachbarn. Denn auch die deutschen Unternehmen spüren die Dynamik Usbekistans und wollen mitwirken.

Usbekistans Aufholjagd bleibt allerdings fragil. Die Investitionssicherheit ist verbesserungswürdig, der Kapitalmarkt unterentwickelt. Auch mangelnde Rechtsstaatlichkeit ist weiterhin ein Problem, besonders auf regionaler Ebene. Zudem fehlt es an gut ausgebildeten Arbeitskräften in zukunftsrelevanten Industrien. Und nicht zuletzt: Reformfreude ist oft an die politische Spitze gebunden. Ein Post-Mirsijojew-Usbekistan könnte seine Öffnung ebenso abrupt zurückfahren. Kasachstan wiederum hat Stabilitätsvorteile wie etwa eine größere Volkswirtschaft, höhere Kapitalmarkttiefe, bessere Infrastruktur. Doch ohne strukturelle Reformen riskiert das Land, in einem Rohstoff-Status quo zu verharren.

Ein strategischer Kipppunkt

Geopolitisch gesehen verfolgen Usbekistan und Kasachstan eine Multi-Vektor-Strategie. Beide Staaten nehmen Investitionen aus China an, beteiligen sich an der Neuen Seidenstraße, aber pflegen auch Beziehungen zur EU, zur Türkei, zu Russland und zu den Golfstaaten. In einer multipolaren Welt erhöht das ihre Attraktivität sowohl für risikobereite Investoren aus dem Süden als auch für strategische Akteure aus Europa, die neue Lieferketten und Märkte suchen.

Die neue Dynamik in Zentralasien ist kein Nullsummenspiel, doch die Gewichte verschieben sich. Kasachstan bleibt wichtig, aber Usbekistan ist auf dem besten Weg, sich zu einer, wenn nicht der Wirtschaftsmacht der Region zu entwickeln.

Jonas Prien, Volkswirt, Schneider Group

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